Einheitliche Regeln: Ministerpräsidenten sollen entmachtet werden

9.4.2021, 16:26 Uhr

Immerhin, ihre eigene Ankündigung hat Angela Merkel gerade noch eingehalten. "Ich werde nicht tatenlos noch 14 Tage zuschauen", hatte sie mit Blick auf die Uneinigkeit der Bundesländer in der Corona-Politik gesagt. Das war am Abend des 28. März in der Talkshow von Anne Will gewesen. Zwölf Tage später kündigte stellvertretende Regierungssprecherin Ulrike Demmer an, dass es nun so weit sei. Der Bundestag werde kommende Woche über eine in der ganzen Republik verbindliche "Notbremse" diskutieren und das Infektionsschutzgesetz entsprechend ändern.


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Allzu überraschend war dieser Schwenk nicht mehr. Und das lag nicht nur an der ungewöhnlich deutlichen Worten der Kanzlerin, die geradezu nach Taten riefen. Auch diverse Ministerpräsidenten waren zu der Überzeugung gekommen, dass es so wie bisher nicht weitergehen kann. Armin Laschet aus Nordrhein-Westfalen etwa sagte "Leider haben die vergangenen Tage und Wochen gezeigt, dass zu wesentlichen Fragen keine Einigkeit unter den Ländern besteht". Deswegen brauche der Bund mehr Kompetenzen, auch wenn natürlich die Länder nach wie vor für den Vollzug der Gesetze verantwortlich seien.


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Eines wollten Angela Merkel sowie die meisten anderen 16 Regierungschefinnen und -chefs auf jeden Fall vermeiden: dass man wie ursprünglich vereinbart am 12. April (Montag) zusammenkommt, viele Stunden tagt und wieder ohne ein überzeugendes Ergebnis vor die Öffentlichkeit treten muss. Oder noch schlimmer: dass etwas Unausgegorenes wie die spontan beschlossenen "Osterruhetage" herauskommt, die man später wieder einkassieren muss.

"Es kann schnell gehen, wenn alle wollen"

Die Ministerpräsidentenkonferenz (MPK) am Montag stand also schon erheblich auf der Kippe. Auch deswegen, weil die entscheidenden Zahlen des Robert Koch-Instituts für die Osterzeit erst in den Tagen danach erwartet werden. Das Mindeste war also eine Verschiebung der MPK nach hinten gewesen. Nun wurde sie ersatzlos gestrichen und wird in der kommenden Woche überhaupt nicht mehr stattfinden.

Stattdessen ergreifen Bundesregierung und Bundestag die Initiative. Das war zuletzt von immer mehr politischen Akteuren gefordert worden. Unter anderem von Parlamentspräsident Wolfgang Schäuble. Der dienstälteste deutsche Abgeordnete wies darauf hin, es könne "schnell gehen, wenn die Beteiligten alle wollen". Binnen zwei Sitzungswochen, zur Not auch in einer, sei der Bundestag in der Lage, das Infektionsschutzgesetz zu ändern. Je nach Vorgehensweise sei dazu nicht einmal die Zustimmung des Bundesrates nötig.


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Auch unter den Abgeordneten hatte es in den zurückliegenden Wochen gegrummelt. Sie wollten, dass sich das Parlament in dieser Frage emanzipiert. Drei MdB der Unionsfraktion hatten mit Unterstützung von mehr als 50 Kolleg(inn)en gefordert, der Bund müsse eine wichtigere Rolle einnehmen. Norbert Röttgen (CDU) sagte es am deutlichsten: "Die Ministerpräsidentenkonferenz ist dysfunktional geworden." Deswegen gehe es nun darum, dass Berlin die Regeln der Pandemiebekämpfung republikweit verpflichtend mache.

Einheitliche Regeln ab Inzidenzwert 100

Die Pläne sehen nun so aus: Ab einem Inzidenzwert von 100 soll es nicht mehr im Ermessen der Länder stehen, welche Maßnahmen ergriffen werden. Nach einer entsprechenden Änderung des Infektionsschutzgesetzes müssen Schließungen von Geschäften und Gastronomie, Kontaktbeschränkungen und andere Vorschriften verbindlich von Kiel bis Rosenheim und von Dresden bis Saarbrücken gelten. Das alles geschehe in "engstem Einvernehmen mit den Ländern und den Koalitionsfraktionen", sagte die Regierungssprecherin.

Ist damit die MPK komplett entmachtet? Das bestreiten die Akteure. Das "Konzept Ministerpräsidentenkonferenz" sei keinesfalls passé, so Ulrike Demmer. Man habe sich lediglich darauf geeinigt, dass "für diese Phase der Pandemie" ein anderes Vorgehen sinnvoller sei. Tatsächlich werden sich die Länder weiterhin untereinander verständigen müssen - alleine schon deswegen, weil sie die Vorgaben umsetzen müssen, also in allen Fragen der praktischen Organisation des Lockdowns gefragt sind.

In den nächsten Tagen werden sich das Kabinett Merkel und die Regierungsfraktionen mit den Details der Neuregelung befassen müssen. Hier ist juristische Feinarbeit gefragt, denn es soll ja nicht wieder so peinlich enden wie bei der "Osterruhe". Die Ministerrunde tritt kommende Woche ausnahmsweise schon am Dienstag statt wie üblich am Mittwoch zusammen, damit anschließend dem Bundestag der erste Entwurf präsentiert werden kann.

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