Politik kann handeln und umsteuern - wenn sie es nur will

10.4.2021, 06:00 Uhr
Tritt für die Mindeststeuer ein: US-Finanzministerin Janet Yellen.

© NICHOLAS KAMM, AFP Tritt für die Mindeststeuer ein: US-Finanzministerin Janet Yellen.

Es geht hier mal nicht um Corona. Nur am Rande zumindest. Denn die Pandemie zeigt: Politik kann handeln – wenn sie denn will und muss. Ob dieses Handeln erfolgreich ist, steht auf einem anderen Blatt.

Zwei Initiativen dieser Tage machen jedenfalls Hoffnung. Darauf, dass die Politik jenes Heft des Handelns wieder selbst in die Hand nimmt, das sie sich jahrzehntelang viel zu sehr von Lobbyisten, Wirtschaftsverbänden und Markt-Fanatikern wegnehmen hat lassen.

Mindeststeuer gegen Steueroasen

Da ist erstens der Vorstoß der neuen US-Finanzministerin Janet Yellen für eine globale Mindeststeuer. Die Idee ist alt: Um Steueroasen das Wasser abzugraben, soll in möglichst vielen Staaten ein Mindeststeuersatz gelten. Neu ist, dass die USA dies nun unterstützen – was die Chancen für eine Umsetzung drastisch erhöht.

Die Mindeststeuer allein würde nicht reichen, endlich die Internet-Giganten dazu zu bringen, Steuern zu zahlen. Wichtige zweite Neuerung: Firmen sollen auch dort besteuert werden, wo sie ihre Waren oder Dienstleistungen verkaufen – nicht nur dort, wo sie produzieren.

Die größten Profiteure zahlen am wenigsten

Da ist noch sehr viel im Detail zu klären – aber die Grundidee ist richtig und überfällig: Es kann nicht sein, dass ausgerechnet die größten Profiteure der Corona-Krise wenig bis nichts an Steuern zahlen. Netz-Riesen wie Amazon wuchsen schon vor der Pandemie extrem, die Krise spülte ihnen noch mehr Milliarden in die Kassen. Städte bluten aus, ganze Branchen leiden unter dem Internet-Boom – die Daten-Riesen nutzen die Infrastruktur aller Staaten, in denen sie verdienen, ohne einen nennenswerten Beitrag dazu zu leisten.

Diesen Skandal zu beenden, darauf zielt auch die zweite Initiative ab, die Hoffnung macht: Der Vorstoß Ferdinand von Schirachs für modernisierte EU-Grundrechte ist der Versuch, diese Rechte tauglich zu machen für digitale, globalisierte Zeiten.

Umstürzende Folgen

Auch das ist überfällig – und ein weltweites Projekt, das von Europa ausgehen könnte: Wenn es ein Recht auf Produkte gibt, die ohne Verletzung von Menschenrechten entstanden – dann hat das umstürzende Folgen für die (Billiglohn-)Wirtschaft.

Wenn es ein Recht darauf gibt, in einer gesunden Umwelt zu leben – dann läuft das auf eine Art Urheber-Haftung für ökologischen Raubbau hinaus. Wenn digitale Ausforschung verboten ist, hinterfragt dies das gesamte, gigantische Geschäftsmodell von Facebook und anderen.

Fehlentwicklungen beenden

Da müsste sich sehr viel sehr radikal ändern; es geht im Kern aber darum, Fehlentwicklungen zu bremsen oder stoppen, die längst augenfällig sind und die Schieflagen in der Welt beständig verschärfen.

Zukunftsmusik? Ja. Aber eine, die gespielt werden kann, wenn möglichst viele Menschen sie hören wollen. Und sich beteiligen an der Petition für neue Grundrechte. Politik kann handeln – aber dafür müssen möglichst viele zeugen, dass sie das wollen. Denn Politik, das sind letztlich: wir.

Verwandte Themen


1 Kommentar