Kommentar: Peinliches Gezerre um Wahlrechtsreform

22.1.2020, 11:41 Uhr

Wenn man die überfällige Wahlrechtsreform als Musterbeispiel für die Problemlösungskompetenz der Bundestagsabgeordneten heranziehen würde, dann sähe es sehr, sehr düster aus. Seit mehr als zehn Jahren ist bekannt, dass dringend etwas unternommen werden muss gegen ein aufgeblähtes, immer größer werdendes Parlament – und noch immer zeichnet sich keine Lösung ab.

Wollen wir es in Deutschland wirklich darauf ankommen lassen, dass nach künftigen Wahlen über 800 Abgeordnete im Bundestag sitzen? Obwohl doch eigentlich nur eine Richtgröße von 598 Volksvertreterinnen und Volksvertretern vorgesehen ist? Das wäre in mehrfacher Hinsicht nicht wünschenswert.

Erstens würde das viele Millionen Euro kosten (Diäten, Aufwandspauschale, Mitarbeiter, Büroausstattung). Zweitens könnte der Bundestag gar nicht mehr ohne weiteres im dafür vorgesehenen Reichstagsgebäude tagen. Drittens – und das ist vermutlich das Schlimmste – wäre ein so großes Parlament mit 200 bis 250 zusätzlichen Mitgliedern inhaltlich nicht mehr so arbeitsfähig, wie das nötig ist.

Alle werden verzichten müssen

Es soll hier nicht behauptet werden, dass die Verkleinerung eine leichte Sache wäre. Dabei gilt es unglaublich viel zu bedenken – die Erhaltung möglichst vieler Direktwahlkreise, die Balance zwischen den Erst– und den Zweitstimmen, eine ordentliche Repräsentanz der Bundesländer nach ihrer Einwohnerzahl. Und dann muss alles noch verfassungsfest sein. Das Wahlrecht ist schließlich eines der vornehmsten Rechte der Staatsbürger(innen).

Alle Seiten werden verzichten müssen. Union und SPD haben sich wohl damit abzufinden, dass die Republik 30 bis 50 Wahlkreise verliert. Das trifft die CSU besonders hart, die in Bayern alle Direktmandate geholt hat. Die anderen Parteien werden im Gegenzug einwilligen müssen, dass eine strengere Regelung bei den ausufernden Ausgleichs- und Überhangmandaten gefunden wird.

Bockige CSU

Nur dann besteht eine Chance auf ein Parlament mit etwa 600 Mitgliedern. Auf einige Dutzend Abgeordnete mehr soll es nicht unbedingt ankommen, da darf es gerne eine gewisse Schwankungsbreite geben. Anders wird es kaum gehen, wenn man komplexen Wahlergebnissen gerecht werden will.

Die Betroffenen – auch die besonders bockig auftretende CSU – sollten jetzt endlich eine Lösung finden. Wenn es partout nicht anders möglich ist, könnte man die Neuregelung zur Not nicht schon 2021, sondern erst 2025 in Kraft treten lassen, damit alle Zeit haben, sich darauf einzustellen. Die Akteure sollten bedenken: Geschieht gar nichts, hat nicht einer von ihnen den Schaden, sondern alle zusammen. Es wird nämlich im Volk mal wieder heißen, dass "die Politik" unfähig sei.

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