709 Sitze: Warum der Bundestag reformiert werden muss

26.4.2018, 09:41 Uhr
709 Sitze: Warum der Bundestag reformiert werden muss

© Michael Kappeler/dpa

Das mit den Erst- und Zweitstimmen dürften die meisten Bürger ja noch erklären können. Doch spätestens, wenn das Gespräch auf Überhang- und Ausgleichsmandate kommt, blicken viele nicht mehr durch.

Allein das dürfte das gewichtigste Argument für eine Reform des Wahlrechts sein: Viele Bürger verstehen es schlicht nicht oder zu wenig. Das schadet der Legitimation des Deutschen Bundestags.

Ein zweites Argument bringt nun Unionsfraktionsvize Carsten Linnemann vor: Der Bundestag sei schlicht zu groß geworden. 709 Abgeordnete sitzen derzeit im Parlament, ein Rekordwert. Und weit mehr, als es etwa Senatoren und Abgeordnete im US-Kongress gibt.

Beides, das komplizierte Wahlrecht wie die Größe des Bundestags, hängen direkt miteinander zusammen. Um das zu verstehen, muss man ins Detail gehen: Wenn eine Partei in den Wahlkreisen (durch die Erststimme) mehr Mandate erringt, als ihr nach dem Ergebnis der Zweitstimmen zustehen würden, ist von Überhangmandaten die Rede. Weil die Sitzverteilung im Bundestag aber das Zweitstimmen-Ergebnis widerspiegeln soll, erhalten die anderen Parteien als Ausgleich für die Überhangmandate selbst zusätzliche Sitze (so genannte Ausgleichsmandate). Diesen Ausgleich hatte 2012 das Bundesverfassungsgericht gefordert.

Vereinfacht formuliert: Viele Überhangmandate bedeuten noch mehr Ausgleichsmandate - und der Bundestag wird immer größer. Oder noch einfacher formuliert: Das ist so kompliziert, dass es eine Reform braucht.

Koalitionsvertrag schweigt

Bedauerlicherweise ist nicht in Sicht, dass eine solche Reform ernsthaft angegangen wird. Der Koalitionsvertrag verweist lediglich auf die "aktuellen Beratungen" des Bundestags zur Wahlrechtsreform - und vermeidet jede inhaltliche Aussage. Die Große Koalition muss sich also den Vorwurf gefallen lassen, sie sei gar nicht wirklich interessiert an einem kleineren Bundestag.

Wirklich verwundern sollte das niemanden: Denn ein kleinerer Bundestag würde ja bedeuten, dass ein beträchtlicher Teil derer, die sich in Berlin eingerichtet haben, das Parlament bei der nächsten Wahl wieder verlassen müsste. Gerade die Abgeordneten, die nicht auf hohe Listenplätze oder starke Wahlkreisergebnisse hoffen können, haben also ein Eigeninteresse, eine Wahlrechtsreform zu verhindern.

Leichter dürfte es ihnen indes fallen, die Wahlperiode - wie von Linnemann ebenfalls gefordert - von vier auf fünf Jahre zu verlängern. Das sollten wir ihnen aber nicht durchgehen lassen. Schon gar nicht, wenn sie sich sonst jeder Reform widersetzen.

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