Regen und nur 20 Grad

Nein, das schlechte Wetter bedeutet nicht, dass der Klimawandel nur halb so wild ist

Christian Urban

Redakteur - nordbayern.de

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7.8.2023, 05:54 Uhr
Das Wetter in Deutschland ist momentan alles andere als sommerlich.

© IMAGO/Christian Schroedter, IMAGO/Christian Schroedter Das Wetter in Deutschland ist momentan alles andere als sommerlich.

Wenn sich in der Region schwere Unwetter anbahnen, vor denen sogar der Deutsche Wetterdienst (DWD) warnt, dann veröffentlichen wir stets Artikel dazu und verbreiten diese auf allen verfügbaren Kanälen - unter anderem auch auf Facebook. Einfach um die Menschen zu warnen, dass da möglicherweise etwas kommt. Meist passieren dann zwei Dinge: In Nürnberg zeigt sich das Unwetter deutlich harmloser als in der Region - und Horst Gehtdichnixan (Symbolname) schreibt unter unser Posting einen Kommentar wie "Da war gar nix! Wie immer nur Panikmache!!!".

Was Horst dabei entweder egal oder nicht bewusst ist: Während bei ihm in der Nürnberger Nordstadt lediglich drei Tröpfchen vom Himmel gefallen sind, werden in dem Moment, in dem er seinen Kommentar schreibt, in Forchheim möglicherweise zahlreiche umgestürzte Bäume von Straßen geräumt und Keller ausgepumpt, weil die dortige Kanalisation den Regenmassen nicht ansatzweise gewachsen war.

Horst macht damit den gleichen Fehler wie beispielsweise die Menschen, die Corona deswegen verharmlosten, weil sie niemanden kannten, der (ernsthaft) daran erkrankte oder sogar starb. Die Horror-Berichte aus den Kliniken? Alles Panikmache, denn was man nicht selbst erlebt hat, existiert nicht - oder falls doch, ist es bestimmt nicht so schlimm, wie alle sagen.

Gleiches ist auch bezüglich des menschengemachten Klimawandels (dessen Existenz übrigens, das nur fürs Protokoll, wissenschaftlich bewiesen ist) zu beobachten. Denn kaum regnet es im Sommer zwei Wochen, vergisst Horst, dass es seit Jahren zu wenig Niederschlag in Deutschland gibt und zahlreiche Bäume bereits Anfang Juli wegen monatelangen Wassermangels und Hitzestress begannen, ihre Blätter abzuwerfen. Sobald wir also auf Facebook verkünden, dass die nächste Woche kalt und nass wird, kommentiert Horst: "So viel zum Thema Klimawandel!!!"

Auch hier ignoriert Horst die Tatsache, dass die Welt nicht nur aus Deutschland besteht - und dass, während wir hierzulande schon mal die Herbstklamotten aus dem Schrank holen, gleichzeitig weltweit quasi all die Hitzerekorde gebrochen werden, die erst im letzten Jahr aufgestellt wurden. Wobei das alles ohnehin nur der Anfang ist: Die Uno erwartet von 2023 bis 2027 die fünf heißesten Jahre, die die Erde seit Beginn der Aufzeichnungen erlebt hat. Im Grunde genommen haben wir also gerade einfach nur wirklich großes Glück, dass wir in unseren zubetonierten Innenstädten nicht auch annähernd 40 Grad haben, wie es kürzlich in Griechenland der Fall war - oder bereits Anfang April (!) in Spanien.

Hinzu kommt noch, dass Klimawandel keineswegs bedeutet, dass es überall auf dem Planeten einfach nur wärmer wird. Auch Extremwetterlagen - beispielsweise die Überschwemmungen in Norditalien Ende Mai oder derzeit in Slowenien und Österreich - nehmen signifikant zu, seit die Auswirkungen des Klimawandels immer deutlicher spürbar werden. Und ja, Horst: "Des gab's früher auch scho!!!" - das ist richtig. Aber eben nicht in dieser Häufigkeit.

Wetter ist nicht Klima

Was Horst in diesem Kontext neben seiner "was ich nicht selbst erlebe, kann nicht real sein"-Ignoranz übrigens auch sehr gerne tut, ist, von "Klima" zu schreiben, obwohl er "Wetter" meint: Denn Wetter beschreibt lediglich den aktuellen Zustand, während Klima ein Mittelwert ist, der aus den Wetterverhältnissen einer längeren Zeitspanne gebildet wird. Meist werden hier 30 Jahre als Grundlage genommen.

Selbst wenn es also in Deutschland von Juni bis September bei 5 Grad durchregnen würde, hätte das noch immer keinerlei Aussagekraft bezüglich des Klimas oder seiner Veränderungen. Dies gilt besonders dann, wenn man das Klima global betrachtet.

All das weiß Horst aber nicht nur nicht, sondern er will es auch eigentlich nicht so genau wissen - schließlich müsste er sonst möglicherweise seine Lebensweise ein wenig ändern. Daher antwortet er auf Menschen, die ihm die entsprechenden Sachverhalte auf Facebook erklären, gerne nur mit einem tränenlachenden Smiley.

Keine Frage, für die Erklärenden kann das außerordentlich frustrierend sein. Einfach aufgeben sollten sie dennoch nicht: Schließlich (bzw. glücklicherweise) ist nicht jeder Mensch ein Horst.

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