Kommentar: Rächt sich die Schließung kleiner Krankenhäuser?

18.3.2020, 05:51 Uhr
Deutschland verfügt mit etwa 28.000 Intensivbetten um rund 2,5 Mal mehr Behandlungsplätze als dies in Italien der Fall ist.

© dpa Deutschland verfügt mit etwa 28.000 Intensivbetten um rund 2,5 Mal mehr Behandlungsplätze als dies in Italien der Fall ist.

In Italien müssen inzwischen ausgepowerte Ärzte in völlig überfüllten Kliniken entscheiden, welcher Corona-Patient noch beatmet und wer seinem Schicksal, sprich dem Tod, überlassen wird. Es sind schreckliche Bilder und Berichte über Verhältnisse, von denen wir in Deutschland weit entfernt sind — und die wir mit etwas Glück auch nie bekommen werden.



Denn Deutschland hat mit etwa 28.000 Intensivbetten rund 2,5 Mal mehr derartige Behandlungsplätze als Italien, sagt der Berliner Gesundheitsökonom Reinhard Busse. Das deutsche Gesundheitssystem könnte seiner Meinung nach jeden Tag etwa 2000 Corona-Infizierte neu auf Intensivstationen aufnehmen und dort eine Woche lang behandeln, ohne an Kapazitätsgrenzen zu stoßen.

Stutzig macht allerdings, dass Bundes- und Staatsregierung jetzt die Zahl der Intensivbetten verdoppeln wollen. Messehallen sollen umfunktioniert und sogar Schönheitskliniken zur Versorgung herangezogen werden. Gut so, jetzt sind auch unkonventionelle Ideen erlaubt.

Gnadenlos auf Effizienz getrimmt

Aber wir sollten uns auch die Frage stellen, ob eine kleinteilige Krankenhauslandschaft mit längst geschlossenen Häusern wie in Hersbruck, Treuchtlingen, Schnaittach, Hilpoltstein, Greding, Abenberg und Schillingsfürst (um nur ein paar aus der Region zu nennen) nicht die bessere Antwort auf die Corona-Krise gewesen wäre.


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Denn Mitte der 90er-Jahre begann die Gesundheitspolitik damit, die Kliniken gnadenlos auf Effizienz zu trimmen und ein kleines Haus nach dem anderen zu schließen. Die Liegezeiten der Patienten und die Zahl der Betten wurden reduziert, die Behandlungen in großen Kliniken konzentriert.

Zurück blieb eine Versorgungswüste auf dem Land, und den Häusern in den Ballungszentren geht es nicht gut. Ein Drittel der Kliniken schreibt Defizite, jährlich fehlen fast vier Milliarden Euro an Investitionsmitteln.


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Und der Aderlass — man könnte auch "Wahnsinn" sagen — geht weiter. Inzwischen sollen Krankenhäuser, die einen Patienten nicht einfach auf die Straße setzen, weil die anschließende Behandlung nicht geklärt ist, 300 Euro Strafe pro derartigem Fall zahlen. Und die Bertelsmann-Stiftung forderte, die Zahl der Kliniken von knapp 1400 auf unter 600 mehr als zu halbieren.

Vorsprung wäre dahin

Damit wäre der Versorgungsvorsprung dahin, den Deutschland in Epidemie-Zeiten hat. Sicher, die Klinken haben noch andere Probleme, Missmanagement etwa, vor allem aber den Fachkräftemangel, der auch jetzt problematisch werden könnte.

Aber ein reiches Land wie Deutschland muss schlauere Lösungen als einen ländlichen Kahlschlag finden, um seine Gesundheitskosten im Griff zu behalten. Vor allem dann, wenn wir Beitrags- und Steuerzahler das so wollen. Gesundheit ist schließlich keine Ware und eine Klinik keine Fabrik.

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