Nachteile im Alltag: Eine Impfpflicht durch die Hintertüre?

9.12.2020, 09:48 Uhr

"Ich gebe Ihnen mein Wort: Es wird in dieser Pandemie keine Impfpflicht geben." Dieses Versprechen von Jens Spahn, ausgesprochen vor dem Bundestag, hat nach wie vor seine Gültigkeit. In der Hinsicht ist der Gesundheitsminister mit nahezu allen anderen Politikern im Lande einer Meinung. "Hören Sie endlich auf, etwas anderes zu behaupten", sagte Spahn in Richtung der AfD-Fraktion. Niemand soll also nach Meinung der Bundesregierung dazu gezwungen werden, sich gegen das Coronavirus impfen zu lassen.

Doch abgesehen von einer staatlichen Anordnung gibt es in der Gesellschaft durchaus Situationen, in denen Nicht-Geimpfte spürbare Nachteile erleiden könnten. Davon geht zumindest eine Reihe von Rechtsexperten aus. Die Fachleute denken dabei an Fälle, in denen zwischen zwei Partnern ein privatrechtlicher Vertrag geschlossen wird.


Kommentar: Der harte Lockdown kann helfen


Das bisher bekannteste Beispiel ist die australische Fluglinie Qantas. Sie hatte schon vor einigen Wochen angekündigt, dass Reisende auf internationalen Strecken eine Impfung nachweisen müssten, sobald diese für den Normalbürger verfügbar sei. Man wolle die Geschäftsbedingungen in diesem Sinne anpassen. Überraschend ist dieser Schritt nicht, denn Australien gilt als eines der Länder mit den strengsten Corona-Einschränkungen.

Flüge und Gasthausbesuche nur mit Impfung?

Der Münchner Juraprofessor Volker Rieble sagte gegenüber dem Bayerischen Rundfunk, auch nach deutschem Recht werde so etwas möglich sein. Vertragspartner (hier: Fluglinie und Passagier) dürften den Inhalt eines privatrechtlichen Vertrages frei gestalten - eben auch mit einer Impfung als Voraussetzung für den Kauf eines Flugtickets. Andere Unternehmen, etwa gastronomische Betriebe, könnten nach dem Lockdown ebenfalls auf eine solche Idee kommen, um wieder einen halbwegs normalen Geschäftsbetrieb aufnehmen zu können.

Bei der Deutschen Bahn wäre eine solche Maßnahme schon deutlich schwieriger, eventuell überhaupt nicht möglich. Zwar besteht auch hier eine große Ansteckungsgefahr, weil die Reisenden oft stundenlang nahe beieinander sitzen. Aber die Bahn hat im Gegensatz zu Privatunternehmen eine Beförderungspflicht. Sollte sich das Unternehmen im Staatsbesitz zu einer ähnlichen Einschränkung wie Qantas entschließen, wäre das ziemlich sicher Gegenstand von Gerichtsverfahren. Zumal ja in den ersten Monaten längst noch nicht alle Bürgerinnen und Bürger eine Impfung erhalten können, selbst wenn sie wollten. Bei einer gewissen Anzahl von Menschen könnten zudem medizinische Gründe dagegen sprechen, sich impfen zu lassen.

Auch aus arbeitsrechtlicher Sicht wird über eine Pflicht zur Impfung zu reden sein. Bei bestimmten Berufsgruppen, zum Beispiel Mediziner(inne)n und Pfleger(inne)n auf den Intensivstationen von Krankenhäusern, hält Steffen Augsberg solch eine Regelung für möglich und vertretbar. Der Rechtsprofessor ist Mitglied des Deutschen Ethikrates. Allerdings zweifelt er daran, ob es überhaupt einer solchen Pflicht bedarf. Es wäre ja auch möglich, dass die Betroffenen zu großen Teilen freiwillig mitmachen.

Australien will die Pflicht und Frankreich nicht

International gehen die Staaten höchst unterschiedlich mit der Impfpflicht um. Australiens Premierminister Scott Morrison deutete bereits an, dass er eine Impflicht für seine Landsleute anstrebe. Sie solle "so obligatorisch wie möglich" sein und Ausnahmen eigentlich nur aus medizinischen Gründen vorsehen. Man spreche hier immerhin "von einer Pandemie, die die Weltwirtschaft zerstört und Hunderttausende getötet hat". Frankreichs Präsident Emmanuel Macron versprach hingegen bei einer Fernsehansprache "Ich werde die Impfung nicht verpflichtend machen."


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Eine ganz besondere Wortwahl war bei Bayerns Ministerpräsident Markus Söder zu beobachten. Er differenzierte zwischen "Pflicht" im Sinne von Vorschrift und "Gebot" im Sinne von moralischer Verpflichtung. Söder sagte: "Es wird keine Impflicht geben, aber eigentlich ist es ein Gebot, sich impfen zu lassen."

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