Kostenpflichtige Schnelltests

Rotes Kreuz kritisiert neue Corona-Testverordnung scharf: "So können die Testzentren nicht arbeiten"

1.7.2022, 05:52 Uhr
Derzeit befinden sich die Testzentren - was das Testaufkommen angeht - in einem Allzeittief. Dies könnte sich in den kommenden Monaten ändern. 

© Sven Hoppe, dpa Derzeit befinden sich die Testzentren - was das Testaufkommen angeht - in einem Allzeittief. Dies könnte sich in den kommenden Monaten ändern. 

Die am 29. Juni veröffentliche dritte Verordnung zur Änderung der Coronavirus-Testverordnung stellt auch das Bayerische Rote Kreuz vor gewisse Probleme und Sorgen, wie Pressesprecher Sohrab Taheri-Sohi im Gespräch mit nordbayern.de mitteilte.

Schon jetzt berichten viele Medien über eine mögliche Corona-Herbstwelle, die zu einem erneuten Anstieg der Infektionszahlen führen könnte. Hier sieht Taheri-Sohi das erste Problem - denn damit würde auch das Testaufkommen steigen. Mit der neuen Testverordnung ist das schwer vereinbar. Die Gründe sind vielfältig.

Derzeit befinden sich die Testzentren - was das Testaufkommen angeht - in einem Allzeittief. Dies könnte sich in den kommenden Monaten ändern. Nun müssen jedoch viele Menschen den Test selber zahlen - was durchaus ein Grund sein kann, auf diesen zu verzichten. "Es ist infektiologisch brandgefährlich, den Menschen weniger Gründe zu geben, sich testen zu lassen", sagt Taheri-Sohi. Die Verordnung sollte einen Anreiz schaffen, zum Testzentrum zu gehen. Sie sei derzeit jedoch keine "Testverordnung", sondern mehr eine "Testverhinderungsverordnung".

Der bürokratische Aufwand: eine "Zumutung"

Wer einen Schnelltest in Anspruch nehmen will, muss einen Testgrund vorweisen: Möchte man an einer Veranstaltung im Innenraum teilnehmen, darf man sich für 3 Euro testen lassen. "Doch was ist ein Innenraum?”, fragt sich Taheri-Sohi. Zählt der Arbeitsplatz - oder ein Besuch im McDonalds dazu? Und wie kann nachgewiesen werden, dass diese Veranstaltung wirklich stattfindet? Bei einem Konzert kann meist ein Ticket vorgelegt werden - bei einem privaten Treffen oder einem Ausflug in eine Kneipe jedoch nicht.

Doch nicht nur die Testgründe sind es, die das Bayerische Rote Kreuz kritisiert. Der bürokratische Aufwand, der nun auf die Beteiligten zukommt, ist immens: Möchte eine Person jemanden im Pflegeheim besuchen, so muss das Heim zunächst einen Schein ausstellen. Damit soll nachgewiesen werden, dass diese berechtigt ist, einen Test in Anspruch zu nehmen. Möchte man einen Tests mit Eigenbeteiligung durchführen lassen, so kommt außerdem die Selbstauskunft ins Spiel.

Die Selbstauskunft öffnet die Tür zum Betrug

Das Bayerische Rote Kreuz musste in der Nacht von Mittwoch auf Donnerstag die gesamte Software umbauen, damit die Verordnung am nächsten Tag umgesetzt werden konnte. Die Lösung: Die Person muss aktiv bestätigen, dass ihre Aussage, dass ein Grund für einen Test vorliegt, der Wahrheit entspricht. Erfolgt die Bestätigung nicht, kann das Formular nicht abgeschlossen werden. Ob diese Aussage dann wirklich stimmt, muss durch Vorlage eines Nachweises im Testzentrum geprüft werden.

"Wir können die Testgründe nicht nachvollziehen"

Auch Personen, die einen über 60-Jährigen oder eine vulnerable Person treffen wollen und hierbei ein Mehr an Sicherheit durch einen Schnelltest herbeiführen möchten, müssen 3 Euro zahlen. Der Preis könnte dazu führen, dass die Menschen abwägen: Soll ich die 3 Euro zahlen - oder das Risiko eingehen? Es handelt sich demnach schnell um eine "soziale Frage, ob man den Infektionsschutz und das Unterbrechen von Infektionsletten leisten kann", sagt der Pressesprecher.

Sogar eine rote Corona-Warnapp führt nicht dazu, dass der Test kostenlos zur Verfügung gestellt wird. Taheri-Sohi hat eine klare Meinung: "Wir können die Testgründe nicht nachvollziehen." Positiv sei allerdings, dass pflegende Angehörige berücksichtigt werden.

Was ist mit Personen, die keinen Grund aufweisen können?

Für diejenigen, die diese Verordnung nicht berücksichtigt, gibt es zwei Möglichkeiten: Es wird kein Test durchgeführt und das Risiko einer Corona-Infektion eingegangen - oder es wird außerhalb der Verordnung getestet. Denn Menschen können viele Gründe haben, sich dennoch abzusichern: Sei es aus Vorsicht, Umsicht - oder sogar Angst, erklärt Taheri-Sohi. Dann müssen Testzentren aus "Eigeninitiative" testen, was nur durch einen noch höheren Preis möglich ist, um Personal- und Materialkosten decken zu können. Die Kosten würden dann bei etwa 15 bis 20 Euro pro Schnelltest liegen. Wer viel unterwegs ist, muss da schnell tief in den Geldbeutel greifen.

Weiterer Kritikpunkt sind die neuen Vergütungen, die für alle Betreiber von Testzentren reduziert wurden - sowohl für Material- als auch Personalkosten. "Vorher waren es etwa 3 Euro, nun lediglich 2,50 Euro für das Material." Dabei liege der Preis für einen hochwertigen Schnelltest bei knapp unter 2 Euro. Wenn insgesamt nur 2,50 Euro zur Verfügung stehen, müssen Hilfsorganisationen einen gewissen Betrag draufzahlen, um einen qualitativ hochwertigen Test, Handschuhe, Desinfektionsmittel und weitere Schutzausrüstungen finanzieren zu können. Dies funktioniere zwar eine gewisse Zeit - die Frage sei nur wie lange. Irgendwann "fällt Qualität notwendiger Kostendeckung zum Opfer", bedauert Taheri-Sohi.

"So können die Testzentren nicht arbeiten"

"So können die Testzentren nicht arbeiten", sagt er und formuliert deswegen eine kurzfristige Überbrückungslösung: Der Freistaat Bayern könnte gemäß der Testverordnung die Kosten übernehmen - zumindest eine begrenzte Zeit lang - um die Bevölkerung aufklären und der Verwirrung entgegenwirken zu können. Zudem müsse die Bundesregierung die Verordnung nachbessern - um die Testzentren zu entlasten und mit einer möglicherweise bald auf uns zukommenden Herbstwelle zurechtzukommen.

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