Buch über den Tod seines Sohnes: Das Versprechen des Joe Biden

30.11.2020, 14:52 Uhr
Hier sind seine Frau Neilia, sein Sohn Beau und seine Tochter Naomi begraben: Kurz nach seinem Wahlsieg besuchte Joe Biden den Friedhof seiner Heimatgemeinde Wilmington.

© Drew Angerer Hier sind seine Frau Neilia, sein Sohn Beau und seine Tochter Naomi begraben: Kurz nach seinem Wahlsieg besuchte Joe Biden den Friedhof seiner Heimatgemeinde Wilmington.

"Bleibst du noch, Dad?“ Es ist Herbst 2014, Joe Biden ist mit seiner Frau Jill bei seinem Sohn Beau zum Abendessen eingeladen – als ihn der zur Seite nimmt: Er wolle noch etwas mit ihm besprechen. Beau Biden, 45 Jahre alt und ein Hoffnungsträger der US-Demokraten, ist zu diesem Zeitpunkt bereits gezeichnet. Die sichtbaren Auswirkungen seiner Krebserkrankung – sie sind nicht mehr zu leugnen.

„Dad, schau mich an. Ich komme klar, was auch passiert. Das verspreche ich dir“, sagt Beau Biden zu seinem Vater. Dem wird bei diesen Worten klar, dass sein Sohn seinen Frieden gemacht hat. Seinen Frieden damit, dass er sterben wird. Doch Beau Biden hat noch einen Wunsch. „Versprich mir, Dad“, sagt er zu seinem Vater, „dass du klarkommst, ganz egal, was passiert. Versprich es mir.“

Versprich es mir: Diese drei Worte sind die Verpflichtung, die Joe Biden – Vizepräsident der Vereinigten Staaten, vor allem und in erster Linie aber: ein Vater, ein Mensch – an diesem Abend eingeht. Drei Worte, die ihm die Kraft zum Weitermachen geben in Zeiten der Verzweiflung.

Bei C.H. Beck erschienen: "Versprich es mir"

Bei C.H. Beck erschienen: "Versprich es mir" © C.H. Beck

„Versprich es mir“ nennt Joe Biden dann auch das Buch, das er nach Ende seiner Amtszeit in der Obama-Regierung verfasst – und in dem er über das Sterben seines Sohnes schreibt sowie über die schwere Entscheidung, 2016 doch nicht für die Präsidentschaft zu kandidieren. Der Verlag C.H. Beck hat es nun auf Deutsch veröffentlicht.

Er stürzt sich in Arbeit

2010 wird Beau Biden erstmals mit Lähmungserscheinungen ins Krankenhaus gebracht, vier Jahre dauert es, bis er und seine Familie Gewissheit haben: Beau leidet an einem Glioblastom in seinem Gehirn. Es ist die schlimmstmögliche Nachricht für die Bidens, die Überlebenschancen sind gering.

Doch Beau Biden gibt nicht auf, lässt sich auf experimentelle Therapien ein – und behält bis zuletzt seine Zuversicht. An seiner Seite stehen die besten Ärzte des Landes. Sie würden es nicht, wäre Beau nicht der Sohn des Vizepräsidenten, diese Realität des amerikanischen Gesundheitssystems verschweigt Joe Biden nicht.

Der Vizepräsident stürzt sich daraufhin in Arbeit, setzt sich Ziele; hielte er es anders, würde seine Welt zusammenbrechen, schreibt er. Schon einmal ist Joe Bidens Welt zusammengebrochen. Als er 30 Jahre alt ist, sterben seine Frau Neilia und seine Tochter Naomi bei einem Autounfall, die beiden Söhne Beau und Hunter überleben schwer verletzt. Joe Biden folgt in diesen dunklen Stunden dem Rat eines Politikerkollegen – und beginnt, einen Kalender zu führen, bewertet jeden Tag mit einer Ziffer zwischen 1 und 10. Sechs Monate später stellt Biden fest, dass es die schlimmen Tage noch immer gibt, doch dass sie weniger werden.

Obamas Frage ließ ihn nicht los

„Es wird die Zeit kommen, wenn die Erinnerung ein Lächeln auf Ihre Lippen zaubern wird, bevor sie Ihre Augen mit Tränen erfüllt. Dann werden Sie wissen – es wird alles gut werden“: Es sind diese Worte, die Joe Biden über die Jahrzehnte den vielen Menschen mit auf den Weg gibt, die selbst jemanden verloren haben, die Trost bei ihm suchen, weil er ihren Schmerz kennt. „Ich hielt es für meine öffentliche Pflicht, den Millionen von Menschen, die dasselbe bittere Schicksal erlitten hatten, zu zeigen, dass es möglich war, einen schweren Verlust zu überstehen“, schreibt Biden. „Meine Familie und ich hatten die Pflicht, Durchhaltewillen und Würde zu demonstrieren.“

Im Sommer 2015 muss Joe Biden auch Beau zu Grabe tragen. Nach langem Ringen, die Antrittsrede ist bereits verfasst, entscheidet sich Joe Biden schließlich, doch nicht in den Wahlkampf um die Präsidentschaftskandidatur 2016 einzusteigen. Zu viel Raum nimmt die Trauer ein.

Und doch lässt ihn über die Jahre eine Frage seines Freundes Barack Obama nicht los: „Was wollen Sie mit dem Rest Ihres Lebens anfangen?“ Joe Biden findet seine Antwort in dem Motiv, das ihn fast vier Jahrzehnte zuvor in die Politik trieb – das Gefühl einer Bestimmung, einer Verpflichtung dem Land gegenüber.

„Mein Sohn hat mir gar nicht gesagt, wie ich weitermachen soll, wenn er weg ist, oder was er von mir erwartet. Er hat es mir vorgelebt“, schreibt Biden im Nachwort seines Buches. „Er zeigte mir den Wert eines Lebens mit einer Bestimmung, selbst angesichts der schlimmsten Befürchtungen.“ Mit 78 Jahren wird Joe Biden im Januar als US-Präsident vereidigt.

Joe Biden: Versprich es mir. Über Hoffnung am Rande des Abgrunds. C.H. Beck, 250 Seiten, 22 Euro.

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