Priorisierung für Politiker: Sollen Abgeordnete früher geimpft werden?

12.4.2021, 05:50 Uhr
So medienwirksam war die Grippeimpfung von Markus Söder 2020. Könnte es bald ähnliche Bilder mit der Corona-Impfung geben?

© Sven Hoppe, dpa So medienwirksam war die Grippeimpfung von Markus Söder 2020. Könnte es bald ähnliche Bilder mit der Corona-Impfung geben?

Noch immer ist Impfstoff knapp. Noch immer werden die vulnerablen Menschen und gefährdete Berufsgruppen zuerst geimpft. Politiker haben derzeit keinen Vorteil. Das sollte man überdenken, sagte Ministerpräsident Markus Söder bei einer Pressekonferenz am Mittwoch. "Wir müssen uns in den nächsten Wochen nochmal genau überlegen, das trifft auch den Bayerischen Landtag und den Bundestag, wie wir Präsenzsitzungen für die Handlungsfähigkeit der Demokratie gewährleisten können, wenn wir bislang das Impfen kategorisch ausschließen."


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Kategorisch ausgeschlossen sind Parlamentarier nicht. Die Corona-Impfverordnung sieht bereits eine Priorisierung der Mitglieder von Verfassungsorganen vor, zusammen mit über 60-Jährigen und Asthmatikern in Kategorie drei. Bisher war die Funktionsfähigkeit des Landtages nicht gefährdet. Derzeit tagt das Plenum mit halber Stärke, es wurden Plexiglaswände aufgestellt und der Mindestabstand kann eingehalten werden. Gleiches gilt für die Ausschüsse. Ein Hygienekonzept und Schnelltests sorgen zusätzlich für Sicherheit.

Speziell bei Corona-Fragen ist die Handlungsfähigkeit des Landtags nicht nötig. Das Infektionsschutzgesetz, auf dessen Grundlage die Corona-Verordnungen erlassen werden, sieht keine Zustimmung des Parlaments vor. Das kritisieren viele Parlamentarier. Dennoch ist die Handlungsfähigkeit des Landtages für andere Belange von Nöten, zum Beispiel bei Gesetzesänderungen.


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Beschlossen ist in punkto Politikerimpfung bisher nichts. Das zeigt auch eine Anfrage beim Bundesgesundheitsministerium. Wie eine Sprecherin mitteilt, sei derzeit keine Änderung an der entsprechenden Stelle in der Corona-Impfverordnung geplant. Dennoch wirft die Aussage Söders Fragen auf: Was ist mit Stadt- und Gemeinderäten? Sollten Politiker überhaupt für den eigenen Berufsstand entscheiden und braucht der Abgeordnete überhaupt mehr Schutz? Derzeit sitzen 205 Abgeordnete im Bayerischen Landtag, knapp 150 davon sind unter 60 Jahren. Was die Parlamentarier selbst von Söders Aussage halten, haben wir bei den Abgeordneten aus der Region nachgefragt.

Horst Arnold (Fürth)

Horst Arnold (59) sitzt für die SPD als Fraktionsvorsitzender im Bayerischen Landtag.

Horst Arnold (59) sitzt für die SPD als Fraktionsvorsitzender im Bayerischen Landtag. © André De Geare, NNZ

"Ich bin der Ansicht, dass sich Politiker an Recht und Gesetz halten sollen", meint der 59-jährige SPD-Fraktionsvorsitzende Horst Arnold. Eine Bevorzugung von Landtagsabgeordneten findet er nicht angemessen, vor allem im Verhältnis zu anderen Berufsgruppen. Einzige Ausnahme: "Wenn weiter Zweifel an Impfstoffen bestehen, wie bei Astrazeneca, wäre ich bereit, mich früher impfen zu lassen". Dass nur von Parlamentariern auf höchster Stufe die Rede ist, findet er falsch. "Auch Abgeordnete im Bezirkstag, Stadträte und Bürgermeister müssen mitgedacht werden." Als Fraktionsvorsitzender ist Arnold auch zu Corona-Zeiten bei jeder Plenarsitzung im Parlament präsent. "Besonders gefährdet fühle ich mich im Landtag nicht, weil hier besonders strenge Hygienevorschriften gelten ", erklärt er. Generell wünscht sich der frühere Richter mehr Rechtssicherheit für die Priorisierung, auch weil durch die Hausarztimpfungen Unsicherheiten entstanden ist. "Das könnte zu Impfdrängelei führen."

