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Polizei kontrolliert Vulva von Klima-Aktivistin - "Ich fühle mich ziemlich gedemütigt"

Isabel Pogner

Online-Redaktion

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11.2.2023, 17:27 Uhr
Marina Hagen-Canaval wurde bei Demonstrationen in Wien im Januar zweimal festgenommen. Dabei musste sie sich nackt ausziehen.

© Letzte Generation Österreich Marina Hagen-Canaval wurde bei Demonstrationen in Wien im Januar zweimal festgenommen. Dabei musste sie sich nackt ausziehen.

Statt aktivistischer Sprüche hat Marina Hagen-Canaval, eine 26 Jahre alte Klimaaktivistin aus Österreich, am Freitag ihr Höschen auf Twitter gepostet. Der schwarze Stoff trägt Himbeer-Muster und ist geeignet, um die Vulva der Trägerin zu bedecken. Nicht aber, um Waffen darin zu verstecken, findet Hagen-Canaval. Die Polizei Wien sieht das scheinbar anders und forderte die Aktivistin laut deren Aussage nach einer Protestaktion Mitte Januar sogar dazu auf, den Slip auszuziehen. Klimaaktivisten, Politiker und die Twitter-Community sind empört, die Wiener Polizei rechtfertigt das Vorgehen in einem Tweet.

Hagen-Canaval setzt sich für die Letzte Generation Österreich ein und wurde laut eigener Aussage zweimal festgenommen - am 10. und 13. Februar. Vielen Menschen sei nicht bewusst, wie die Aktivisten bei der Festnahme behandelt werden, erzählt Hagen-Canaval. Deshalb habe sie sich dazu entschlossen, ihre Erlebnisse auf Twitter zu teilen.

Auch gegenüber nordbayern.de: "Bei der Festnahme wird man von der Polizei in das Polizeianhaltezentrum gebracht", erzählt sie. Dort wurde sie untersucht und musste sich in einer Umkleidezelle bis auf die Unterwäsche ausziehen. Ihre Klamotten kamen erst einmal weg und wurden per Scanner durchleuchtet. Im Anschluss habe sie eine Polizistin dazu aufgefordert, auch die Unterhose auszuziehen. "Ich habe gefragt warum. Sie hat gesagt: ,Das macht man so'", erzählt Hagen-Canaval und schildert: "Ich musste dann meine Unterhose herunterklappen und sie hat sich meine Vulva angeschaut."

Ausziehen gegen ihren Willen

Zwei Tage später, bei ihrer zweiten Festnahme, gab's dann das gleiche Prozedere nochmal. "Aber da habe ich mich geweigert. Ich wollte meine Vulva nicht zeigen", sagt Hagen-Canaval. Die Beamtin habe ihr jedoch verkündet: "Doch, das muss sein.“ Also habe sie kurzerhand Hagen-Canavals Unterhose genommen, heruntergeklappt und sich noch einmal ihre Vulva angesehen. Wohlgemerkt nur von außen, in die Vagina gucken dürfen die Polizistinnen in Österreich nur, wenn ein Arzt anwesend ist.

Mitte Januar wurde Marina Hagen-Canaval zweimal festgenommen. 

Mitte Januar wurde Marina Hagen-Canaval zweimal festgenommen.  © Letzte Generation Österreich

Derartige Kontrollen sind in der Alpenrepublik laut Sicherheitspolizeigesetz (Paragraph 40) erlaubt, "um sicherzustellen, daß diese [Menschen] während ihrer Anhaltung weder ihre eigene körperliche Sicherheit noch die anderer gefährden und nicht flüchten."

Allerdings habe Hagen-Canaval einen engen Tanga getragen. "Darunter kann ich keine keine Maschinenpistole, kein Gewehr oder keine Machete verstecken", sagt sie. Und selbst wenn sie etwas in ihrer Vagina versteckt hätte, hätte die Beamtin das bei der oberflächlichen Kontrolle nicht gesehen. Daher hält sie die Kontrollen für unverhältnismäßig. Nach der Aktion habe sich "ziemlich gedemütigt gefühlt".

Mit der Erfahrung scheint Hagen-Canaval nicht die einzige zu sein, erklärt die Letzte Generation Österreich auf Twitter. Mindestens acht Mitglieder habe die Polizei dazu aufgefordert, sich auszuziehen, um dann Penis, Vulva oder Po zu kontrollieren. "Wir empfinden das als Herabwürdigung", schreiben die Aktivisten. Die Polizei sieht das anders. "Das ist kein Skandal, sondern Usus", twittern die Wiener Beamten und erklären: Wenn Personen in den Arrest gesteckt werden, stelle man durch die Kontrolle sicher, dass die Personen keine gefährlichen Gegenstände bei sich haben. Der Grund der Festnahme sei dabei für die Polizisten irrelevant: "Jede festgenommene Person wird auf diese Weise durchsucht." Genaue Angaben zu Hagen-Canavals Fall will sich die Pressestelle der Landespolizeidirektion Wien gegenüber nordbayern.de aus "datenschutzrechtlichen Gründen" nicht machen.

"Schikane" und "Skandal" oder schlicht "rechtskonform"?

Auf Twitter bekommt die Polizei viel Gegenwehr, denn auch einige Nutzer finden das Vorgehen unverhältnismäßig. Einer schreibt etwa: "„Skandal“ und „Usus“ schließt sich per se nicht aus", ein anderer kommentiert: "Die Routine der Schikane." Eine Nutzerin fragt sich: "Gibt es keine andere Möglichkeit als Personen komplett auszuziehen und in dieser Weise zu demütigen? Es gibt doch Detektoren und Ähnliches, womit nichts unsichtbar oder unkenntlich bleibt. In der Türkei wird so etwas als Foltermethode gewertet."

Und auch die österreichische Landtagsvizepräsidentin Sandra Schoch zeigt sich auf Twitter empört. "Das ist ein Skandal", findet sie.

Andere Twitter-Nutzer verteidigen das Vorgehen der Polizei. Etwa so: "Das war rechtskonform. Ziviler Ungehorsam bedeutet manchmal verhaftet werden und verhaftet werden, bedeutet Leibesvisitation." Oder so: "Die Nicht-Besichtigung des Körpers wäre im Falle eines Vorfalles eine Fahrlässigkeit." Und manche werfen Hagen-Canaval auch vor, mit dem Post nur Aufmerksamkeit generieren zu wollen.

Hagen-Canaval wird ihren Protest jedenfalls weiter fortsetzen. "Auch unter dem Risiko, dass das nochmal passiert", sagt sie. Denn: "Wenn es das braucht, damit die Regierungen Klimaschutzmaßnahmen umsetzen, dann ertrage ich es, wenn alle Polizistinnen im Zentrum meine Vulva anschauen."