Gegen die Pocken

Parallelen zu Corona: Wie Bayern einst die weltweit erste Impfpflicht verhängte

15.10.2021, 15:23 Uhr
Damit eine verheerende Viruserkrankung eingedämmt werden konnte, griff Bayern zu drastischen Mitteln.

© Sebastian Gollnow/dpa Damit eine verheerende Viruserkrankung eingedämmt werden konnte, griff Bayern zu drastischen Mitteln.

Der Impfdruck in Deutschland steigt: Seit Anfang dieser Woche sind die Corona-Schnelltests kostenpflichtig und die 3G-Regel beschränkt den Zutritt bei vielen Freizeiteinrichtungen - sogar Ärzte verlangen zum Teil Testnachweise. Dieses Vorgehen ist aber keineswegs neu. Ein Blick in die Geschichte zeigt, dass die Impfpolitik früher sogar um einiges rigoroser war.

Wir blicken viele Jahre zurück. Damals wüteten die Pocken über ganz Europa. In England ereignete sich Ende des 18. Jahrhunderts eine echte medizinische Sensation. Der Forscher Edward Jenner entwickelte den ersten Impfstoff überhaupt, erinnert die Bundeszentrale für politische Bildung (BpB). Die Viruserkrankung kostete schon seit Jahrhunderten viele Menschenleben und deswegen gab es bereits einige Beobachtungen, die Jenner schließlich zum Durchbruch verhalfen. So wusste man, dass die Ansteckung mit Kuhpocken nicht nur weit weniger gefährlich waren als mit dem menschlichen Pendant, die Infektion konnte sogar vor einer Erkrankung mit Menschenpocken schützen.

Menschenversuche ermöglichten Meilenstein

Um diese Erkenntnis wissenschaftlich zu untermauern, führte der Engländer Jenner 1780 Experimente durch. Er ritzte einem Jungen eine Schramme in den Oberarm und strich dann die Kuhpocken darauf. Im Anschluss bekam das Kind leichtes Fieber, wie der Forscher erwartet hatte. Nach sechs Wochen wagte Edward Jenner die Probe aufs Exempel: Er steckte den Jungen künstlich mit menschlichen Pockenviren an - und das Experiment glückte. Das Kind erkrankte nicht.1798 publizierte der Mediziner seine Ergebnisse. Jenner benannte seinen Impfstoff "vaccine". Das leitet sich vom Ursprungstier der Kuh (lateinisch "vacca") ab. Daher kommt das heute verbreitete Wort Vakzin.

Mit der Impfung kamen die Impfgegner

Doch damals war es auch nicht anders als heute - sobald eine Impfung da war, gab es auch Widerstand. Wie bei der BpB nachzulesen ist, schlossen sich die Impfgegner schnell in einem Verein zusammen. Die Verbündete kamen dabei aus der ganzen Bevölkerung, sogar der Philosoph Immanuel Kant gehörte laut Welt zu den Gegnern der Impfung. Ihre Argumente erinnern auch an aktuelle Parolen: Die Impfung sei gesundheitsschädlich und wirke nicht. Dabei stützten sich die Skeptiker darauf, dass es beim unhygienischen Arbeiten tatsächlich zur Infektion mit anderen Krankheiten wie Syphilis kam. Auch die Wirkung der Impfung ließ mit der Zeit nach, weshalb es zu weiteren Ausbrüchen kam - trotz hoher Impfquote. Es gab aber auch eher weltanschauliche Argumente, die wohl zu den ersten Verschwörungstheorien gehörten: Demnach verwandle die Impfung den Menschen in eine Kuh oder es sei ein Eingriff in Gottes Plan, der damit Sünden bestrafen wolle.

Bei Verstoß drohten hohe Geldstrafen

Vor allem das letzte Argument vertraten viele Priester. Das war deshalb ein Problem, weil sie eine große Rolle bei der Impfkampagne spielten. Laut der Augsburger Allgemeinen erfassten sie mit ihrem Taufbuch die Impfpflichtigen und gaben an der Kanzel Zeit und Ort der Impfungen bekannt. Dadurch konnte sichergestellt werden, dass die Bevölkerung informiert war. Seit der Impfpflicht war es wichtig zu wissen, wann das eigene Kind geimpft werden konnte. Geschah dies nämlich nicht bis zum 4. Lebensjahr, musste man erhebliche Strafen zahlen. Laut Recherchen der BpB waren je nach Wohlstand 1-8 Gulden fällig. Dabei verdiente ein gewöhnlicher Soldat nur 2 1/4 Gulden pro Monat. Das Geld trieben Soldaten ein. Wenn man sich strikt weigerte, sein Kind zum Impfen, so fielen jedes Jahr aufs Neue Kosten an. Die Vorgaben waren sogar noch strenger: Wenn ein ungeimpftes Kind an den Pocken erkrankte, dann musste die Familie eine zusätzliche Geldstrafe zahlen und der Vater für 3-6 Tage ins Gefängnis, wie bei der Augsburger Allgemeine nachzulesen ist. Bei besonderen Umständen oder Erkrankung war man ausgenommen von der Impfpflicht.

Durch diese strengen Maßnahmen konnte die Impfquote in Bayern stark gesteigert werden. Nach und nach führten sie auch andere ein wie das Herzogtum Baden und das Königreich Hannover. 1874 wird sie im ganzen neu gegründeten Deutschen Reich erlassen, weil die Kriege auch viele Pockenopfer forderten. Gut 100 Jahre nach der deutschlandweiten Impfpflicht erklärt die WHO die Pocken als ausgestorben.