Elektronische Patientenakte: Viel Kritik am Datenschutz

14.4.2021, 10:00 Uhr
In der elektronischen Patientenakte sollen alle Daten, Aufnahmen und Informationen rund um den Patienten gespeichert werden. 

© Marijan Murat, dpa In der elektronischen Patientenakte sollen alle Daten, Aufnahmen und Informationen rund um den Patienten gespeichert werden. 

Mitten in der Pandemie ist die Einführung der elektronischen Patientenakte (ePa) fast untergegangen. Dabei ist sie eines der Prestigeprojekte von Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU), soll damit doch die längst überfällige Digitalisierung im Gesundheitssystem deutlich vorangetrieben werden - doch es gibt auch Bedenken.


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Seit Anfang des Jahres können sich Patienten, die die ePa nutzen wollen, bei ihrer Krankenkasse registrieren. Noch ist die Nutzerzahl allerdings überschaubar. So haben sich bei der AOK bislang rund 5000 Nutzer registriert. Die bundesweit größte Krankenkasse, die Techniker Krankenkasse, spricht von 100.000 Registrierten, rund einem Prozent ihrer Kunden. Um die ePa verwenden zu können, müssen sich Nutzer eine App aufs Smartphone oder Tablet laden, die von ihrer jeweiligen Krankenkasse bereit gestellt wird. Die Apps sehen damit nicht alle gleich aus, haben aber bestimmte Mindestfunktionalitäten, die durch die Kassen ergänzt werden können.

Patient kann Berechtigungen selbst verwalten

Mit Beginn des Jahres ist damit ein Projekt Wirklichkeit geworden, dessen Anfänge bis ins Jahr 2003 zurückreichen: eine Zusammenstellung der Gesundheitsdaten. Eine elektronische Patientenakte könne Leben retten und Milliardensummen sparen, so versprach es die damalige Gesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD), als sie das Projekt auf den Weg brachte.

Tatsächlich sind die Vorteile der elektronischen Patientenakte nicht von der Hand zu weisen. In ihr soll zusammengetragen werden, was zuvor in den Karteien der verschiedenen Ärzte versteckt blieb. Welche Medikamente nimmt der Patienten? Welche Vorerkrankungen oder Allergien hat er? Wie waren die letzten Blutwerte? Mit einem Blick in die ePa können Ärzte all diese Informationen zu ihrem Patienten vor der Behandlung erhalten - wenn es der Nutzer denn zulässt.

Grundsätzlich ist es nämlich der Patient, der entscheidet, welcher Arzt welche seiner Befunde sehen kann. Dafür meldet man sich einfach in der App an und erteilt entsprechende Berechtigungen. Doch es gibt einen Haken: Aktuell können Versicherte ihre Daten entweder allen Ärzten zugänglich machen - oder keinem. Erst im kommenden Jahr sollen auch individuelle Berechtigungen möglich sein.


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Das rief auch den Datenschutzbeauftragten der Bundesregierung, Ulrich Kelber, auf den Plan. "Der Bundesbeauftragte für Datenschutz und Informationssicherheit hat öffentlich mehrfach darauf hingewiesen, dass ein dokumentengenaues Berechtigungsmanagement die Voraussetzung für einen europarechtskonformen Betrieb der elektronischen Patientenakte ist und dies deshalb von Beginn an möglich sein muss", teilt ein Sprecher der Behörde auf Anfrage mit. Sogar kurz vor dem Start der elektronischen Patientenakte hatte Kelber noch erklärt: "Ich komme zu dem Ergebnis, dass dieser Vorgang tatsächlich ein Verstoß gegen die Datenschutz-Grundverordnung ist." Kelber ermahnte deshalb die Krankenkassen, dafür zu sorgen, dass bei der Einführung der ePa nicht gegen europäische Regeln zum Datenschutz verstoßen wird. Derzeit überprüft die Behörde, ob das auch umgesetzt wird.

Klage bei Gericht abgelehnt

Doch es gibt weitere Bedenken: So wurde beim Verfassungsgericht eine Beschwerde wegen der mit der ePa verbundenen Datenverarbeitung, eingereicht. Unter bestimmten Voraussetzungen müssen die Daten dafür nicht pseudonymisiert werden. Für den Kläger ein Verstoß gegen die informationelle Selbstbestimmung. Das Gericht lehnte die Beschwerde allerdings ab. Die Begründung: Die Patientenakte sei freiwillig.

Fertig ist die digitale Akte übrigens noch längst nicht, sondern vielmehr ein fortlaufendes Projekt: Aktuell muss beispielsweise der Patienten Gesundheitsdaten noch selbst eintragen. Erst im Juli werden dann auch Ärzte an die sogenannte Telematik-Infrastruktur - ein mit hohen Sicherheitsstandards ausgestattetes Datennetz - angeschlossen. Das brauchen sie, um die Akte bestücken und untereinander Daten ihrer Patienten austauschen zu können. Ab 2022 sollen in der Akte zudem auch der Mutterpass, das Kontrollheft für Kinder-Früherkennungsuntersuchungen und der Impfpass hinterlegt werden können.

Bei der Techniker Krankenkasse ist man vom Nutzen überzeugt: "Wenn sie es wollen, können unsere Kunden dann auch Erinnerungen für Impfungen oder die nächste Krebsvorsorge bekommen. Die Akte wird immer intelligenter werden und den Patienten unterstützen", wirbt Klaus Rupp, Leiter des Versorgungsmanagements bei der TK. "Das Ganze wird unser Gesundheitssystem effektiver machen, weil beispielsweise Gespräche über mögliche Vorerkrankungen verkürzt werden. Das entlastet das Personal und reduziert Wartezeiten für die Patienten."

Doch was ist mit der älteren Generation, die sich mit Technik schwerer tun? TK und AOK wollen hier laut eigener Aussage mit Telefonhotline und Schulung helfen. ​​​Ab Juli soll es laut Bundesgesundheitsministerium zudem möglich sein, dass Versicherten ihre ePa mit einer Pin, die ihnen von ihrer Krankenkasse zugestellt wird, direkt in der Arztpraxis nutzen können - also ganz ohne App. Dann ist es allerdings schwieriger die Zugriffsberechtigungen individuell zu verwalten.

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