Corona-Impfung: Ist Herdenimmunität überhaupt erreichbar?

4.2.2021, 16:10 Uhr
Corona-Impfung: Ist Herdenimmunität überhaupt erreichbar?

© Guido Kirchner, dpa

Seit Beginn der Corona-Pandemie wurde das Wort Herdenimmunität unzählige Male in den Mund genommen. Nachdem Großbritannien und Schweden den Gedanken verwerfen mussten, dass sich Immunität durch eine hohe Zahl infizierter und dann geheilter Menschen erreichen ließe, blieb als Hoffnung nur die Impfung.

Wenn genug Menschen gegen das Coronavirus geimpft sind - und sich dadurch nicht mehr anstecken können - soll so die weitere Ausbreitung gestoppt werden. Bislang ging man davon aus, dass dafür eine Impfquote von etwa 70 Prozent ausreicht. Diese Ansicht steht aber nun in Frage.

80 Prozent Impfquote?

Auf eine kleine Anfrage des FDP-Bundestagsabgeordneten Wieland Schinnenburg, die dem Tagesspiegel vorliegt, erklärt das Bundesgesundheitsministerium nun, dass die Impfquote bei bis zu 80 Prozent liegen muss.

Bei rund 83 Millionen Bundesbürgern müssten demnach im besten Fall etwa 58 Millionen und im schlechtesten fast 67 Millionen Menschen geimpft werden.


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Das Problem: Es gibt derzeit keinen Impfstoff für Kinder und Jugendliche. Die Vakzine von Biontech darf erst ab 16, andere erst ab 18 Jahren verabreicht werden. Ergebnisse einer Studie, ob der Biontech-Impfstoff auch für Jugendliche ab 12 geeignet ist, sollen laut der Europäischen Arzneimittelagentur EMA erst ab 2024 vorliegen, berichtete der SWR.

Daher fallen etwa 14 Millionen jüngere Menschen komplett aus der Rechnung. Für Deutschland bedeutet dies, dass eventuell über 90 Prozent aller Erwachsenen geimpft werden müssen, um die Pandemie zu stoppen.

Bislang lag die Impfbereitschaft allerdings in den Umfragen oft niedriger. Der ARD-Deutschlandtrend vom Januar ergab, dass sich nur 54 Prozent der Befragten "sicher" und weitere 21 Prozent "wahrscheinlich" impfen lassen würden.

87 Prozent Impfbefürworter

Etwas mehr Hoffnung macht eine Bevölkerungsstudie der Universität Mainz, über die der Deutschlandfunk berichtete. Unter den 44- bis 88-Jährigen gäbe es demnach 87 Prozent Impfbefürworter.


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Hinzu kommt, dass die Wirkung der neuen Impfstoffe bisher schwer eingeschätzt werden kann. Noch ist nicht bekannt, ob Geimpfte sich tatsächlich nicht mehr infizieren und auch niemand anderen mehr anstecken können, oder nur der Verlauf einer Infektion abgemildert wird.

Und auch wenn am Ende 90 Prozent der Geimpften immun werden, bedeutet das, dass eine Impfquote von 80 Prozent nicht ausreicht, damit am Ende auch 80 Prozent der Bevölkerung immun sind. Wie der Tagesspiegel ausrechnet, müssten dafür 97 Prozent der Erwachsenen geimpft werden.

Gefahr durch Mutationen

Selbst wenn die Impfquote in Deutschland hoch genug steigt, ist die Pandemie erst dann vorbei, wenn auch in anderen Ländern genug Menschen geimpft sind - insbesondere in den Entwicklungs- und Schwellenländern, die derzeit überhaupt keine Vakzine erhalten. Andernfalls bleibt das Risiko, dass sich neue Mutationen bilden, gegen die der bestehende Impfschutz nicht mehr wirkt.


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Es ist somit nicht unmöglich, Herdenimmunität zu erreichen, aber schwierig. Masken, Abstände und Kontaktbeschränkungen werden noch eine Weile nötig sein. Darüber hinaus braucht es aber auch eine hohe Impfbereitschaft in der Bevölkerung und mehr Fairness bei der internationalen Verteilung des Impfstoffes.

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