Markus Söder: "Mit mir muss man auch in Zukunft rechnen"

24.4.2021, 05:57 Uhr
Interview mit Abstand: Markus Söder im Gespräch mit den NN-Chefredakteuren Michael Husarek (rechts) und Alexander Jungkunz.

© Roland Fengler Interview mit Abstand: Markus Söder im Gespräch mit den NN-Chefredakteuren Michael Husarek (rechts) und Alexander Jungkunz.

Herr Söder, wie fühlt man sich als Verlierer des unionsinternen Machtkampfes?

Söder: Ich habe ein Angebot gemacht, das der Erwartung von großen Teilen der Bevölkerung entsprochen hat. Es hieß: Wenn die CDU es wünscht, bin ich bereit, Verantwortung zu übernehmen. Das ist auch eine Charakterfrage – nämlich nicht nur einen sicheren Weg zu gehen, sondern sich in den Dienst des Landes zu stellen. Es gab daraufhin breiten Zuspruch - aus der Bevölkerung, die Umfragen gingen noch einmal nach oben, die Basis war sehr dafür und es gab auch große Unterstützung aus der Bundestagsfraktion. Aber ich habe immer gesagt: Breite Unterstützung heißt auch, dass neben Basis und Fraktion auch der Vorstand zustimmen muss - der hat sich nach langer und kontroverser Diskussion anders entschieden. Wir als CSU respektieren und akzeptieren das. Für mich persönlich wäre es eine schon hohe Belastung gewesen. Insofern bin ich mit mir im Reinen.

Sie haben mehrfach betont, "ohne Groll" Laschets Sieg zu akzeptieren: Juckt es Sie wirklich nicht, unterlegen zu sein? Bislang spielten Sie ausschließlich auf Sieg?


Großes Interesse an der CSU - Austritte aus der CDU


Söder: Noch nie war ein CSUler Kanzler. Aber noch nie war auch der Abstand in Umfragen zwischen zwei möglichen Kandidaten so groß wie heute. Dass zum Beispiel Bremer, Berliner und Baden-Württemberg Abgeordnete mit Feuer und Eifer für einen CSU-Kandidaten eintreten, ist nicht selbstverständlich. Was in der Fraktion geschah, war für mich bewegend und rührend. Da die Kandidatur nicht auf meinem Lebensplan stand, ist es für mich jetzt auch kein Problem. Man kann vielleicht über das Verfahren reden. Aber ich bin unglaublich dankbar für den Zuspruch. Man sieht jetzt auch an den Reaktionen der Bevölkerung und in den Umfragen, dass für die Union vielleicht eine Chance verpasst worden ist.

Stichwort „ohne Groll“: Ihre Verzichts-Rede steckte voller Seitenhiebe gegen die Laschet-Anhänger. Sie bedankten sich "gerade bei den Jungen, bei den Modernen, bei den, die auf Zukunft aus waren" (Zitat Söder). Da gehören also alle Laschet-Anhänger nicht dazu?

Söder: In den zehn Tagen gab es sehr viele Stimmen aus der zweiten und dritten Reihe der CDU, die schon sehr deutlich gegen die CSU gestichelt haben. Aus Bayern gab es dagegen keine kritische Stimme gegenüber der CDU. Es war auch kein Streit CDU gegen CSU, sondern es war eine Diskussion innerhalb der CDU. Ich bin sehr dankbar, dass meine CSU dies nicht befeuert hat. Und deswegen ist diese Entscheidung auch ohne Groll zu respektieren. Und ja - die Junge Union hat sich für mich eingesetzt. Es gab andere wie Wolfgang Schäuble und Friedrich Merz, die sehr klar dagegen waren. Und wenn Sie jetzt die Junge Union und die erfahrenen Granden der CDU gegenüberstellen, dann ist es nicht völlig falsch zu sagen: Die einen sind doch ein Stück weit mehr Zukunft als die anderen.

Mittlerweile haben Sie in Ihren "Hinterzimmern" getagt. Wie ist die Reaktion des CSU-Vorstandes oder des Parteipräsidiums auf Ihre Verunglimpfung der Gremien das Schwesterpartei?


