Kosten überwiegen laut Forschenden Nutzen
Studie deckt falsche Autolobby-Argumente auf: Kein Zeitverlust durch Tempo-Limit?
22.5.2023, 16:24 UhrDeutschland ist innerhalb der EU das einzige Land ohne Geschwindigkeitsbegrenzung auf der Autobahn. Zu Recht? Eine Gruppe internationaler Forschender hat die möglichen Kosten und Nutzen eines Tempolimits von 130 Kilometer pro Stunde untersucht und die Ergebnisse ihrer Studie im Fachjournal "Ecological Economics" veröffentlicht. Dabei kommen sie nicht nur zu dem Schluss, dass sich durch eine Geschwindigkeitsbegrenzung viel Geld und Emissionen einsparen lassen würden. Sie schlussfolgern zudem, dass das fehlende Tempolimit Autofahrenden insgesamt nicht wirklich Zeit einspart. Aber von vorn.
Vorteile für Haushalt und Klima
Das unbegrenzte Heizen auf Autobahnen beschere der Bundesrepublik laut Studie jährlich hohe Kosten, so die Forschenden. Durch die Einführung eines Tempolimits könne sich Deutschland theoretisch mindestens 950 Millionen Euro im Jahr sparen, so die Schlussfolgerung der Forschenden. Schnelles Fahren generiere mehr Staus, verursache schlimmere Verkehrsunfälle und mache häufigere Sanierungen von Autobahnen und Brücken notwendig. Weiterhin führe es zu einer höheren Luftverschmutzung, die sich nicht nur negativ auf die Umwelt auswirke, sondern auch gesundheitliche Folgen nach sich ziehe. Diese stellen in Europa laut einer Studie der EU ein ernstzunehmendes Problem dar: Demnach seien im Jahr 2020 fast 240.000 Personen vorzeitig an den Folgen der Luftverschmutzung verstorben. Damit widerspricht die Studie aktiv dem Argument des Verbands der Automobilindustrie (VDA), dass ein Tempolimit einen "kaum spürbaren Klimaeffekt" hätte. Die zugehörigen Analysen bezeichnen die Forschenden "unwahr", "irreführend" und "auf nicht kausale Zusammenhänge" gestützt. Laut ihrer Einschätzung würde ein Tempolimit fast 2 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente pro Jahr verhindern.
Argument der Zeitersparnis laut Studie fraglich
Kritisch sehen die Beteiligten auch das von Seiten der Autoindustrie oft angeführte Argument, dass sich durch unbegrenzte Geschwindigkeit Zeit einsparen lasse. Dies sei zwar unter Umständen der Fall, den versprochenen wirtschaftlichen Vorteil sehen sie darin jedoch nicht: "Auch wenn höhere Geschwindigkeiten Zeiteinsparungen mit sich bringen, werden diese durch vermiedene Kraftstoff- und Unfallkosten wieder aufgehoben. Wenn man die Kosten von Staus hinzurechnet (...) ist es unwahrscheinlich, dass ein Tempolimit private oder geschäftliche Kosten verursacht."
Darüber hinaus stellen sie infrage, wie groß der Faktor der Zeitersparnis im Endeffekt wirklich ist. Grundsätzlich hätten die meisten Menschen nämlich ein festes Zeitbudget für die Dauer ihrer Reise, so zumindest die in der Studie angeführte Argumentation, die sich auf wissenschaftliche Erkenntnisse aus dem Jahr 2014 stützt. An diesem würde die Fahrtgeschwindigkeit nichts ändern. Demnach bewirke das nicht vorhandene Tempolimit nicht unbedingt, dass Personen insgesamt weniger Zeit auf der Straße verbringen, sondern eher, dass sie mehr Fahrten beziehungsweise längere Distanzen zurücklegen.
Forschende für Geschwindigkeitsbegrenzung
Insgesamt sprechen sich die beteiligten Forschenden für die Einführung einer Höchstgeschwindigkeit auf Deutschlands Autobahnen aus. "Die Kosten-Nutzen-Analyse legt nahe, dass ein Tempolimit von 130 km/h ein Politikfeld ist, in dem Umweltbelange, positive wirtschaftliche Auswirkungen und die öffentliche Meinung in Einklang gebracht werden können", so eine Schlussfolgerung der Studie. Laut einer repräsentativen Forsa-Umfrage aus dem Jahr 2022 gibt es innerhalb der deutschen Bevölkerung eine breite Unterstützung für die Einführung eines Tempolimits - ungeachtet von Gesundheits- und Umweltbedenken. Demnach sprachen sich 63 Prozent der Befragten für eine Geschwindigkeitsbegrenzung aus, wohingegen 35 Prozent ein Tempolimit grundsätzlich ablehnten.
10 Kommentare
Um selbst einen Kommentar abgeben zu können, müssen Sie sich einloggen oder sich vorher registrieren.
0/1000 Zeichen