Arif Taşdelen (Nürnberg)

Arif Taşdelen (46) fordert statt Priorisierung mehr Mitbestimmung von Parlamentariern.

Arif Taşdelen (46) fordert statt Priorisierung mehr Mitbestimmung von Parlamentariern. © Günter Distler

Der Nürnberger SPD-Abgeordnete Arif Taşdelen (46) sieht ebenfalls keinen Grund, die Impfreihenfolge zugunsten von Parlamentariern zu ändern. "Ich finde, wir sollten warten, wie alle anderen." Er ist derzeit in der Hochphase des parteiinternen Generalsekretär-Wahlkampfes, da fallen zwar viele Termine an, allerdings hauptsächlich digital. Deshalb sieht er für sich derzeit keine Gefahr: "An Präsenzveranstaltungen machen wir das absolute Minimum." In seinem Job als Abgeordneter fühlt er sich nicht wichtiger als andere Berufsgruppen. "Auch einen gewählten Abgeordneten kann man ersetzten." Von Markus Söder wünscht er sich statt einer früheren Impfung mehr Mitbestimmung. "Nicht priorisiert impfen, sondern priorisierte Parlamentsbeteiligung", fordert Taşdelen.

Verena Osgyan (Nürnberg)

Verena Osgyan (49) sitzt als Abgeordnete und stellvertretende Fraktionsvorsitzende für die Grünen im Landtag.

Verena Osgyan (49) sitzt als Abgeordnete und stellvertretende Fraktionsvorsitzende für die Grünen im Landtag. © Stephan Spangenberg

Die 49-jährige Grünen-Abgeordnete Verena Osgyan findet es schwierig, nun Ausnahmen von der Impfpriorisierung zu fordern. "Es gibt einen guten Grund, dass diese von einem unabhängigen Expertengremium erstellt wurde." Die Wahrscheinlichkeit, dass es im Landtag zu einem Superspreader-Event kommt, hält sie für gering. "Wir haben sehr strenge Hygieneregeln, es werden keine Besuchergruppen zugelassen und können mit Schnelltests absichern." Schwieriger hatten es da die Kommunalparlamente, weil digitale Sitzungen zunächst nicht möglich waren. "Da gingen wirklich Mitwirkungsmöglichkeiten verloren", findet Osgyan. Durch eine Gesetzesänderung, die vor kurzem in Kraft getreten ist, können nun auch Stadt- und Gemeinderäte online tagen. Sollte sie bei der Impfung an der Reihe sein, nimmt Osgyan ihren Impftermin "sehr gerne" an.

Volker Bauer (Roth)

Den Stimmkreis Roth vertritt CSU-Mann Volker Bauer (50).

Den Stimmkreis Roth vertritt CSU-Mann Volker Bauer (50). © Volker Bauer

Volker Bauer (50) von der CSU sitzt für den Stimmkreis Roth im Landtag. Er fasst die Aussage Söders anders auf: "Er will keine Privilegien schaffen, sondern Akzeptanz für die Impfstoffe." Es soll kein Mehrwert für Politiker entstehen, die Vertrauensbildung stehe im Vordergrund. "Ich würde mich mit allen Impfstoffen impfen lassen, auch mit Astrazeneca und Sputnik V", wirbt Bauer selbst. "Aber erst wenn ich dran bin, vordrängeln will ich mich nicht". Bei einer möglichen Priorisierung von Politikern solle laut Bauer kein Unterschied zwischen Landtag und Gemeinderat gemacht werden. Denn: "Wir alle sind in der Pflicht, Entscheidungen zu treffen." Seine Idee, um den Ablauf der Impfung zu verbessern: Springerpools, zu denen sich jeder Bürger anmelden kann. Sollte ein Impftermin frei werden, kann sofort eingesprungen werden.

