Restaurantbetreiberin erhält auch Lob

Nach Hausverbot für Kinder: Wirtin zahlreichen Hassnachrichten ausgesetzt

Stefan Zeitler

Online-Redaktion

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19.4.2022, 12:39 Uhr

Ort des durchaus ungewöhnlichen Hausverbots ist das Ostseebad Diehagen. Ricarda Biebl betreibt dort das "Schipperhus". In letzter Zeit beschwerten sich immer mehr langjährige Gäste über das Verhalten von Kindern. So sehr, dass die 49-Jährige nun die Notbremse zieht. In ihrem Restaurant sind ab sofort Kinder unter zwölf Jahren nicht mehr erlaubt.

Das "Schipperhus" – es ist eines der ältesten Gebäude in dem Urlaubsort. "Wir waren ausgebucht. Stammgäste saßen an einem Tisch neben einem Ehepaar aus München. Er war Arzt, um die 50. Sein Kind war drei", erklärt die Wirtin die Gründe für ihre Entscheidung. "Nachdem es mit Buntstiften unsere Wände vollgemalt hatte, lief es barfuß mit sandigen Beinen den Tisch rauf und runter und schmiss Nudeln mit Tomatensoße gegen die Wand."

Das Personal versuchte daraufhin freundlich, die Erziehungsberichtigten auf den Vorfall anzusprechen – mit mäßigem Erfolg. "Wir wurden wüst beschimpft – wie eigentlich immer, wenn wir etwas sagen", analysiert Ricarda Biebl gegenüber der Bild-Zeitung ernüchternd.

Da dies aber nur einer von unzähligen vergleichbaren Vorfällen gewesen sei, fasste die Gastronomin einen Entschluss: "Das habe ich mir lange genug angesehen". Die Folge: Seitdem hängt ein Aushang und eine Info auf der Website des Restaurants. Hier zu lesen: "Aufgrund vieler unschöner Ereignisse in der Vergangenheit haben wir uns dazu entschlossen, keine Familien mit Kindern unter 12 Jahren mehr zu bewirten."

Biebl ist selbst vierfache Mutter, der Schritt fiel ihr alles andere als leicht. "Ich hatte große Angst vor diesem Schritt – obwohl Hotels für Erwachsene oder Spa-Bereiche ab 16 Jahren das Normalste der Welt sind".

Das große Problem seien nicht etwa die Kinder – sondern die Eltern. "Es gibt nur noch wenige, die sich wirklich um die Erziehung ihrer Kinder bemühen. Die meisten saßen hier und guckten ins Telefon, während ihre Kinder schreiend durchs Lokal rannten."

Das Vorgehen blieb nicht ohne Folgen. Im Netz hagelte es reihenweise schlechte Bewertungen und teilweise auch persönliche Beleidigungen. "Leider konnte das Schipperhus bei mir nicht punkten. Rösti, Rotkohl und Wirsing TK. Hirschgulasch und Kartoffeln geschmacklos", steht dort zum Beispiel geschrieben. Natürlich ohne Namen und anonym. Versteht sich. "TK" steht dabei für Tiefkühlkost, die Höchststrafe für gehobene Gastronomie.

Aber nicht nur Hass und Kritik, sondern auch Lob steht auf der anderen Seite gegenüber. Manche Gäste würden nur deshalb wiederkommen, weil sie abends in Ruhe essen können. Darunter seien auch Eltern, die ihre Kinder für diese Zeit zu Oma und Opa bringen.

Auch auf dem Facebook-Auftritt von nordbayern.de wird das Thema viel diskutiert. Die Kommentare sind dabei überwiegend zustimmend und unterstützend für die Wirtin. Eine kleine Umfrage hierzu zeigt sogar 912 Zustimmungen unter 1121 Teilnehmenden. (Stand 19.04. 12.39 Uhr).

2018 kaufte die Wirtin das "Schipperhus", was sie anschließend auf Fischgerichte spezialisierte. Die Anfeindungen gehen ihr so nahe, dass sie nun sogar über einen Verkauf nachdenke. "Ich war 27 Jahre in der Gastronomie angestellt, bevor ich den Schritt in die Selbstständigkeit gewagt habe, ich hatte also einiges erlebt. Aber was hier los ist, geht an die Substanz. Es tut mir leid um alle gut erzogenen Kinder und freundlichen Eltern." Noch hat das "Schipperhus" aber geöffnet – jedoch auch weiter nur für Paare mit Kindern ab zwölf Jahren.

Der Artikel wurde am 19.4.2022 um 12.39 Uhr aktualisiert.