Kommentar: Warum Bayerns neuer Corona-Kurs richtig ist

6.12.2020, 18:44 Uhr
Söder ist nur noch halb so forsch und muss im Kampf gegen Corona aufpassen, meint Roland Englisch.

© Britta Pedersen, dpa Söder ist nur noch halb so forsch und muss im Kampf gegen Corona aufpassen, meint Roland Englisch.

In der nüchternen Welt der Fakten ist der Weg richtig, den das bayerische Kabinett nun eingeschlagen hat, auf Drängen von Markus Söder. Seit Wochen schleppt sich das Land durch einen halbgaren Lockdown, der zwar den rasanten Anstieg der Neuinfektionen mit dem Coronavirus abgebremst hat. Mehr aber auch nicht. An manchen Orten steigen die Zahlen wieder, an anderen stagnieren sie. Runter gehen sie nicht.

Söder hat mehrfach erklärt, er halte einen kurzen, harten Lockdown für sinnvoller als einen langen, weichen. Trotzdem scheut er jetzt davor zurück und liefert mit der neuen Verordnung halbherziges Stückwerk ab und keine forsche Vorlage. Das führt zu seltsamen Situationen. In Nürnberg beispielsweise dürfen sich die Menschen nun kaum noch bewegen, im angrenzenden Fürth dagegen schon. Und das nur, weil in der einen Stadt die Zahl der Neuinfektionen durch Zufall etwas niedriger liegt als in der anderen.


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Vorsichtiger geworden

Es ist nicht das erste Mal in dieser Pandemie, dass die ergriffenen Maßnahmen nicht durchgängig konsistent sind. Sie sind immer ein Kompromiss zwischen der maximal möglichen Härte und der notwendigen Milde. Söder muss darauf achten, dass er die Menschen mitnimmt. Die erklären zwar in ihrer großen Mehrheit, dass sie hinter dem Kurs stehen, doch wer genauer hinhört, erfährt auch, wie fragil diese Zustimmung mittlerweile ist. Vor allem deshalb agiert Söder mittlerweile weit vorsichtiger, als ihm lieb sein dürfte.


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Hielte sich Söder an seine eigenen Maßstäbe, das Land wäre wieder in einem echten Lockdown mit geschlossenen Geschäften, Schulen und Kitas, mit wirklichen und flächendeckenden Ausgangsbeschränkungen, Besuchsverboten und einem Weihnachtsfest, das sich tatsächlich auf den Kern der Familie beschränkt. Nur das brächte die Zahlen schnell und spürbar nach unten.

Söder weiß freilich, dass er all das kaum durchsetzen kann. Selbst dem reichen Deutschland geht irgendwann das Geld aus, das es auf die blutenden Wunden der Geschäftsleute legt. Schon jetzt ist die Hypothek gigantisch, die das Land den nachfolgenden Generationen aufdrückt. Und diese Pandemie war sicher nicht die letzte.

Das ist er, der finanzielle eine Teil des Problems. Der andere ist der politische. Söder muss fürchten, dass er allmählich den Rückhalt in der Bevölkerung verliert, geht er zu forsch vor. Die Menschen sind müde geworden über die Dauer der Pandemie. Sie sehnen sich ihr Ende herbei, jeder Rationalität zum Trotz. Dass Corona uns mindestens bis zum Frühjahr im Griff haben wird, wollen sie nicht mehr hören oder wahrhaben. Söder aber muss sie mitnehmen, sie überzeugen und im Boot halten, will er den Kampf gegen das Virus nicht verlieren. Eine Herkulesaufgabe.

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