Stimmenfang um jeden Preis: Die CSU gerät in Panik

15.6.2018, 08:46 Uhr
Stimmenfang um jeden Preis: Die CSU gerät in Panik

© dpa/ Kay Nietfeld

Frage: Warum spitzt sich der Streit zwischen der CSU und der CDU, zwischen Horst Seehofer und Markus Söder auf der einen und Angela Merkel auf der anderen Seite, derart zu? Warum kann daran die Große Koalition scheitern?

Antwort: Weil in vier Monaten Landtagswahl in Bayern ist. Und die CSU in den Umfragen nicht zulegt, im Gegensatz zur AfD, der sie Stimmen abjagen will.

Daher setzt die CSU auf einen vorzeigbaren Erfolg beim Thema Asyl. Sie heizt dabei verbal jenes Gefühl vieler Bürger an, wonach endlich etwas geschehen müsse: Von einer "historischen Situation" spricht Alexander Dobrindt, vom "Endspiel um die Glaubwürdigkeit" Söder. Die Skandale beim Bamf, der Mordfall Susanna - solche Nachrichten verstärken diese Stimmung. Deshalb wollte Seehofer diese Woche seinen Masterplan Asyl präsentieren, mit 63 Punkten. Nun wird ein einziger davon zur Zerreißprobe für die Koalition: Sollen bereits in einem anderen EU-Land erfasste Asylbewerber an der deutschen Grenze abgewiesen werden?

Ein Plan mit gewaltigen Problemen

Eine rechtlich wie politisch umstrittene Frage. Auf den ersten Blick klingt die CSU-Forderung richtig; schließlich ist jenes Land für einen Asylantrag zuständig, in dem er zuerst gestellt wurde. In der Praxis ergäben sich gewaltige Probleme: Bayern, das jetzt schon Migranten an der Grenze zurückweist, müsste alle seine rund 70 Übergänge komplett kontrollieren - mit der Folge extremer Wartezeiten.

Die Prüfung wäre aufwendig; eigentlich sollte sie in einem anderen Projekt Seehofers stattfinden, in den "Ankerzentren". Die aber kommen nicht voran, weil sich gegen die Zusammenballung von Flüchtlingen berechtigter Protest regt. Auch daher wohl schwenkte die CSU um zu ihrer Forderung der Abweisung an der Grenze.

Warum wehrt sich die Kanzlerin so vehement dagegen? Weil sie bei weiterem Einlenken massiv beschädigt würde. Sie müsste indirekt einräumen, dass ihre Grenzöffnung von 2015 ein Fehler war. Und dass die europäische Lösung, die sie seit Jahren ohne Ergebnis anpeilt, wohl endgültig zur Illusion wird - denn viele Flüchtlinge, die abzuweisen wären, würden in den am stärksten von Zuwanderung betroffenen Staaten landen, in Italien oder Griechenland; ein Spaltpilz für die EU.

"Achse"? Bitte nicht!

Eine "Achse der Willigen" wolle er bauen, sagte Österreichs Kanzler Kurz, als er Seehofer besuchte. "Willig" heißt für beide: möglichst viel Flüchtlingsabwehr. Sie beziehen die neue italienische Regierung mit dem Rechtspopulisten und EU-Gegner Salvini als Innenminister in diese "Achse" mit ein (die übrigens Erinnerungen an eine grauenhafte "Achse" zwischen Berlin und Rom weckt). Da zeigt sich erneut: Im Zweifel setzt die CSU auf fragwürdige Partner wie Orban in Ungarn oder nun Salvini in Italien.

Ohne jede Not (außer dem Wahltermin in Bayern) bauen Söder und Seehofer Zeitdruck auf. Die Asylzahlen steigen nicht; die CSU könnte auch mal darauf verweisen, dass Bayern in Sachen Integration mehr geschafft hat als andere - sie setzt aber allein auf Ängste.

Wenn Seehofer am Montag, gestützt durch den CSU-Vorstand, die Abweisung an den Grenzen anordnet - was dann? Merkel müsste ihn aus dem Kabinett schmeißen, weil er sich der Disziplin widersetzt. Oder sie wirft, schwer beschädigt, hin - was viele in der CSU gar nicht so insgeheim anstreben. Und dann? Neuwahlen? Die Lage wäre auf jeden Fall heikel, das Land vorerst unregierbar.

Aber die Republik hat durchaus andere Sorgen als allein das Thema Flucht, auf das sich die CSU in ihrer Panik fixiert. Sie wird es jedoch auch mit einem weiteren Stück Symbolpolitik - nichts anderes ist ihr Vorhaben -kaum lösen. Und wer profitiert vom Chaos, das sie mutwillig anrichtet? Die Partei, der die CSU Stimmen wegnehmen will.

Wie stehen Sie zur Forderung von Innenminister Horst Seehofer, bereits in Europa erfasste Flüchtlinge an der deutschen Grenze abzuweisen? 

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