Psychologe: Umgang mit Andrea Nahles typisch für SPD

4.6.2019, 05:06 Uhr
Kaum Rückhalt, ein rauer Ton: Den Umgang mit der zurückgetretenen SPD-Vorsitzenden Andreas Nahles empfindet Psychologe Stephan Grünewald als typisch für die Partei.

© TOBIAS SCHWARZ, AFP Kaum Rückhalt, ein rauer Ton: Den Umgang mit der zurückgetretenen SPD-Vorsitzenden Andreas Nahles empfindet Psychologe Stephan Grünewald als typisch für die Partei.

"Das hängt damit zusammen, dass die SPD immer eine Brüdergemeinschaft war, die der Solidarität verpflichtet war", sagte der Autor des Buchs "Wie tickt Deutschland?" der Deutschen Presse-Agentur in Köln. Derjenige, der Erster unter Gleichen sei, durchbreche die Gleichheit der Brüder. "Und dem begegnet man tendenziell mit Argwohn. Man braucht dann schon Vaterfiguren wie Willy Brandt oder Helmut Schmidt, die von der Brüdergemeinschaft akzeptiert werden - jedenfalls solange sie im Zenit ihrer Macht stehen."

Dagegen sei die CDU eine Unternehmerpartei mit patriarchischen Zügen. "Sie folgt dem Führerprinzip. Die SPD hat dagegen das Solidar- oder Brüderprinzip gesetzt. Sobald ein Oberbruder oder eine Oberschwester Schwächen zeigt, scharren die anderen mit den Füßen."


Kommentar: Nahles ist weg - doch allein damit hat die SPD nichts geklärt.


Vor zwei Jahren habe die Partei mit Martin Schulz, Sigmar Gabriel und Hannelore Kraft noch über Persönlichkeiten mit einer gewissen Strahlkraft verfügt, doch mittlerweile seien sie alle in der Versenkung verschwunden. Durch die vielen Führungswechsel befinde sich die SPD mittlerweile in einem Dilemma, das ihn an die russischen Matrjoschka-Puppen erinnere: "Sie köpfen immer eine Führungsfigur und ziehen dann eine kleinere hervor. Das geht jetzt schon seit 20 Jahren, und jetzt sind wir bei Andrea Nahles angekommen. Diesen Selbstschrumpfungsprozess gilt es aufzuhalten."

Die endlosen Personaldebatten bewahrten die SPD bisher vor einem schmerzhaften, aber dringend notwendigen Prozess der Aufarbeitung. "Solange sich die Partei mit sich selbst beschäftigt, hat sie den Blick nach innen gerichtet und muss sich nicht mit der Kränkung auseinandersetzen, dass nur noch von 15 Prozent der Wähler mit ihr etwas anfangen können. Hier wären Trauerarbeit und eine inhaltliche Neuausrichtung wichtig."

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