Autonomie von Senioren gefährdet

EU Vorschlag zu Fahrverboten "geht an der Realität der Menschen völlig vorbei"

21.9.2023, 11:20 Uhr
Pläne der EU zu einem etwaigen Fahrverbot für manche Altersgruppen treffen auf Unmut.

© VNP-Collage Pläne der EU zu einem etwaigen Fahrverbot für manche Altersgruppen treffen auf Unmut.

Vorneweg erst einmal Entwarnung an diejenigen, die reflexartig den Drang verspüren, auf die EU zu schimpfen: Noch hat die Union keinerlei finalen Änderungen der bislang geltenden Führerscheinrichtlinie beschlossen. Die Einführung von nach Altersklassen gestaffelten Tempolimits, die Verhängung von Nachtfahrverboten für Fahranfänger oder die begrenzte Gültigkeit des Führerscheins ab 60 Jahren gehören lediglich zu den ersten Vorschlägen der zuständigen Berichterstatterin Karima Delli im Verkehrsausschuss des EU-Parlaments. Angesichts des Widerstands vieler Abgeordnete scheint es unwahrscheinlich, dass es die umstrittensten Ideen in die endgültige Richtlinie schaffen. Zu hoffen wäre es jedenfalls.

Warum sollten junge Fahranfänger, die auf dem Land leben und aufgrund des oft fehlenden Nahverkehrs ohnehin erst ab 17 beziehungsweise 18 Jahren mobil sind, nachts mit einem Fahrverbot belegt werden? Ein solcher Plan ist unfair und geht an der Realität der Menschen völlig vorbei. Auch dass generell ältere Verkehrsteilnehmer verpflichtende Gesundheitstests absolvieren sollen, dürfte in der Bevölkerung zurecht für Frust und Ärger sorgen. Statt pauschaler Überprüfungen zur Fahrtüchtigkeit ab 60 Jahren würde es genügen, wenn die Mitgliedstaaten die Fahreignung unter bestimmten Voraussetzungen überprüfen könnten oder erst ab einem späteren Alter allgemein ärztliche Attests einfordern.

Europa sollte einheitliche Standards schaffen

Dänemark dient als gutes Beispiel, wo Bürger, die das 75. Lebensjahr überschritten haben, eine medizinische Untersuchung nachweisen müssen, wenn sie ihren Führerschein verlängern. Es handelt sich um eine verhältnismäßige Maßnahme. Denn zur Wahrheit gehört auch, dass ältere Autofahrer aufgrund von mentalen oder körperlichen Einschränkungen statistisch in weitaus mehr Unfälle verwickelt sind als andere Altersklassen. Doch wer gibt schon ohne Not freiwillig seinen oder ihren Lappen her? Nicht selten kommt es zu Krisen, wenn Familienmitglieder sich um die fahrende Großmutter oder den zunehmend abbauenden Vater sorgen.

Gleichwohl bedeutet die Fahrerlaubnis für zahlreiche Senioren Autonomie und Teilhabe am öffentlichen Leben, insbesondere im ländlichen Raum. Deshalb sollte Europa einheitliche und vereinfachte Standards schaffen. Der vorgelegte Entwurf verspricht dagegen das Gegenteil, auch wenn die Motivation dahinter ehrenwert ist. Die Gemeinschaft verzeichnet in der Tat noch deutlich zu viele Verkehrstote. Aber zu meinen, dass ein Tempolimit für Fahranfänger von 90 km/h außerhalb von Städten an der traurigen Statistik etwas ändern würde, ist reichlich naiv. Wie sollen die EU-Länder eine solche Regelung durchsetzen? Es ist schlicht unmöglich.

Mehr Sinn würde deshalb eine allgemeine Geschwindigkeitsbegrenzung ergeben. Das wäre nicht nur gut fürs Klima. Mit weniger Rasern auf den Straßen würde auch die Zahl der schweren Unfälle reduziert werden, wie Experten betonen. Laut Statistischem Bundesamt werden bei rund 30 Prozent der Unfälle die zulässige Geschwindigkeit überschritten. Im Land der freien Fahrt polarisiert zwar kaum eine Forderung so sehr wie die nach einem generellen Tempolimit. Trotzdem wäre es letztlich auch für den europäischen Nachzügler der richtige Weg.

Verwandte Themen


2 Kommentare