Umfrage: Bayerns Bürger sind enttäuscht von Söders Rückzug


Söder: Da war nichts abwertend gemeint. Natürlich sind Gremien wichtig, aber ich wundere mich über ein sehr veraltetes Demokratieverständnis. Es gibt einen großen Wunsch der Bürger nach Beteiligung in Zeiten von hohen Partizipationsmöglichkeiten durch Social Media und Basisbefragungen. Das darf man nicht ausblenden. Es gibt übrigens einen CDU-Vorstandsbeschluss vom 14. September 2020. Dort wird ausdrücklich festgelegt und gewünscht, dass bei der Frage des Kanzlerkandidaten die Basis zu beteiligen sei. Wir haben uns getreu dem Beschluss der CDU verhalten. Wir stehen fünf Monate vor einer Wahl. Da ist es nicht überzogen, auch die Basis mitnehmen zu wollen. Das ist moderne Demokratie. Mir wurde ungerechtfertigt vorgeworfen, ich würde wie Sebastian Kurz in Wien oder wie Emmanuel Macron in Paris handeln. Zumindest haben beide Wahlen gewonnen.


Sie sprachen die "moderne Demokratie" schon an, die Sie aus der Taufe gehoben haben. Der Vorwurf des Populismus liegt da nahe... da sind wir rasch bei Trump.


CDU kämpft: Austrittswelle, Frust an der Basis und miserable Umfragen


Söder: Sie können nicht jemandem, der eine Wahl gewinnt, von vornherein die demokratische Legitimation absprechen. Was uns alle an Trump so geärgert hat, war sein bizarrer Politikstil und das Leugnen der Realitäten. Aber sie können doch nicht im Ernst Macron und Trump gleichsetzen wollen? Wer den Bürgern die Möglichkeit der Teilnahme an Entscheidungsprozessen mit dem Hinweis auf Formalitäten verweigert, der muss gute Argumente dafür haben. Ich finde jedenfalls keine.

Braucht es ein neues Verfahren für die Kandidatenkür?
Söder: Es bringt wenig, nach einer Entscheidung über das Verfahren für das nächste Mal zu diskutieren. Das ist jetzt so entschieden. Jetzt gilt es, nach vorne zu schauen. Wir hatten eine Woche Diskussion über die wichtigste Personalfrage der deutschen Politik. Wenn man das nicht aushält, dann schafft man es auch nicht, die Zukunft zu gestalten. Ich glaube auch, dass wir als CSU nicht als Verlierer aus dem Verfahren rausgegangen sind. Denn wir haben Wort gehalten, haben Stil und Anstand gezeigt und anders als 2018 den Stolz der Bayern nicht verletzt.


"Bayern-Koalition": Von der Wunsch-Ehe zum gschlamperten Verhältnis


Die konservative FAZ schrieb: „Die Art, wie Söder… nach Berlin gestürmt ist, war doch schon sehr bayerisch: aufsässig, tollkühn, nicht ganz zu Ende gedacht. Selbstherrlich und selbstvergessen zugleich“. Richtige Analyse?

Söder: Die FAZ hat in dieser Debatte eine ähnliche Sympathie für die CDU entwickelt wie früher die NN für die SPD.
Stichwort „Schmutzeleien“ – davon sprach Armin Laschet: Sie sagten allen Ernstes: „Wir sind auch eine andere Generation. Armin ist 60, ich bin 54“… das war schon frech.


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Söder: Man muss schon sehr um die Ecke denken, um in dem Hinweis, dass jemand 54 oder 60 ist, eine Gemeinheit zu erkennen.

Moment mal, Sie sprachen da ausdrücklich von einer „Generation“….

Söder: Politisch betrachtet können sechs Jahre eine Ewigkeit sein. Beachtlicher war, was andere in diesen zehn Tagen persönlich gegen mich gesagt haben. Wir haben darüber kein Wort verloren. Mich überraschen diese kleinteiligen, reflexhaften Klischeebemühungen, die CSU und mich in eine bestimmte Ecke schieben zu wollen… Ich finde, wir haben in dieser Situation großen politischen Charakter gezeigt.
Sie werden Laschet voll und ganz unterstützen?

