Astrazeneca-Impfungen teilweise wieder gestoppt: Wie sicher ist der Impfstoff?

30.3.2021, 17:58 Uhr

Berlin, Brandenburg und München haben sich dazu entschlossen, Menschen unter 60 Jahren nicht mehr mit Astrazeneca zu impfen - und damit ein weiteres Kapitel im mittlerweile ziemlich verwirrenden Hin und Her um den Impfstoff eröffnet.

Astrazeneca-Stopp: Den Anfang macht ein Landkreis in Nordrhein-Westfalen

Auch Kanada reagierte zwischenzeitlich auf die aus Europa gemeldeten Fälle von Sinusvenenthrombosen bei Geimpften und setzte die Impfungen für jüngere Menschen aus. Mehrere skandinavische Länder haben sie nach dem Bekanntwerden der Thrombose-Fälle erst gar nicht fortgesetzt.

Den Anfang für die zweite "Stopp-Welle" in Deutschland machte am Montag der Landkreis Euskirchen. Bei einer 28-Jährigen und einer 47-jährigen Geimpften wurde nur Tage nach der Impfung eine seltene Sinusvenenthrombose diagnostiziert. Die ältere Frau starb an den Folgen der Erkrankung.

Kein Astrazeneca für unter 60-Jährige: Berlin, Brandenburg und München ziehen nach

Die Bundesländer Berlin und Brandenburg sowie die Stadt München zogen am Dienstag nach und setzten die Impfung für Menschen unter 60 vorübergehend aus. Darüber hinaus will die Ständige Impfkommission (Stiko) in Deutschland ihre Empfehlung für den Wirkstoff anpassen: So sollen wohl nur noch Menschen über 60 mit Astrazeneca geimpft werden.

Und das obwohl die Europäische Arzneimittelbehörde - kurz EMA - den Impfstoff erst vor zwei Wochen in einer vorläufigen Überprüfung als "sicher und wirksam" einstufte - auch wenn ein Zusammenhang zwischen dem Vakzin und dem Auftreten der Sinusvenenthrombosen festgestellt wurde. Für viele Menschen stellt sich nun die Frage: Wie sicher ist der Impfstoff wirklich?

Paul-Ehrlich-Institut: Bislang 31 Fälle von Sinusvenenthrombose nach Astrazeneca-Impfung

Ein Blick auf die reinen Fakten hilft: Laut aktuellen Zahlen des für Impfstoffe zuständigen Paul-Ehrlich-Instituts, auf die sich der Spiegel beruft, gab es in Deutschland bis zum 29. März 31 Fälle einer Sinusvenenthrombose nach einer Astrazeneca-Impfung. Bei 19 Patienten ging die Erkrankung zusätzlich mit einer Thrombozytopenie, also einem Mangel an Blutplättchen, einher. Neun Menschen starben.

Betroffen sind 29 Frauen und zwei Männer. Die Frauen sind zwischen 20 und 63 Jahren alt, die Männer 36 beziehungsweise 57.

Hirnthrombose: Schätzungsweise ein Fall auf rund 61.400 Impfungen

Berechnungen des Spiegels zufolge, die auf Daten des Robert-Koch-Instituts beruhen, sind unter den 2,7 Millionen Astrazeneca-Erstimpfungen rund 1,78 Millionen Frauen unter 70 Jahren. Bei 29 Sinusvenenthrombose-Fällen entspricht das einem Fall pro 61.400 Impfungen, bei Männern ist es ein Fall auf 432.000 Impfungen.


FAQ: Was, wenn man Nein zum Impfstoff von Astrazeneca sagt?


Das ist ein Risiko, dass bei der Bewertung nicht unter den Tisch fallen darf - und dennoch eines, dass trotz der tragischen Schicksale in den einzelnen Fällen sehr gering ist. Der Vorteil, dass die Impfung einen vor einer potenziellen Corona-Infektion schützt, ist statistisch gesehen deutlich größer als die Thrombose-Gefahr. Das ist auch das Ergebnis, zu dem das Paul-Ehrlich-Institut kommt.

Von Vorteil ist außerdem, dass es in Deutschland nicht nur einen Impfstoff gibt. So können Risikogruppen ein anderes Vakzin, bei dem keine Probleme beobachtet wurden, erhalten.

Astrazeneca: EMA will aktualisierte Empfehlung erarbeiten

Einen ersten Schritt in diese Richtung hat die Ständige Impfkommission bereits getan. Einem Beschlussentwurf zufolge soll Astrazeneca nicht mehr an Menschen unter 60 verimpft werden.

Steigen nun auch die Hausärzte in die Impfkampagne ein, könnten sie individuell - und deutlich unbürokratischer als im Impfzentrum - entscheiden, welcher ihrer Patienten welchen Impfstoff erhält. Für Entlastung dürfte hier auch die Nachricht sorgen, dass in den nächsten Tagen größere Lieferungen von Biontech und Moderna erwartet werden.

Weitere Informationen über die seltene Nebenwirkung des Astrazeneca-Vakzins soll es dann in der zweiten April-Woche geben. Bis dahin will die EMA laut dem MDR eine aktualisierte Empfehlung für den Impfstoff erarbeiten.

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© Soeren Stache, dpa

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