Debakel für die CDU, profilierte Köpfe gefragt: Was die Wahlergebnisse zeigen

14.3.2021, 18:16 Uhr
Strahlender Sieger: Winfried Kretschmann, hier mit seiner Frau Gerline bei der Stimmabgabe, kann in Baden-Württemberg weiterregieren.

© Marijan Murat, dpa Strahlender Sieger: Winfried Kretschmann, hier mit seiner Frau Gerline bei der Stimmabgabe, kann in Baden-Württemberg weiterregieren.

Das ist noch deutlicher als erwartet: Die favorisierten, populären Regierungsspitzen in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz siegen sehr klar und ziehen ihre Parteien nach oben. Die CDU dagegen bricht noch stärker ein auf historische Tiefststände in beiden Ländern - ein Desaster auch für den neuen CDU-Chef Armin Laschet.

In Mainz kann Malu Dreyer ebenso weiterregieren wie Winfried Kretschmann in Stuttgart, womöglich haben sie beide sogar die Qual der Wahl zwischen verschiedenen Koalitions-Varianten. Wenn dabei auch in Baden-Württemberg eine Ampel aus Grünen, SPD und FDP anstelle der bisherigen schwarz-grünen Partnerschaft entstünde - dann wäre das Debakel für die CDU komplett.

Zunächst zu den Siegern: Erneut zeigt sich, dass die Wählerinnen und Wähler auf starke Köpfe setzen. Die Strahlkraft von Malu Dreyer als gütige Landesmutter und Winfried Kretschmann als altersweiser Regent färbte ab auf ihre Parteien. Bei der SPD sogar extrem - weit über 30 Prozent erreichte sie dank Dreyer in Rheinland-Pfalz, im benachbarten Baden-Württemberg schrumpfte sie erneut und dümpelt nun in etwa auf Bayern-Niveau herum, ungefähr gleich groß wie FDP und AfD. Kretschmann baute den Platz eins seiner Grünen im Südwesten noch aus, die ein Stück weiter nördlich unter zehn Prozent holten.

Nöte der CDU erhöhen sich mit Blick auf Bundestagswahl

Das belegt erneut die These, dass Persönlichkeiten ziehen und Amtsinhaber gewaltig von ihrem Bonus profitieren. Damit aber erhöhen sich die Nöte der CDU gerade mit Blick auf die Bundestagswahl. Denn da gibt es keine Amtsinhaberin mehr: Angela Merkel räumt das Kanzleramt, und das Rennen um die Nachfolge wird höchst spannend.

Armin Laschet jedenfalls geht gewaltig angeschlagen aus seiner ersten Bewährungsprobe hervor. Dafür kann er nur zum Teil etwas: Die Masken-Affäre um Bundestagsabgeordnete, die sich schamlos in der Corona-Krise bereicherten, trifft CDU und CSU gleichermaßen. Dass die CDU bei beiden Wahlen deutlich unter die 30er-Marke rutschte, dafür kann sie sich bei den MdB's Nikolas Löbel (CDU) und Georg Nüßlein (CSU) bedanken.

Dabei kam die hohe Zahl der Briefwählenden der CDU wohl eher zupass: Wer vor ein paar Wochen sein Kreuzchen machte, der hatte diesen Skandal noch gar nicht auf dem Schirm. Da ist der aktuelle Marktwert der Partei vermutlich noch etwas niedriger. Zu schaffen macht ihr auch, dass die Stimmung in Sachen Corona-Kurs kippt: Die jüngsten Beschlüsse der Runde aus Ministerpräsidenten und Kanzlerin konnten in ihrer Ratlosigkeit nicht überzeugen. Die Zweifel an den Protagonisten wachsen - und das sind vor allem CDU-Köpfe wie Angela Merkel, Jens Spahn, Peter Altmaier oder Helge Braun.

Automatismus bedroht?

Laschet selbst muss sich ankreiden lassen, dass er in den ersten Wochen seiner Amtszeit als CDU-Chef wenig bis nichts tat, um das Profil der Union zu schärfen. Außer seiner starken Rede beim Wahlparteitag selbst kam da nichts mehr.

Umso sichtbarer wird nun, was vorher durch das monatelange Ringen um den Vorsitz und auch durch die Corona-Krise kaschiert wurde: die innere Leere dieser Partei ohne Kompass. Das war so lange nicht bedrohlich für die Union, wie Mehrheiten nicht in Gefahr waren. Da die CDU und erst recht die CSU sich aber als quasi garantiert gesetzte Regierungsparteien sehen, wird es dann ernst, wenn dieser vermeintliche Automatismus bedroht ist.

Droht der Union womöglich, was die SPD noch nicht ganz hinter sich hat? Also der anhaltende Abstieg von der Noch-Volkspartei zu einer von vielen Angeboten im Polit-Sortiment? Der Blick auf andere Staaten zeigt, was alles möglich ist.

Spannung im Rennen um Union-Kanzlerkandidatur erhöht

Dieser Wahlsonntag erhöht jedenfalls die Spannung im Rennen um die Kanzlerkandidatur der Union. Markus Söder kann vor September keine Wahl verlieren, Armin Laschet noch mehrere. Klar, dass Niederlagen der CDU seine Chancen nicht steigern. Und die bohrenden Fragen aus einer Partei, in der er viele Gegner hat - den Flügel um Merz voran - , kommen nun erst. Punktsieg also für Söder.

Und nicht auszuschließen, dass die Grünen mit neuem Rückenwind im Bund wieder näher heranrücken an die CDU. Auch sie müssen noch klären, ob Robert Habeck oder Annalena Baerbock ins Rennen ums Kanzleramt zieht, das für die Partei gar nicht mehr so aussichtslos erscheint.

Olaf Scholz, der einzige schon feststehende Bewerber für die Merkel-Nachfolge, kann vielleicht ein bisschen schlumpfig grinsen - wegen des Resultats aus Mainz. Doch er ist in seiner SPD keineswegs so unangefochten wie dort Malu Dreyer. Und das Stuttgarter Ergebnis macht deutlich, wie fern Kanzler-Ambitionen für die Sozialdemokraten aktuell sind, die ja selbst in Rheinland-Pfalz weniger Prozente sammelten als vor fünf Jahren.

FDP geht deutlich stabilisiert aus Wahlen hervor

Die FDP geht deutlich stabilisiert aus den Wahlen hervor. Möglich, dass sie nun ernsthafter über Ampel-Koalitionen mit Grünen und SPD nachdenken muss. Auch für den Bund erscheint so ein Bündnis nicht mehr ausgeschlossen. Eine ernsthaft zu diskutierende Alternative für Deutschland.

Das gilt für die Partei diesen Namens nicht. Der Corona-Unmut dürfte die AfD bei ihren rund zehn Prozent gehalten haben. Insgesamt ist sie geschwächt. Und sorgt selbst durch ihre Richtungskämpfe dafür, dass dieser Abwärtstrend anhält.

Für die Bundestagswahl gilt aktuell: So offen war deren Ergebnis selten. Sehr vieles scheint möglich. Höchste Zeit für inhaltliche Debatten über den Kurs dieses Landes für die Zeit nach Corona.

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