Söder: Natürlich.


Siegesgewissheit verloren: Die Union ist plötzlich der Verfolger


Nun bleiben Sie in Bayern - mindestens bis zur übernächsten Bundestagswahl. Füllt Sie die Aufgabe noch aus? Oder ist es Ihnen zu eng geworden zwischen Spessart und Karwendel?
Söder: Mein Lebenstraum war, bayerischer Ministerpräsident zu sein. Parteivorsitzender war schon eine Zusatzaufgabe. Es geht nicht um mein Ego, mich begeistert, Politik für die Menschen zu machen. Und Politik hängt nicht ab von der Postleitzahl des Dienstsitzes, sondern von der inneren Überzeugung. Es ist eine ganz große Ehre, für Bayern arbeiten zu dürfen.
Wir haben den Eindruck, es grämt Sie doch, dass Sie sich nicht durchsetzten…


Großes Interesse an der CSU - Austritte aus der CDU


Söder: Ich bin da mit mir mehr als im Reinen. Natürlich hätte ich es mit großer Leidenschaft gemacht, aber so ist es auch in Ordnung. Egon Bahr sagte einmal zu Willy Brandt: „Der Gipfel ist ein Platz, auf dem man nicht dauerhaft sein Wohnhaus baut.“ Den Satz habe ich mir gemerkt. Das heißt: Selbst wenn du ein Amt bekommst, ist das mit unzähligen Schwierigkeiten verbunden. Trotzdem gilt: Mit mir muss man auch in Zukunft rechnen. In Bayern als Ministerpräsident und in Berlin als Parteivorsitzendem.

Das heißt, Sie probieren es in vier Jahren noch einmal?
Söder: Das halte ich für außerordentlich unwahrscheinlich. Denn entweder regiert Armin Laschet die nächste Amtszeit oder wir werden eine sehr lange Amtszeit einer jungen Bundeskanzlerin erleben. Denn das darf keiner unterschätzen: Die Union befindet sich in einer schweren Notsituation. Fünf Monate vor der Wahl steckt die CDU in einem Umfragetief, es bleiben Corona-Schwierigkeiten und nach 16 Jahren sieht man schon Ermüdungserscheinungen der ganzen Union. Hinzu kommt eine nicht geklärte strategische Frage: Wie viel Modernität oder wie viel Tradition soll die Union zeigen. Einige wollen zurück in die Zeit vor Angela Merkel. Wir wollen das nicht. Wir brauchen einen neuen Aufbruch und eine moderne Union.


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Da sehen Sie sich als Modernisierer und Laschet als Traditionalisten?
Söder: Als wir beide in der Bundestagsfraktion auftraten, sagte Armin Laschet, ich setze zu viel auf Modernität und Ökologie. Es stimmt: Ich glaube, wir müssen Wohlstand und Nachhaltigkeit gleichberechtigt denken und versöhnen. Klimaschutz und Arbeitsplätze gehören zusammen gedacht. Ich will einen starken und schützenden Staat und eine offene und freiheitliche Gesellschaft in einer gesunden Umwelt.
Sie setzen auf Umfragen – für die CDU zu sehr….
Söder: Ja, es gibt in der CDU einige, die Umfragen ignorieren. Ich halte das für mutig, weil nach meiner gesamten Lebenserfahrung Umfragen zumindest Tendenzen zeigen. Darauf sollte man achten. The Trend is your friend. Und der Trend ist jetzt so: Der hohe Corona-Vorschuss ist aufgebraucht. Und es gibt viele, die meinen, es könnte nach 16 Jahren auch mal ohne die Union gehen. Wer das alles unterschätzt, handelt unklug.


Horch amol: "Die CDU hat gerade noch die Kurve bekommen"


Was bleibt für Sie nach diesen wohl heftigsten zwei Wochen Ihres Lebens?
Söder: Die Debatten zwischen Horst Seehofer und mir waren zum Teil lebhafter und engagierter. Aber wer immer nur einen Rucksack schlechter Erinnerungen mit sich herumträgt, geht irgendwann krumm. Ich bin ein Mensch, der sich am Morgen begeistert und nicht um das Gestern trauert.

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