Coronavirus: Mittlerweile siebter Infizierter in Bayern

1.2.2020, 09:19 Uhr
Coronavirus: Mittlerweile siebter Infizierter in Bayern

© Foto: Ren Chao/XinHua/dpa

Die Aufregung um das Coronavirus ist im deutschen Baumarkt angekommen. "In den BayWa Bau- und Gartenmärkten ist derzeit eine gesteigerte Nachfrage nach Atemmasken bemerkbar", antwortet eine Mitarbeiterin der Baywa-Pressestelle auf eine Anfrage.

Die meisten Atemmasken aus dem Baumarkt helfen gegen eine Vireninfektion ungefähr so viel wie ein Nudelsieb gegen Starkregen. Aber wo die Angst umgeht, bleibt die Besonnenheit schnell auf der Strecke.

Es gibt momentan keinen Medizinexperten, der zum Schutz vor den Coronaviren, die bisher bei sieben Personen in Deutschland festgestellt wurden, das Tragen von Atemmasken empfehlen würde. Wäre das anders, wäre es im Grunde auch ein Unglück. Geeignete Modelle sind nämlich so gut wie nicht mehr zu bekommen.

Kaufauftrag aus der Heimat

"Wir haben keine Masken mehr und versuchen, über alle möglichen Quellen wieder welche zu bekommen", sagt Conny Leier von der Apotheke am Sterntor in der Nürnberger Innenstadt. Ausgelöst hat den Engpass allerdings nicht die deutsche Stammkundschaft.

Seit Tagen, erzählt die Apothekerin, klappern Asiaten, die derzeit vor allem wegen der Spielwarenmesse in der Stadt sind, systematisch sämtliche Apotheken ab und kaufen die letzten Restbestände an Masken auf. Sie kommen damit einem Hilferuf von Verwandten und Bekannten in der Heimat nach, die in Telefonaten darüber klagen, dass es bei ihnen zu Hause keine Masken mehr zu kaufen gebe.

Das Ganze erinnert an die Auswirkungen des sogenannten "Milchpulverkriegs", der vor rund zehn Jahren von China hierher übergriff. Nachdem damals in dem asiatischen Großreich mit Chemikalien verunreinigtes Baby-Milchpulver aufgespürt worden war, das sechs Kindern das Leben und 300.000 Babys die Gesundheit gekostet hatte, kauften Chinesen auf Reisen nach Deutschland große Mengen an Milchpulver auf und brachten die Hersteller kurzzeitig an die Kapazitätsgrenzen.

Verschwörungstheorien im Netz

Das jetzige Horten von Atemmasken macht noch deutlich weniger Sinn als die damaligen Hamsterkäufe. Nicht nur weil nach Auskunft vieler Mediziner jeder Grippeerreger gefährlicher ist als das Coronavirus. Einfacher Mundschutz, das bestätigt auch die Apothekerin Conny Leier, kann grundsätzlich keine Viren stoppen.

Unpassierbar für die Krankheitserreger sind lediglich dicke Atemmasken mit Filter. Rund acht Euro pro Stück kosten solche Exemplare laut Leier – wenn es welche gibt.

Im Internet sind längst Geschäftemacher unterwegs, die Restbestände solcher Masken mit einem ordentlichen Aufpreis anbieten. Viel schlimmer sind freilich die vielen fantasievollen Verschwörungstheoretiker, die vom heimischen Wohnzimmer aus apokalyptische Theorien in die Welt schicken, welchen geheimen chinesischen Laboren die Viren entstammen und wer sie in grausamer Absicht freigesetzt hat. So etwas findet stets dankbare Abnehmer und Weiterverbreiter im Netz.

Es ist ein schmaler Grat, der die Vorsicht von der Hysterie trennt. Was auch eine große Herausforderung für die Medien darstellt. Die Ausbreitung des Coronavirus ist einerseits eine ernste Nachricht. Abgesagte Flüge, isolierte chinesische Städte, gestoppte Produktionen und vorübergehend eingestellte Handelsbeziehungen können ökonomisch nachhaltige Folgen haben.

