Nach der Wahl in NRW und Schleswig-Holstein

Forsa-Chef im Podcast: „Die Grünen sind eine Klientelpartei für Privilegierte“

Matthias Oberth

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19.5.2022, 00:12 Uhr
Forsa-Chef im Podcast: „Die Grünen sind eine Klientelpartei für Privilegierte“

© Redaktionsservice

Manfred Güllner ist sehr verwundert - und zwar über die Reaktionen nach den Landtagswahlen in Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen. Mit seinem Forsa-Meinungsforschungsinstitut hat hat er vor allem die Wahl in NRW über Monate intensiv begleitet, nun sagt er: "Merz unterliegt einem großen Irrtum, wenn glaubt, die Union sei auf Bundesebene wieder zurück."

Das dortige Ergebnis könne sich Hendrick Wüst (so wie in Schleswig-Holstein Daniel Günther) auf die Fahnen schreiben. Mit dem CDU-Fraktionsvorsitzenden Friedrich Merz habe das "Null" zu tun, so Güllner im Podcast "Horch amol". Er verweist auf die "extreme Unbeliebtheit" des Politikers, weshalb die Wahlkämpfer vor Ort am liebsten ohne ihn ausgekommen wären.

Das schlechte Ergebnis der SPD wiederum will Güllner nicht unbedingt auf Bundeskanzler Olaf Scholz zurückführen. "Es gibt sicher gewisse Überlagerungseffekte, aber in Wirklichkeit ist die SPD doch schon viel länger im Niedergang", so der Meinungsforscher. Gerade in NRW seien die Sozialdemokraten in einem "grottenschlechten Zustand" und hätten sich zunehmend von ihrem eigentlichen Wählerklientel entfernt.

Grüne bleiben Klientelpartei

Auch die Grünen stutzt der Forsa-Chef auf Normalmaß zurück. "Die Grünen sind weit davon entfernt eine Volkspartei zu sein", lautet seine Analyse mit Blick auf die Zahlen. Fast 19 Prozent Wahlergebnis entspreche lediglich zehn Prozent der Stimmen der Wahlberechtigten, stellt Güllner klar. Die Grünen bleiben "eine Klientelpartei für Privilegierte der oberen Bildungs- und Einkommensschichten" vor allem in den urbanen Metropolen.

Interessant sind in diesem Zusammenhang seine Antworten auf die Frage, warum bei den Jungwählern die Grünen und die FDP so großen Zulauf haben. Laut Güllner sind es vor allem die jungen Frauen, die sich für Grün entscheiden, während junge Männer zur FDP tendieren: "Es ist ein Aufschrei der Männer gegen einen zu sehr weiblichen, grünen Zeitgeist", so seine Erklärung.

Das Problem für die FDP werde jedoch sein, dass daraus keine Stammwähler erwachsen. In NRW hätte dies - zusammenfallend mit einer Reihe von politischen Fehlern der FDP-Landesminister - zu dem mehr als schwachen Abschneiden der Liberalen geführt.

Menschen fühlen sich nicht beachtet

Die größte Sorge macht Manfred Güllner allerdings der hohe Anteil der Nichtwähler. Mit 45 Prozent stellen sie in NRW die stärkste Partei und zeigten den Politikern "die gelbe oder die rote Karte". Die Zahl der Nichtwähler übertrifft dabei die Zahl der Wähler von CDU, SPD und Grünen zusammen. "Diese Menschen fühlen sich von den Parteien nicht beachtet" konstatiert Güllner. So verliert die SPD bei der Landtagswahl rund eine Million Stimmen von Menschen, die ihr Kreuz bei der Bundestagswahl noch bei den Sozialdemokraten gemacht hatten. Dabei geht es wohlgemerkt nicht um Wechselwähler, sondern um Menschen, die von der Wahl wegblieben.

Um als Volkspartei wahrgenommen zu werden, sei es aber gerade wichtig, sich als "Kümmerer" zu profilieren und nahe an den Menschen zu sein. Diese Rolle gehe bei CDU und SPD zunehmend verloren. Grüne und FDP seien derweil nicht in der Lage, in diese Lücke zu stoßen.

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