Tausende gegen Coronapolitik: Protest in München blieb friedlich

12.9.2020, 20:05 Uhr
An Abstand und Mundschutz musste die Polizei immer wieder erinnern.

© Thomas Vonier / Imago images An Abstand und Mundschutz musste die Polizei immer wieder erinnern.

Erst in den frühen Morgenstunden stand alles fest, doch es dauerte, bis alle das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs verstanden hatten. Der genehmigte zunächst einen Demonstrationszug, den die Stadt verboten hatte. Und verfügte dann, dass die Hauptkundgebung zwar nicht wie geplant auf dem Odeonsplatz stattfinden durfte. Wohl aber auf der Münchner Theresienwiese. Und dort ohne Obergrenze.

Das tun die Demonstranten dann auch. Mindestens 10.000 folgen nach Polizeiangaben dem Aufruf und pilgern auf das riesige Areal, das ohne Corona längst von den Schaustellern und Bierzeltbetreibern für das Oktoberfest mit Beschlag belegt worden wäre. Doch die Auflagen sind deutlich: Mindestabstand 1,50 Meter. Und Maskenpflicht für alle. So hatte es das Kabinett diese Woche beschlossen: Bei Demonstrationen mit mehr als 200 Teilnehmern müssen alle Mund und Nase bedecken, auch im Freien.

Auf einem Areal wie der Theresienwiese mit ihren gut 400.000 Quadratmetern sollte das eigentlich kein Problem sein. Doch es ist eines. Die Polizei ermahnt die Veranstalter immer wieder; die rufen per Lautsprecher immer wieder dazu auf, dass die Menschen auseinander gehen. Zur Maskenpflicht allerdings sagen sie nichts. Das übernimmt dann die Polizei mit ihren Lautsprecherwagen.

Absurde Situation

Es ist natürlich für die Teilnehmer auch eine kuriose Situation. "Ich demonstriere doch nicht gegen die Maskenpflicht und trage dann eine", empört sich ein Demonstrant im Chatraum der Veranstalter "Querdenken 089". Die Polizei macht, was sie immer macht: Sie unterbricht die Veranstaltung und macht de Organisatoren klar, dass sie ihnen das Mikrofon abschalten, sollten sie die Auflagen nicht einhalten. Was schwierig wird, weil die unten das nicht einsehen, was die oben gegen ihre eigene Überzeugung anordnen.

Dabei ist allen klar, wie das laufen wird, sollten die Auflagen nicht eingehalten werden. Als sich der Demonstrationszug mit höchstrichterlicher Genehmigung vom Odeonsplatz auf den Weg machte durch die Münchner Innenstadt zur Theresienwiese, stoppte die Polizei ihn nach wenigen hundert Metern in der prallen Sonne. Statt der genehmigten 500 waren laut Polizei mindestens 3000 Menschen aufmarschiert. Einen Mund-Nasen-Schutz trugen die wenigsten. Knapp zwei Stunden schmorten die Demonstranten in der Sonne. Die Auflagen ignorierten sie trotzdem. Am Ende zog der Veranstalter selbst die Notbremse und erklärte den Demonstrationszug für beendet.

Auf der Theresienwiese sammelt sich derweil die Polizei. Rund 1400 Kräfte hat sie in München zusammengezogen; Bilder wie die aus Berlin mit dem Sturm auf die Reichstagstreppe sollen sich hier nicht wiederholen. Ein Großaufgebot sichert den Landtag, die Feldherrnhalle, die Staatskanzlei und andere Orte, die entweder historisch sensibel oder als demokratisches Symbol wichtig sind.

Die Zahl zählt

So oder so haben die Veranstalter auf der Theresienwiese ihr Ziel erreicht. Bei den vergangenen Demonstrationen hatte die Stadt noch ihre Auflagen durchgesetzt; mehr als tausend durften sich auf dem Gelände nicht versammeln. Jetzt sind 10.000 da. Und das sei weit entscheidender als das, was sich auf der Bühne tut, sagen die Vranstalter selbst. Oder, wie Michael Ballweg sagt, der Kopf hinter Querdenken 0711, er habe sich die Reden auf den Demos auch nie angehört und tue das immer noch nur sporadisch.

Die unten hören ihm trotzdem zu. Als er fordert, die Immunität von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn müsse aufgehoben werden, damit er für seine Pandemie-Politik zur Rechenschaft gezogen werden könne, jubeln alle. Sie sind überzeugt davon, dass das Virus harmlos sei, wenn es denn überhaupt existiere. Sie protestieren gegen Zwangstest, Zwangsimpfungen, gegen den schnellen Mobilfunkstandard G5 und gegen die Politik ganz allgemein. Sie sehen eine Diktatur am Horizont, eine Weltverschwörung, wobei nicht klar ist, wer daran ein Interesse haben sollte.

"Corona bringt zusammen, was Abstand halten muss", singt eine Rednerin ihre Rede. Das hat Eine durchaus doppelte Bedeutung. Die Bilder zuletzt aus Berlin mit Corona-Gegnern, Reichsbürgern und Rechtsextremisten Seite an Seite sind um die Welt gegangen. In München bleiben sie aus. Wenn denn Rechte mitmarschieren und mitdemonstrieren, geben sie sich nicht zu erkennen. Keine Reichs- und keine Reichskriegsflagge ist zu sehen. Und so bleibt alles friedlich, auch im Protest.

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