Doppelspitze für die Bayern-SPD: Ohne Kampf durch die Kampfkandidatur

25.4.2021, 14:34 Uhr
Florian von Brunn und Ronja Endres bilden die neue Doppelspitze der bayerischen SPD.

© www.AlexanderPohl.photography / via www.imago-images.de Florian von Brunn und Ronja Endres bilden die neue Doppelspitze der bayerischen SPD.

Es ist eigentlich kein Job, nachdem man sich drängt: Wer die bayerische SPD führen will, übernimmt eine marode Partei. Die Wahlergebnisse liegen im einstelligen Bereich; der Mitgliederschwund nimmt dramatische Formen an; die Kassen sind leer, auch, weil Mandatsträger nicht mehr bezahlen, was vereinbart ist.


Bayerns SPD gibt mit neuer Führung neue Richtung vor


Und trotzdem hat sich Florian von Brunn bereits zum zweiten Mal um diesen Posten beworben. Und weil der virtuelle SPD-Parteitag einen etwas kuriosen Verlauf nimmt, schafft er es diesmal trotz Gegenkandidat – und trotzdem ohne Kampfabstimmung. Denn Uli Grötsch hatte seine Kandidatur davon abhängig gemacht, ob die Partei weiter an einem Vorsitzenden festhält. Oder ob sie das Modell Doppelspitze wählt, für das von Brunn steht, mit der Wahl-Regensburgerin Ronja Endres an seiner Seite.

Zweimal stimmen die Delegierten darüber ab. Am Ende setzen sich die Anhänger einer Doppelspitze durch, wenn auch denkbar knapp mit vier Stimmen Vorsprung. Und so zieht Uli Grötsch zurück, den die SPD eben erst zu ihrem Spitzenkandidaten für die Bundestagswahl gekürt hat, nicht eben ideale Startvoraussetzungen. Endres und von Brunn erhalten jeweils um die zwei Drittel der Stimmen, sie etwas mehr, von Brunn etwas weniger. Das beste Ergebnis aber fährt Arif Tasdelen ein, der als ihr Generalsekretär auf Uli Grötsch folgt.

Vater gestorben

Tasdelen ist an diesem Tag nur virtuell anwesend. Sein Vater ist gestorben, er wegen der Trauerfeier verhindert. Doch wie die beiden neuen Spitzenleute zählt Tasdelen zu den Reformern in der SPD. Im Landtag arbeitet der Nürnberger Abgeordnete für seine Partei als jugendpolitischer Sprecher. In seiner Bewerbungsrede widmet er sich auch dem Kampf gegen rechts.

Endres und von Brunn haben ihn unter anderem wegen seiner Kontakte zu den jungen Menschen ausgewählt. Denn Bayerns SPD erlebt einen dramatischen Mitgliederschwund, der sich immer weiter beschleunigt. 1990 zählte die SPD noch 120 000 Mitglieder allein in Bayern. Heute sind es nur mehr knapp 54 000. Weil die SPD weit mehr über 80-Jährige in ihren Reihen zählt als unter 35-Jährige, ist der Trend vorgegeben. Allein in den vergangenen beiden Jahren hat die SPD mehr als zehn Prozent ihrer Parteigänger verloren.

Reihenweise Niederlagen

Das schlägt sich auch in den Wahlergebnissen nieder. Bei der Landtagswahl 2018 stürzte die SPD mit 9,7 Prozent in den einstelligen Bereich. Dort verharrt sie seitdem in allen Umfragen, zuletzt sahen die Meinungsforscher in Bayern bei sieben Prozent. Dass bei der Kommunalwahl dann auch noch das Nürnberger Rathaus an die CSU verloren ging, passt ins Bild.


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Obwohl die Vorstandswahl damit auch zu einer Richtungsentscheidung wird, bleibt eine Diskussion darüber aus, auch, weil die Wahl mit dem Rückzug von Grötsch diese Komponente verloren hat. Uli Grötsch stand für die alte SPD, für das traditionelle Bild. Er hatte in seiner Bewerbungsrede deutlich darauf abgehoben, dass er von unten kommt, aus harten, weil ärmlichen Verhältnissen. Vor allem aber hat er an der Seite von Natascha Kohnen die Wahlkämpfe der vergangenen Jahre mit verantwortet – und mit verloren.

Endres und von Brunn stehen dafür nicht. Der 52-Jährige Münchner greift das Establishment der SPD seit Langem scharf an. Er will die SPD reformieren, nicht nur nach innen. Als Umweltpolitiker setzt er auf Klimaschutz und einen sozial verträglichen Umbau der Industrie. Von Brunn hat Philosophie und Geschichte studiert, in München und in Oxford. Er verkörpert den intellektuellen Stadtmenschen. In der Partei gilt er als unbequem, weil er sich ständig mit den Etablierten anlegt.

Kein Gegenentwurf

Ronja Endres ist zwar nicht wirklich der Gegenentwurf; doch die 34-Jährige setzt ihre Akzente gezielt anders. In Starnberg geboren, ist sie in Penzberg aufgewachsen, hat sich dort zur Chemielaborantin ausbilden lassen und früh in die Gewerkschaftsarbeit gefunden. Ihr Studium Internationale Beziehungen führte sie über mehrere Auslandsaufenthalte nach Regensburg. Endres ist so etwas wie der linke Arm im Führungsduo, die Kontaktstelle zu den Gewerkschaften, einst natürliche Verbündete der SPD und seit Jahren entfremdet.

Für beide geht es um alles. „Wir müssen uns fragen“, sagt von Brunn, „ob wir die fünfte Kraft im Landtag bleiben wollen oder den Neubeginn wagen.“ Sie habe es „satt, ständig vom Niedergang der SPD zu lesen“, sagt Endres, die ihre SPD wieder „zur Arbeiterpartei machen will“. Es sei doch bezeichnend, „dass in den letzten zwei Jahren nicht ein Gewerkschaftsvorstand im SPD-Landesvorstand war. Und nicht ein SPD-Landesvorstand bei einer Gewerkschaft.“ Jetzt können beide beweisen, dass sie den Neubeginn schaffen.

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