Kommunikationssystem: Spitzel nannte sich "Bestatter"

21.12.2018, 06:21 Uhr
So sah die Kommunikationsplattform "Thule-Netz" der Rechten aus.

© Foto: Stiftung Journalistenakademie Dr. Hooffacker GmbH & Co. KG So sah die Kommunikationsplattform "Thule-Netz" der Rechten aus.

Dalek kam sehr schnell in "Führungspositionen" innerhalb der rechtsextremen fränkischen Szene und stellte enge Verbindungen zum gewaltbereiten Thüringer Heimatschutz (THS) um den Neonazi Tino Brandt her.

Dalek selbst bestätigte bei seiner Vernehmung im Münchner NSU-Prozess, regelmäßig an den "Mittwochstreffen" des THS in Rudolstadt teilgenommen zu haben. Die frühere SPD-Landtagsabgeordnete Helga Schmitt-Bussinger (Nürnberg Süd) hat sich als Mitglied des NSU-Untersuchungsausschusses mit der Rolle Daleks befasst. Er sei "nachweislich der führende Kopf für bayerische Rechtsextremisten" gewesen, sagt sie. Und er habe durch seine Verflechtung mit dem THS den Anstoß dafür gegeben, dass sich diese Gruppierung weiter radikalisiert habe. Aus ihr ging dann der NSU um Uwe Böhnhardt, Uwe Mundlos und Beate Zschäpe hervor.

Dalek bestreitet, Kontakt zum NSU-Kerntrio gehabt zu haben. Sebastian Scharmer, Nebenklageanwalt im NSU-Prozess, betont, Dalek habe die Szene "ganz maßgeblich mitbestimmt". Er habe Neonazis bundesweit strukturiert. Mit ihm habe der Verfassungsschutz nicht nur beobachtet und Informationen gesammelt, "sondern saß quasi in entscheidender Rolle mit am Tisch".

Ermittlungsverfahren eingestellt

Dalek übernahm früh Ordnerdienste bei den Aufmärschen der Rechtsextremisten in Wunsiedel. Mitte der 1990er Jahre avancierte er zum Organisator des Rudolf-Heß-Marsches in Worms zum Gedenken an den Hitler-Stellvertreter. Bei diesem Auftrieb liefen neben Uwe Mundlos, Beate Zschäpe und Uwe Böhnhardt auch Ralf Wohlleben, Holger G. und André K. mit, die teils auch im NSU-Prozess angeklagt waren.

Dalek nahm an der Veranstaltung nicht teil. Doch die Staatsanwaltschaft Gera führte gegen ihn (und andere) zwei Jahre lang ein Ermittlungsverfahren wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung. Es wurde schließlich wegen "mangelnden Tatverdachts" eingestellt.

Auf Anfrage bestätigte der bayerische Verfassungsschutz dem Rechercheteam von NN und BR, dass Kai Dalek ein Kommunikationssystem für Rechtsextreme betrieben hat. Dieses "Thule-Netz" war ein Verbund von bundesweit geschalteten Mailboxen. Die Idee für das Netz soll jedoch von den Landesverfassungsschutzämtern in Bayern und Baden-Württemberg gekommen sein.

150.000 Mark für die Rechten

Mitte der 1990er Jahre, noch ehe das Internet wie heute für alle verfügbar war, boten Mailboxen eine elektronische Vernetzungs- und Übertragungsmöglichkeit, über die Nachrichten, Bild- und Tondateien verschickt werden konnten. Zudem war es möglich, über einzelne Mailboxen zu kommunizieren, heute mit einer Art Chatprogramm vergleichbar.

Dalek war Verwalter der Schlüssel, mit denen die Mails codiert wurden. Als Systembetreiber der "Kraftwerk BBS"-Mailbox firmierte er unter dem Namen "undertaker" ("Bestatter"). Experten schätzen, dass der bayerische Verfassungsschutz auf diesem Weg damals rund 150 000 Mark (etwa 76.000 Euro) an die erste Generation der "Internet-Nazis" verteilt hat. Dalek soll ein umfangreiches Video-Archiv mit Aufnahmen missliebiger Feinde der Neonazis unterhalten haben. Er half mit, in Franken die Broschüre "Der Einblick" zu veröffentlichen. In ihr wurde dazu aufgerufen, politischen Gegnern, auch Journalisten, "unruhige Nächte zu bescheren".

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