Ein Faktencheck

Warum ungenaue Wetterprognosen nichts über den Klimawandel aussagen

26.2.2023, 19:20 Uhr
Schnee im Winter wird von Leugnern des Klimawandels gerne als Indiz betrachtet, dass doch alles in bester Ordnung ist.

© Matthias Bein, dpa Schnee im Winter wird von Leugnern des Klimawandels gerne als Indiz betrachtet, dass doch alles in bester Ordnung ist.

Wettervorhersagen für den kommenden Tag erreichen inzwischen Genauigkeiten von über 90 Prozent. Für längere Zeiträume sind exakte Angaben aber deutlich schwieriger. Bei Facebook werden nun zwei sich widersprechende Winterprognosen aus dem Januar 2023 geteilt. Der Kommentar: "Vier Tage dazwischen. Aber sie glauben zu wissen wie ein "gekoppeltes, nichtlineares, chaotisches System" (IPCC 2001) wie das Klima sich in 50 Jahren entwickelt." Doch kann man die Klimaforschung wirklich anhand dieser Wettermeldungen beurteilen?

Bewertung

Wetter und Klima ist nicht dasselbe. Im Unterschied zu Witterungen wird das Klima über einen wesentlich längeren Zeitraum beobachtet. Bei langfristigen Vorhersagen verbleiben zwar immer gewisse Ungenauigkeiten, Klimamodelle haben sich aber trotz aller Unsicherheiten als zuverlässig erwiesen.

Fakten

In dem geteilten Beitrag sind Screenshots zweier Tweets (hier und hier) zu Artikeln von "Merkur.de" über die Schneeaussichten für Februar zu sehen. Während eine Vorhersage von zu warmen Temperaturen ausgeht, stellt die andere einen "eisigen Wintereinbruch" in Aussicht.

Bestimmung von Witterungstrends

Beim zuerst veröffentlichten Artikel handelt es sich um eine sogenannte Witterungsvorhersage des Portals wetter.net, in der eine Grafik des Climate Forecast System (CFS) gezeigt wird. Die US-amerikanische Wetterbehörde NOAA erstellt mit diesem Klimamodell Monatsprognosen sowie saisonale Vorhersagen.

Witterungsvorhersagen werden für Wochen im Voraus erstellt und beruhen unter anderem auf statistischen Daten aus der Vergangenheit sowie Erkenntnissen über Meeresströmungen oder Satellitenbeobachtungen. Mit den verfügbaren Parametern berechnen Klimamodelle dann verschiedene Szenarien basierend auf leicht veränderten Ausgangsbedingungen.

Daraus werden Mittelwerte gebildet und zu sogenannten Ensemblevorhersagen kombiniert. Diese geben zum Beispiel Temperaturabweichungen gegenüber dem Durchschnitt der vergangenen Jahre, dem Klimamittel, an. Allerdings sind das nur Wahrscheinlichkeiten für mögliche Entwicklungen.

Mitte Januar ging das CFS für Februar noch von Temperaturen zwischen plus zwei und drei Grad über dem Klimamittel aus. Rund drei Wochen später ergaben die Berechnungen dann für Teile Europas zwar etwas niedrigere Werte, vorraussichtlich wird der Monat hierzulande aber laut NOAA trotzdem noch ein Grad wärmer sein als üblich. Der Deutsche Wetterdienst (DWD) kam in seinen Vorhersagen für Februar auf ähnliche Werte.

Beobachtung von Wettererscheinungen

Der wenige Tage später erschienene Artikel thematisiert wiederum das Phänomen des Polarwirbels und bezieht sich dabei auf einen Beitrag von The Weather Channel. Der Tiefdruckwirbel entsteht im Herbst über dem jeweiligen Pol und verstärkt sich im Winter, weil die Atmosphäre dort nicht mehr durch Sonnenlicht erwärmt wird.

