Kommentar: Bayerns SPD sinkt allmählich in die Bedeutungslosigkeit

25.4.2021, 11:54 Uhr
Ob die neue SPD-Spitze in Bayern die Partei retten kann, ist ungewiss, kommentiert Roland Englisch.

© Daniel Karmann, dpa Ob die neue SPD-Spitze in Bayern die Partei retten kann, ist ungewiss, kommentiert Roland Englisch.

Nun soll es ein Duo richten bei der bayerischen SPD. Mit Florian von Brunn und Ronja Endres haben sich zwei durchgesetzt, die ihre Partei neu ausrichten wollen: Zurück zum klassischen Klientel der Gewerkschaften und Arbeiter und hin zu den ökologisch Bewegten, den grün-rot Angehauchten.

Ob die SPD dort wird punkten können, ist ungewiss. Die Grünen sind eine etablierte Größe, auch in Bayern. Gewerkschaften haben sich neu orientiert, das klassische SPD-Publikum hat seine politische Heimat bei anderen Parteien gefunden, der Union, der Linken. Doch das ist das geringere Problem, nicht nur für die SPD.

Wie sehr die Bindung der Parteien nachlässt, vom Grünen-Boom einmal abgesehen, zeigt ein Blick auf die Zahlen. Alle leiden unter Mitgliederschwund; bei der SPD allerdings besitzt er dramatische Züge. Bayerns Sozis haben binnen drei Jahrzehnten weit mehr als die Hälfte ihre Parteifreunde verloren. Von einst gut 120.000 sind aktuell noch 54.000 geblieben. Ein Ende ist nicht in Sicht, weil die Partei überaltert ist.

Fataler Wandel

Ursächlich ist auch ein grundsätzlicher Wandel der Gesellschaft. Es ist nicht mehr schick, Mitglied einer Partei zu sein, insbesondere nicht einer der Volksparteien. Für die Jüngeren haben Parteien einen miefigen Beigeschmack. Sie können mit ihren Hierarchien wenig anfangen, finden den Meinungsfindungsprozess mühsam, das Ergebnis oft beliebig, weil es vielen gefallen muss. Die Parteien erreichen sie nicht mehr mit ihren Botschaften.

Markus Söder hat das im Machtkampf mit Armin Laschet auf seine Weise genutzt, als er die Gremien der Union umgehen wollte. Söder setzte auf die Basis, die sich schwer fassen lässt, und die er dennoch für seine Zwecke instrumentalisieren wollte. Der Nürnberger folgt den Umfragen, er orientiert sich an den Themen, von denen er glaubt, sie seien aktuell mehrheitsfähig. Das hat er 2018 getan bei der Flüchtlingswelle. Das hat er 2020 wiederholt beim Bienen-Volksbegehren.

Es ist eine Reaktion auf den allgemeinen Trend, der weg geht vom Blick auf das große Ganze und sich stattdessen auf die so genannten Partikularinteressen fokussiert. Die Menschen engagieren sich zunehmend für das, was ihnen selbst nutzt oder was sie gerade bewegt. Die Vielzahl an Bürgerinitiativen mit ihrem teils enormen Zuspruch belegt das ebenso wie die Leidenschaft für Bürgerbegehren.

Beides drückt ein tief in der Gesellschaft verwurzeltes Misstrauen aus gegen den Staat und gegen die ihn als parlamentarischer Demokratie tragenden Parteien. Söders Taktik ist deshalb nicht falsch, wenn er Strömungen aufgreift. Die beiden neuen an der SPD-Spitze haben das ebenfalls erkannt und ziehen nach. Ob sie damit allerdings die SPD retten können, steht auf einem anderen Blatt. Denn das alte Publikum wird ihnen das kaum verzeihen, das neue aber hat seine Heimat längst woanders gefunden.

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