Sebastian Körber (Forchheim)

Vom Bundestag in den Landtag: Der Forchheimer Sebastian Körber vertritt die FDP als stellvertretender Fraktionsvorsitzende im Bayerischen Landtag.

Vom Bundestag in den Landtag: Der Forchheimer Sebastian Körber vertritt die FDP als stellvertretender Fraktionsvorsitzende im Bayerischen Landtag. © Franz Galster

"Meine persönliche Einschätzung? Die Priorisierung, wie sie ist, reicht aus", findet der 40-jährige FDP-Abgeordnete aus Oberfranken, Sebastian Körber. Für ihn sei der Bayerische Landtag mit seinem Hygienekonzept bereits gut genug aufgestellt. Er sieht in dem Vorstoß Söders nur einen Vorwand. Viel wichtiger sei es seiner Meinung nach, mit der Impfung voranzukommen. "Wenn die Impfung beim Hausarzt nicht so bürokratisch und schleppend wäre, könnten in zwei bis drei Monaten alle durchgeimpft sein." Für ihn war es ein Fehler, die Hausärzte nicht schon früher ins Boot zu holen. Mit seiner Impfung will er warten, bis er nach der aktuellen Verordnung an der Reihe ist. "Ich bin ja gesund. Lieber sollte meine Mutter mit knapp 70 Jahren geimpft werden."

Gabi Schmidt (Uehlfeld)

Für die Freien Wähler sitzt Gabi Schmidt aus Uehlfeld im Landtag.

Für die Freien Wähler sitzt Gabi Schmidt aus Uehlfeld im Landtag. © Abgeordnetenbüro Schmidt

Die 53-jährige Freie-Wähler-Abgeordnete findet: "Grundsätzlich hat Söder Recht. Aber solang die Älteren und Risikogruppen nicht geimpft sind, will ich mich nicht vordrängeln." Die Idee, die Funktionsfähigkeit des Landtages zu erhalten, findet sie gut. Vor allem kleinere Fraktionen wie die FDP könnten bei einem Ausbruch schnell eingeschränkt werden. Bisher sei der Umgang miteinander im Landtag aber gut geregelt, die meisten halten sich diszipliniert an die Hygienevorschriften. Unsicher fühle sie sich derzeit überall, deshalb beschränkt sie ihre Kontakte auf das Notwendigste. Grundsätzlich sieht sie die Entscheidung, ob Parlamentarier früher geimpft werden sollen, beim Ethikrat. "Niemand soll für sich selbst entscheiden müssen, dafür braucht es saubere Vorgaben."

Jan Schiffers (Bamberg)

Der AfD-Abgeordnete aus Bamberg, Jan Schiffers (44), ist skeptisch, wenn es um die Corona-Impfung geht.

Der AfD-Abgeordnete aus Bamberg, Jan Schiffers (44), ist skeptisch, wenn es um die Corona-Impfung geht. © privat

Der 44-jährige AfD-Abgeordnete aus Oberfranken, Jan Schiffers, ist bei der Corona-Impfung generell skeptisch. "Ich persönlich habe es nicht eilig, mich impfen zu lassen." Dass Politiker vorgezogen werden sollen, sieht er kritisch: "Das ist der Bevölkerung nur schwer zu vermitteln." Er sieht bei anderen Berufsgruppen, mit mehr unmittelbaren Kontakten, einen höheren Impfbedarf. Die Arbeit im Landtag habe sich unter Corona-Bedingungen mittlerweile eingespielt. Und sollte die Impfung für Abgeordnete früher kommen: "Dann kann meine Impfdosis vorerst gerne jemand anderes haben."

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