Was bekannt ist

Erster Deltakron-Fall bestätigt: Was das für Deutschland heißt

16.3.2022, 13:59 Uhr
Erstmals ist in Deutschland ein Fall der neuen Corona-Variante Deltakron nachgewiesen worden.

© Oliver Berg/dpa/Symbolbild Erstmals ist in Deutschland ein Fall der neuen Corona-Variante Deltakron nachgewiesen worden.

Es klingt es nach einer unguten Kombination, zumindest auf den ersten Blick: Deltakron, eine sogenannte Hybridvariante aus Delta und Omikron, wurde in Deutschland nachgewiesen. Was wir bislang wissen - und was noch unklar ist.

Was ist eine Hybrid- oder Rekombinationsvariante?

Wer sich mit Corona infiziert, trägt normalerweise eine einzige Variante des Virus in sich. In Deutschland zum Bespiel war im vergangenen Herbst die Wahrscheinlichkeit groß, dass es Delta war. Seit einigen Wochen ist Omikron vorherrschend.

Möglich ist aber auch, dass sich ein Mensch mit zwei Corona-Mutationen gleichzeitig infiziert. Dann können sogenannte Rekombinations- oder Hybridvarianten wie Deltakron entstehen, erklärt der Allgemeinmediziner Christoph Specht gegenüber dem Fernsehsender RTL: "Die Virusanteile haben sich in einer doppelt infizierten Person, also einmal mit Delta und einmal mit Omikron, ausgetauscht. Sowas gibt es, das ist an sich nicht besonders." Alternativ können Mutationen laut ihm auch durch sogenannte Kopierfehler bei der Vermehrung entstehen. Im Vergleich zu Rekombinationen sei dies weitaus häufiger der Fall.

Moment, gab es Deltakron nicht schon einmal, dann aber doch nicht?

Richtig. Bereits im Januar wurde eine vermeintliche Misch-Variante aus Delta und Omikron aus Zypern gemeldet. Es kursierten Berichte mit Verweis auf den örtlichen Sender Sigma TV, denen zufolge Leontios Kostrikis von der Universität Zypern 25 entsprechende Fälle identifiziert hatte.

Doch Experten zufolge war dies wohl auf Verunreinigungen während der Analyse zurückzuführen. "Diese Genome sind mit hoher Wahrscheinlichkeit Artefakte", erläuterte Richard Neher von der Universität Basel, führender Experte für Virusvarianten, damals der Deutschen Presse-Agentur.

Ähnlich äußerten sich weitere Experten bei Twitter, etwa die WHO-Expertin Maria van Kerkhove: Das Ergebnis gehe wahrscheinlich auf Verunreinigungen beim Sequenzieren zurück. Auch ein Mitglied des griechischen Krisenstabes für die Corona-Pandemie, Gikas Magiorkinis, erklärte, dass Kostrikis' Schlüsse falsch seien. "Erste Analysen zeigen, dass es sich um einen technischen Fehler des Labors handelt", twitterte der Epidemiologe.

Jetzt aber wirklich?

Ja. Laut dem Standard ist Deltakron von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) mittlerweile offiziell bestätigt worden. Zudem habe das Institut Pasteur in Paris der internationalen Covid-Datenbank Gisaid eine Genomsequenz übermittelt, die Delta und Omikron beinhalte. Die neue Variante stammt demzufolge von der Delta-AY.4- und Omikron-BA.1-Linie ab. In Bayern gibt es derzeit überwiegend Infektionen mit dem Omikron-Subtyp BA.2.

Expertinnen und Experten dürften von Deltakron alles andere als überrascht sein. Der Virologe Christian Drosten zum Beispiel sprach schon im Januar gegenüber dem Deutschlandfunk von der Möglichkeit einer rekombinierten Viruslinie, "die zum Beispiel das Spike-Protein vom Omikron-Virus trägt, um weiterhin diesen Immunvorteil zu genießen, aber den Rest des Genoms vom Delta-Virus hat, weil möglicherweise der Rest des Genoms bei Delta eine stärkere Replikationsfähigkeit vermittelt, andere Eigenschaften macht, die dem Virus noch einen Extravorteil bringen." Somit würden "aus beiden Welten, aus beiden Serotypen dann die stärksten Eigenschaften zusammenkommen."

Wie verbreitet ist Deltakron?

Für Deutschland hat das Robert-Koch-Institut (RKI) auf Anfrage des Spiegel einen ersten Fall bestätigt. Dem Allgemeinmediziner Specht zufolge habe man Deltakron bei uns erst relativ spät entdeckt, weil hierzulande vergleichsweise wenig sequenziert werde. "Andere Länder schauen intensiver und regelmäßiger darauf, mit welcher Mutation sich die Infizierten angesteckt haben, daher ist das da auch länger bekannt", sagte er gegenüber RTL.

Zum Beispiel in Großbritannien: Hier gab es laut dpa bis Ende Februar 32 Corona-Fälle, bei denen eine Mischung aus den Varianten Delta und Omikron nachgewiesen wurde. Auch in den USA seien der Nachrichtenagentur Reuters zufolge bereits Deltakron-Fälle aufgetreten.

Bereits seit Anfang Januar ist die neue Variante in mehreren französischen Regionen im Umlauf, schreibt der Spiegel. Auch Dänemark und die Niederlande hätten Genome mit ähnlichen Profilen gemeldet. Ob es sich hierbei um die gleiche Deltakron-Rekombination handele, müsse laut der Gisaid-Website in weiteren Studien geklärt werden. Dies gelte auch für den Ursprung der neuen Variante.

Müssen wir uns Sorgen machen?

Auch hier gilt: Die Daten- und Studienlage zu Deltakron ist noch dünn. Theoretisch könnte die Misch-Variante die negativen Eigenschaften von Delta (schwerere Verläufe) und Omikron (ansteckender) miteinander vereinen. "Das wäre im schlimmsten Fall möglich", warnte der Molekularbiologe Ulrich Elling im Standard.

Obwohl die Variante laut dem Spiegel seit Anfang Januar im Umlauf ist, gibt es bislang nur sehr wenige bekannte Fälle. "Das spricht zunächst nicht dafür, dass sie sich noch schneller verbreitet als Omikron und sich demnächst durchsetzen könnte", heißt es in einem Text des Nachrichtenmagazins. Für klare Aussagen zur Gefährlichkeit von Deltakron sei es jedoch noch zu früh.

Ähnlich argumentierte Entienne Simon-Lorière vom Insititut Pasteur dem Spiegel zufolge in der New York Times: Deltakron zeige bislang kein exponentielles Wachstum. Er vermutet, dass ein Immunschutz gegenüber Omikron, sei es durch Impfung oder Infektion, auch gegen Deltakron wirken müsste.

Im Standard geht Elling davon aus, dass eine Impfung wahrscheinlich auch bei Deltakron vor schweren Verläufen schützen werde. Dies habe mit den sogenannten T-Zellen zu tun, die sowohl Delta als auch Omikron gut erkennen - und daher vermutlich auch Deltakron.

Jeffrey Barrett sagte dem Guardian, man brauche sich wegen Deltakron derzeit keine Sorgen machen. Gleichzeitig betonte der ehemalige Leiter der Covid-19-Genominitiative des Wellcome Trust Sanger Instituts, dass man die neue Variante beobachten müsse.

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