Absolutes Unverständnis

Umweltaktivisten fällen Baum vor Kanzleramt: Warum macht Ihr es Euren Gegnern so leicht?

Christian Urban

Redakteur - nordbayern.de

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23.2.2023, 11:21 Uhr
Klimaschutz-Demonstranten stehen an einem gefällten Baum am Bundeskanzleramt.

© Julius-Christian Schreiner/TNN/dpa Klimaschutz-Demonstranten stehen an einem gefällten Baum am Bundeskanzleramt.

Wenn Sie sich in den sozialen Netzwerken bewegen und dort ab und zu über Postings zur Umweltaktivistin Greta Thunberg stolpern, haben Sie in den Kommentarspalten bestimmt schon einmal dieses Bild gesehen: Die Schwedin sitzt lächelnd in einem Zug und bereitet sich eine Scheibe Brot zu - und diese Scheibe Brot kommt aus einer Plastiktüte, die vor ihr auf dem Tisch liegt. Aus einer Plastiktüte! Verwendet wird dieses Bild stets als Beweis vermeintlicher Doppelmoral und zur Diskreditierung sämtlicher von Thunbergs Bemühungen, die Erde zu retten.

Gepostet wird es meist von den Menschen, die, wann immer Thunberg irgendwo auf dem Planeten auftritt, grundsätzlich fragen, wie sie denn dorthin gekommen ist - und wenn sie mit dem Zug unterwegs war, folgt stets die Frage, ob der Zug denn mit Ökostrom betrieben wurde. Kurz gesagt: Das Bild wird instrumentalisiert von einer Menschengruppe, der absolut kein Pseudo-Argument zu dämlich ist, um es gegen Umweltbewegungen zu verwenden.

Wären es "nur" Facebook-Trolle, die so agieren, wäre das vielleicht noch irgendwie zu verschmerzen. Dummerweise sieht man solche Versuche, den Kampf für die Rettung der Umwelt zu diskreditieren, auch immer wieder auf den Facebook- und Twitter-Profilen von Politikerinnen und Politikern. Bei Angehörigen der CDU, der CSU, der FDP und von anderen Parteien (die Erwähnung der AfD ist an dieser Stelle ohnehin überflüssig). Also bei den Menschen, die es eigentlich besser wissen sollten und in der Lage wären, die Weichen zu stellen, damit der Planet eine Zukunft hat.

Klimaaktivisten müssen also grundsätzlich so agieren, dass sie ihren (teilweise sehr mächtigen) Kritikern möglichst wenige Steilvorlagen zur Diskreditierung liefern und gleichzeitig auch noch die schweigende, gleichgültige Masse von der Wichtigkeit ihres Anliegens überzeugen, ohne sie zu verprellen. Sie müssen quasi das Unmögliche schaffen, denn wie gesagt: Ihren Gegnern ist kein "Argument" zu billig.

Umso peinlicher - und ausgesprochen kontraproduktiv - ist es dann, wenn beispielsweise Aktivisten in den Urlaub fliegen, denn sie liefern damit den "Doppelmoral"-Schreiern natürlich die perfekte Steilvorlage auf dem Silbertablett. Den Vogel abgeschossen hat nun aber die "Letzte Generation" in Berlin: Am Dienstagmorgen hatten Klimaaktivisten der Gruppierung einen kleineren Baum vor dem Kanzleramt in Berlin gefällt und auf Twitter dazu erklärt: "Wirtschaft & Politik sägen an den Ästen, auf denen die Zivilisation sitzt. Wir machen diese Zerstörung mitten in Berlin sichtbar."

Im Kern ist die Botschaft natürlich richtig: Politik und Wirtschaft haben den Planeten aus Kurzsichtigkeit und Gier an den Rand des Abgrunds gebracht - und es muss leider bezweifelt werden, dass der Groschen bei den Entscheidern dieser Welt noch rechtzeitig fällt, um zumindest das Ausmaß des Klimawandels zu begrenzen, bevor große Teile der Welt in den nächsten Jahrzehnten Stück für Stück unbewohnbar werden.

Dass sich Menschen als Protest gegen diese Entwicklung auf Straßen kleben, ergibt ja noch Sinn, denn das Auto leistet durch seinen CO2-Ausstoß einen nicht zu vernachlässigenden Beitrag zum Klimawandel. Wenn Gemälde mit Kartoffelbrei beworfen werden (selbst wenn sich diese hinter Glas befinden und dadurch der Schaden rein symbolischer Natur ist), reagieren aber die meisten Menschen nachvollziehbarerweise schon mit Unverständnis und Ablehnung.

Die Fällung des Baumes allerdings hatte in Medien und Öffentlichkeit ein Echo zur Folge, das mit "verheerend" nur unzureichend beschrieben wäre. Die "Letzte Generation" hat damit ihren Kritikern nicht nur ein unschätzbares Geschenk gemacht und ihrem Anliegen enormen Schaden zugefügt (ein beispielhaftes Zitat: "Gegen den Klimawandel kämpfen und dann Bäume zerstören. Genau mein Humor!"), sondern es stellt sich auch die Frage nach der nächsten Eskalationsstufe. Wie wäre es, um kurz ein bisschen in Polemik zu verfallen, mit der öffentlichkeitswirksamen Tötung eines niedlichen Katzenbabys als Symbol für die drohende Vernichtung von Leben auf diesem sich immer weiter erhitzenden Planeten?

Um das direkt klarzustellen: Der Kampf gegen den menschengemachten Klimawandel ist von elementarer Bedeutung und die mit Sicherheit größte Herausforderung, der sich die Menschheit jemals stellen müssen wird. Dieser Kampf funktioniert jedoch nur, wenn genügend Menschen mobilisiert werden und ein globales Umdenken stattfindet. Durch die symbolhaften Fällung eines Baumes - also der demonstrativen Zerstörung von etwas, das die Menschheit dringend braucht, um die Folgen ihrer jahrzehntelangen Ignoranz noch einigermaßen einzudämmen - erreicht man allerdings das exakte Gegenteil.

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