Normalerweise ist der Polarwirbel stabil. Heizt sich allerdings die Stratosphäre auf, wird der kalte Luftstrom gestört und beeinflusst unser Winterwetter. Laut der Vorhersage war eine solche Erwärmung zu beobachten. Ein Hochdruckgebiet über dem Nordpol begann, die arktische Kaltluft abzudrängen. Ob diese dann aber nach Asien, Nordamerika oder Europa - und dort überhaupt über Deutschland - ausweichen würde, sei unklar, so der Meteorologe in seinem Bericht (ab Minute 1:30).

Bis sich Veränderungen im Polarwirbel auf das Wetter auswirken, kann es laut NOAA bis zu zwei Monate dauern. Mitte Februar ging die Wetterbehörde aufgrund der Gegebenheiten zumindest von einer höheren Wahrscheinlichkeit für einen Kälteeinbruch "irgendwo in den mittleren Breitengraden" aus. Dieser kann auch noch bis in den März hinein auftreten.

Für Europa sind die Winteraussichten grundsätzlich schwieriger abzusehen als für andere Orte in der Welt, so das Europäische Zentrum für mittelfristige Wettervorhersage (EZMW).

Vorhersagen zur Klimaentwicklung

Die Tatsache, dass das Wetter nicht auf Wochen oder Monate hin genau bestimmt werden kann, ist jedoch kein Argument gegen die Aussagekraft von Einschätzungen zum künftigen globalen Klima. Der Weltklimarat IPCC charakterisierte das Klima in seinem Dritten Sachstandsbericht von 2001 als "gekoppeltes, nichtlineares, chaotisches System" (Downloadlink, S. 774). Aufgrunddessen seien auch keine präzisen langfristigen Vorhersagen möglich, sondern höchstens Wahrscheinlichkeiten für bevorstehende Entwicklungen zu ermitteln.

Im Gegensatz zu Witterungsvorhersagen oder saisonalen Prognosen wird das Klima über einen wesentlich längeren Zeitraum beobachtet. Die Weltorganisation für Meteorologie (WMO) hat als Referenz eine sogenannte Normalperiode von 30 Jahren festgelegt. Diese umfasst die jeweiligen klimatischen Bedingungen als "Durchschnittswetter" an bestimmten Orten oder in größeren Gebieten.

Im Zusammenhang mit dem Klima wird zudem von Projektionen gesprochen. Die Ausgangsbedingungen spielen hier nur eine untergeordnete Rolle, der Fokus liegt auf unterschiedlichen Szenarien der Entwicklung der Treibhausgasemissionen und deren potenziellen Auswirkungen.

Zur Qualität von Klimamodellen

Um den unvorhersehbaren Kriterien im Klimasystem begegnen zu können, wurde in den zwei Jahrzehnten seit Erscheinen des IPCC-Berichts an der Verbesserung von Klimamodellen gearbeitet. Dass die heutigen Systeme sehr zuverlässige Aussagen treffen, zeigt sich auch beim Vergleich früherer Vorhersagen mit den Beobachtungen der Realität.

Im aktuellen sechsten Sachstandsbericht von 2021 merkte der Weltklimarat an, dass schon die Projektionen der Modelle aus dem Bericht im Jahr 1990 sich im Nachhinein in vielen Bereichen mit der Entwicklung des Klimas gedeckt hätten und die neuesten Versionen annähernd "perfekte" Übereinstimmungen mit den eingetroffenen Verhältnissen lieferten.

Auch im Wissenschaftsblog "RealClimate" werden die gemessenen Oberflächentemperaturen regelmäßig mit vergangenen Berechnungen verglichen: Über die Jahre hinweg lagen die Ergebnisse immer im von den Modellen abgeschätzten Bereich. Am nächsten an den tatsächlichen Zustand des Klimas kommen diejenigen Simulationen heran, die den menschlichen Einfluss auf die globale Erwärmung berücksichtigen.

Verwandte Themen