Bundespressekonferenz: Merkel verteidigt Teil-Lockdown

2.11.2020, 16:09 Uhr
Bundeskanzlerin Merkel verlässt am Montag die Bundespressekonferenz, nachdem sie den neuerlichen Corona-Teil-Lockdown verteidigt hat. 

© Bernd von Jutrczenka, dpa Bundeskanzlerin Merkel verlässt am Montag die Bundespressekonferenz, nachdem sie den neuerlichen Corona-Teil-Lockdown verteidigt hat. 

Die Kanzlerin nahm sich Zeit. Viel Zeit sogar für ihre Verhältnisse, denn normalerweise ist ihr Tag sehr kurz getaktet, oft nur in 30-Minuten-Einheiten. Nun aber beantwortete sie fast eineinhalb Stunden lang als Gast der Bundespressekonferenz Dutzende von Fragen zum Thema Corona.

Das waren häufig sehr ähnlich lautende Fragen, aber Angela Merkel störte sich nicht daran. Sie setzte immer wieder aufs Neue damit an, ihre Position zu erläutern, manchmal verbunden mit einem Seufzer.


Darum lassen sich Corona-Zahlen von Frühling und Herbst nicht vergleichen


Es war zu erwarten gewesen, dass ein Problem im Mittelpunkt der Sprechstunde mit Frau Dr. Merkel stehen würde: Warum hat der Beinahe-Lockdown nun ausgerechnet bestimmte Branchen wie zum Beispiel Kultur, Gastronomie und Sportstudios getroffen? Also durchaus solche Einrichtungen, die sich in den zurückliegenden Monaten sehr viel Mühe gegeben haben, mit möglichst sicheren Hygienekonzepten zu arbeiten.

Die Bundeskanzlerin zeigte viel Verständnis für diejenigen Unternehmer, die viel Geld für solche Zusatzausstattungen wie Plastiktrennwände, Lüftungsanlagen und Heizpilze ausgegeben hätten und nun trotzdem im November schließen müssen. Die deutschen Regierungen in Bund und Ländern seien vor der schwierigen Aufgabe gestanden, die Zahl der Kontakte drastisch zu reduzieren - also drei von vier Kontakten vorerst zu unterbinden.

Kanzlerin: Hätten wir lieber die Unternehmen schließen sollen?

Das hätte man auch ganz anders machen können, sagte Merkel - zum Beispiel mit einer Schließung des produzierenden Gewerbes in Deutschland. Im Endeffekt wäre das vielleicht auf ein ähnliches Ergebnis im Sinne der Kontaktreduzierung hinausgelaufen. Doch es sei eine politische Entscheidung gewesen, das nicht zu tun. Unternehmen, Schulen und Kitas durften offen bleiben. Wer also jetzt den Lockdown der Gastronomie kritisiere, der müsse ganz offen sagen, wo er denn sonst angesetzt hätte...

Ausdrücklich betonte die Regierungschefin noch einmal, dass die betroffenen Unternehmer nicht alleine gelassen würden. Ob Restaurantbesitzer oder Solo-Selbständige im Bereich der Kultur - allen werde der Staat helfen, über den November zu kommen. Das funktioniere sicher auch besser als im Frühjahr, weil damals alles noch neu gewesen sei.

"Die Schutzmaßnahmen waren nicht vergebens"

Die zahlreichen Schutzmaßnahmen in Restaurants und Fitnessstudios seien nicht vergebens gewesen. Es handle sich um "Vorkehrungen, die noch sehr wertvoll sein werden". Damit sprach die Kanzlerin das derzeit vorgesehene Ende des Lockdowns Anfang Dezember an. Diesen Zeitrahmen hat sie noch immer vor Augen, blickt aber auf ihr nächstes Treffen mit den Ministerpräsident(inn)en am 16. November. Dann soll eine erste Zwischenbilanz gezogen werden.


Corona in Bayern: Alle Inzidenz-Werte auf einen Blick


Was der entscheidende Maßstab für ein Ende des Gastro- und Kulturlockdowns werden soll, das verriet die Kanzlerin auch: der sogenannte Inzidenzwert, also die Zahl der Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner innerhalb einer Woche. Sie liegt derzeit in vielen Städten und Kreisen weit über dem Wert 100. Angela Merkel hält einen Wert von unter 50 für erforderlich, um weiter öffnen zu können. Nur dann seien die Gesundheitsämter wieder in der Lage, die Kontaktketten nachzuvollziehen.

Wird es heuer für Familien ein halbwegs normales Weihnachtsfest geben? Angela Merkel geht im Moment noch davon aus: "Wenn wir im November alle vernünftig sind, dann werden wir uns an Weihnachten mehr erlauben können." An größere Silvesterpartys mit vielen Beteiligten sei aber wohl eher nicht zu denken.

"Wir haben es hier mit einer Naturkatstrophe zu tun"

So deutlich wie selten zuvor wehrte sich die Bundeskanzlerin dagegen, eigenmächtig irgendwelche Bereiche mit Verboten und Schließungen überzogen oder diese "aus dem Ärmel geschüttelt" zu haben. Ihr sei keine andere Wahl geblieben, als den Fachleuten zu folgen und sich gemeinsam mit den Ländern für den Lockdown zu entscheiden. Merkel: "Es ist ein Naturereignis - eine Naturkatastrophe, mit der wir umgehen müssen."

Natürlich bekomme sie mit, dass es unter den Bürgern in Sachen Corona-Politik "Zweifel, Skepsis, Ablehnung" gebe. Doch grundsätzlich sei sie "optimistisch" bei der Beantwortung der Frage, ob eine freiheitliche Gesellschaft wie die Bundesrepublik vernünftig mit der Pandemie umgehen könne.

Zum zeitlichen Vorlauf von einigen Tagen für den Lockdown steht Angela Merkel nach wie vor - auch wenn manche am Wochenende das Leben noch einmal genossen hätten. Erstens hätten das längst nicht alle getan, sagte die Kanzlerin, zweitens habe man erst die entsprechenden Verordnungen erlassen müssen und drittens hätten auch die Betroffenen eine gewisse Vorbereitungszeit gebraucht.

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