Katholische Kirche: Wer in Jahrhunderten denkt, denkt zu langsam

26.2.2021, 09:14 Uhr
Kardinal Georg Bätzing, Bischof von Limburg, präsentiert die Ergebnisse der digitalen Frühjahrs-Vollversammlung der Deutschen Bischofskonferenz.

© Sascha Steinbach/dpa Kardinal Georg Bätzing, Bischof von Limburg, präsentiert die Ergebnisse der digitalen Frühjahrs-Vollversammlung der Deutschen Bischofskonferenz.

Es muss etwas passieren, sonst ist sie in ein paar Jahren weg, verschwunden in der Bedeutungslosigkeit, mindestens in Europa: Wie ernst es um die katholische Kirche bestellt ist, immerhin das war den Teilnehmern der gestern beendeten dreitägigen deutschen Bischofskonferenz offenkundig bewusst. Abzulesen etwa an den unerwartet klaren Kommentaren ihres Vorsitzenden Georg Bätzing, Bischof in Limburg, zu den Vorgängen im benachbarten Erzbistum Köln („Desaster“, „skandalöses Bild“).

In der Bibel wird gern gefeiert

Denn Kirche, das ist eigentlich eine großartige Idee. Gelebter Glaube braucht immer auch Gemeinschaft, nicht umsonst wird schon in der Bibel gern und oft zusammen gefeiert und gegessen. Tatsächlich gibt es das bis heute gar nicht so selten, dass Kirche den Einzelnen auf seinem Weg stützt und stärkt – quasi als Partner mit jahrtausendealter Erfahrung.

Zu bewundern ist das unter anderem an vielen Stellen bei den kirchlichen Hilfswerken. Oder in jeder Gemeinde, wo ein Pfarrer und Ehrenamtliche mit offenen Herzen bei der Sache sind. Übrigens auch bei Evangelen und Freikirchen. Um so irrwitziger ist, dass ausgerechnet die Institution, die aus dieser Idee geboren ist, all das zunehmend gefährdet. Denn beim Gedanken an „die“ Kirche sind es mittlerweile ganz andere Dinge, die die Außenwahrnehmung dominieren.

Geltungsbewusste Priester, Missbrauchsfälle und die Frauen

Die zaudernde Aufarbeitung von Missbrauchsfällen beispielsweise, siehe aktuell Köln. Die Zurücksetzung von Frauen. Oder geltungsbewusste Priester, die für sich in Anspruch nehmen, einen privilegierten Zugang zur Erkenntnis Gottes zu haben – und sich in der Folge anmaßen, anderen bis ins Schlafzimmer hinein vorzuschreiben, wie sie zu leben haben.

Viele dieser Themen standen auf der Agenda der Bischofskonferenz. Ein gutes Zeichen! Die Ergebnisse lesen sich dann aber insgesamt doch eher bescheiden. Der Umgang mit Missbrauchsfällen? Ja, würde man sich mitunter auch anders wünschen, aber in seinem Bistum kann jeder Bischof letztlich allein entscheiden – ist halt so. Die Rolle der Frau? Eine „theologische Grundfrage“, die auf kommenden Versammlungen vertieft werden soll. Und so weiter.

Wachsender Vertrauensverlust

Man muss kein Prophet sein, um zu ahnen: Als Gegengift für den fortschreitenden Vertrauensverlust bei vielen Menschen – und von nichts anderem sind die Kirchenaustritte der vergangenen Jahre Ausdruck – ist das zu schwach. Mit der eigentlich und heute wie vor 2000 Jahren noch immer guten Idee Kirche als Kollateralschaden.


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Völlig verrückt wird es, wenn sich selbst in dieser brisanten Situation insbesondere einige unter den konservativen Hardlinern in Kirchenkreisen auch noch bestätigt fühlen. Nach dem Motto: Lieber eine Kirche der Wenigen, als von der (nach ihrer Auslegung, versteht sich) reinen Lehre abzuweichen. Als sei die Lehre ein Selbstzweck und das Christentum ein Exklusivklub mit dem Bischof als Türsteher. Eine Kirche, die sich selbst hinter dicke Mauern zurückzieht, hat im Grunde aufgehört, an sich selbst zu glauben.

Die Mehrheit muss Reformen durchsetzen

So weit ist es noch nicht, auch das wurde auf der Bischofskonferenz deutlich. Solche Stimmen – und es gibt sie in allen Kirchen – sind eine Minderheit. Um so dringender ist nun die Mehrheit gefordert, mit mehr Schwung die fertig auf dem Tisch liegenden Reformideen umzusetzen. Mit Verwässerung der Lehre hat das nichts zu tun. Dafür mit Übersetzung: Kirche, die den Menschen und der Gesellschaft etwas zu geben hat, hat sich schon immer den Sorgen und Erfordernissen ihrer jeweiligen Zeit angepasst.

Es eilt. Die Kirche denkt in Jahrhunderten? Das ist ein Luxus, den sie sich heute nicht mehr leisten kann.


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