 

Und wenn die WHO den Gesundheitsnotstand ausruft, um weltweit Maßnahmen zur Eindämmung der Infektion einzuleiten, spricht das dafür, dass das Thema Coronavirus durchaus ernstzunehmen ist.

Hunderte Anrufe täglich

Gleichzeitig erzeugt allein die Wucht der medialen Präsenz des Themas – von der Tagesschau-Spitzenmeldung über Zeitungsaufmacher bis zum Online-Liveticker – bei manchen Menschen unangemessene Ängste. Seit Tagen beantworten Gesundheitsämter und die Mitarbeiter des Landesamts für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit in Erlangen per Hotline (09131/6808-5101) täglich Hunderte von Anfragen, auch wenn die Ratschläge zum Schutz vor einer Infektion kaum über den Tipp zum häufigen Händewaschen hinausgehen können.

Und die Dame am Telefon der Firma Webasto, bei der sich bisher sechs Mitarbeiter infiziert haben, entschuldigt einen kurzen Husterer vorsorglich mit dem Hinweis: "Verzeihung, ich bin Raucherin."

Nach den USA, Frankreich und Japan holt auch Deutschland Bürger aus der von der neuen Lungenkrankheit schwer betroffenen Stadt Wuhan. Am Freitagmittag startete eine Maschine der Luftwaffe vom Flughafen Köln-Wahn Richtung China. Die etwa 130 Rückkehrer sollen am Samstagmittag in Frankfurt landen und für etwa 14 Tage in die Südpfalz-Kaserne bei Germersheim in Quarantäne gebracht werden.

Derweil hat sich in Bayern das Kind eines infizierten Mannes aus dem Landkreis Traunstein mit dem Coronavirus angesteckt, wie das bayerische Gesundheitsministerium in München mitteilte.

20 Länder betroffen

Angespannt ist die Situation am Webasto-Standort in Stockdorf, wo am Dienstag der erste Fall der Lungenkrankheit bei einem Mitarbeiter festgestellt wurde. "Uns erreichen vermehrt Meldungen von Mitarbeitern, die nicht zur Risikogruppe gehören, dass sie und ihre Familien von Institutionen, Firmen oder Geschäften abgewiesen werden, wenn bekannt wird, dass sie bei Webasto arbeiten", sagte der Vorstandsvorsitzende Holger Engelmann.

In Deutschland, wo sich erstmals ein Kind angesteckt hat, stieg die Zahl auf sieben. Der Vater ist ein infizierter Mann aus dem Landkreis Traunstein. Wie das bayerische Gesundheitsministerium mitteilte, wurde zudem bei einem Mann aus dem Landkreis Fürstenfeldbruck die Lungenkrankheit bestätigt. Er arbeitet wie die ersten fünf Infizierten beim Autozulieferer Webasto. Dort war vergangene Woche eine infizierte Kollegin aus China zu Gast, die ihre Erkrankung erst auf dem Rückflug bemerkt hatte. Außerhalb der Volksrepublik sind in zwei Dutzend Ländern rund 150 Infektionen gezählt. 

 

Die Epidemie mit dem neuartigen Coronavirus in China erlebte am Samstag den bisher höchsten Anstieg der Infektionen und Todesfälle innerhalb eines Tages. Die Gesundheitskommission in Peking meldete am Samstag eine Zuwachs um fast 2000 auf 11.791 Erkrankte. Die Zahl der Todesfälle kletterte laut dpa um 46 auf 259. Das Virus wurde bisher in mehr als 20 Ländern nachgewiesen, Russland und Großbritannien meldeten je zwei Fälle. In Afrika gab es hingegen bisher keinen einzigen bestätigten Fall.

Bundesforschungsministerin Anja Karliczek (CDU) hat zur Besonnenheit aufgerufen. International werde an verschiedenen Stellen an der Entwicklung eines Impfstoffs gearbeitet. Es dauere mindestens ein Jahr bis klar ist, ob ein Mittel wirkt und sicher ist, schätzte Stephan Becker, Direktor des Instituts für Virologie an der Philipps Universität Marburg und Koordinator des Forschungsbereichs Neu auftretende Infektionskrankheiten am DZIF. Die EU-Kommission stellte inzwischen zehn Millionen Euro für die Erforschung des neuen Coronavirus bereit.dpa

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