Vor der Wahl

Wahlkampf in München: Der Frust sitzt tief und muss raus

24.9.2021, 14:04 Uhr
Freunde werden Armin Laschet (hinten) und Markus Söder nicht mehr.

© Michael Matejka, NNZ Freunde werden Armin Laschet (hinten) und Markus Söder nicht mehr.

Es war ein Satz, den vermutlich nicht einmal Markus Söder sich selbst geglaubt hat. "Armin Laschet wird Kanzlerkandidat. Wir werden ihn ohne Groll und mit voller Kraft unterstützen." Fünf Monate und fünf Tage ist das jetzt her. Es war das Ende des Machtkampfes um die Kandidatur, eines Machtkampfes, den in dieser Härte niemand erwartet hatte, nicht einmal die, die Söder eigentlich gut kennen.

Wann genau bei ihm die Überlegungen eine andere Richtung genommen haben, ist offen. Wann Söder wegkam von der rein taktischen Kandidatur, die den Preis für einen Verzicht nach oben treiben sollte, und hin zu der Überzeugung, dass er Laschet besiegen werde. Niemand weiß das wirklich, vielleicht nicht einmal er selbst. In der CSU erzählen sie, es sei ein Prozess gewesen. Die zahllosen Rückmeldungen von der Basis der CDU hätten ihren Teil beigetragen, heißt es, auf die auch Söder gerne verweist. Sicher ist allerdings, dass Söder wohl von Anfang an geglaubt hat, er wäre der bessere Kandidat mit der besseren Strategie. Und daran glaubt er bis heute.

Söder als Zugpferd

Volle Kraft ist ein relativer Begriff. Klar, in der CSU hängen sie auch die Laschet-Plakate auf. Besonders findige Ortsvereine kleben sie auf die Rückseite der Söder-Poster und biegen sie so um die Laternenmasten, dass von Laschet allenfalls wenig zu sehen ist. Der Nordrhein-Westfale scheint in Bayern kaum auf. Die CSU setzt ganz auf Markus Söder als ihr Zugpferd. Bei jeder Gelegenheit betonen Söder, sein Generalsekretär Markus Blume und alle anderen, dass die CSU "zumindest in Bayern" mit ihm ein weit besseres Ergebnis hätte holen können. Da schwingt schon mit, dass die CSU die Wahl faktisch abgeschrieben hat und bereits an der Legende webt, dass nicht Söder, sondern ausschließlich Laschet die Schuld daran trägt.

Hinter den Kulissen allerdings erzählen sie eine andere Geschichte. Söder, sagen sie dort, überschätze sich und seine Erfolgsaussichten. Die Medien hätten ihn ganz anders herangenommen, wäre er Kandidat gewesen. So etwas wie die Auseinandersetzung um das Deutsche Museum in Nürnberg wäre keine regionale Story geblieben, sondern bundesweit als Beleg herangezogen worden für die bayerische Vetternwirtschaft im Allgemeinen und die Söders im Speziellen.

Schmutzeleien

Zumal sie in der CDU nicht vergessen haben, was einst Horst Seehofer über Söder so gesagt hat, als er dessen "charakterliche Schwächen" hervorhob, seinen "Hang zu Schmutzeleien" und seinen Ehrgeiz, der ihn zerfresse. Wie er seit April mit Armin Laschet umgeht, dient nicht wenigen als Beleg dafür, dass Seehofer schon gewusst habe, wovon er sprach.

Seitdem mahnt Söder, der Weg ins Kanzleramt führe nicht über den Schlafwagen. Wer ihn fragt, ob Laschet Kanzler werde, der bekommt als Antwort ein langes Zögern und dann ein wenig glaubhaftes "Klar". Die ganze CSU atmet in diesem Wahlkampf ihre Zweifel am gemeinsamen Kandidaten. Volle Kraft sieht anders aus. Dabei ist der Glaube an Söders Chancen durchaus unterschiedlich ausgeprägt. "Er wäre der bessere Kandidat gewesen", sagt ein Spitzenmann. "Und Laschet der bessere Kanzler."

Söder in Berlin

Anders als der Nürnberger sei der Aachener ein Teamplayer, einer, der sich der Sache unterordnen könne. "Söder ist ein Alleingänger. Das geht vielleicht in München. In Berlin aber sicher nicht." Die ihn kennen, sind allerdings davon überzeugt, "dass er sich neu erfinden kann. Das hat er schon öfter getan". Nur in der CDU habe der Glaube daran gefehlt. Dort beobachten sie jetzt mit einer gewissen Sorge, dass der CSU-Chef am Wahl-Sonntag nach Berlin reisen wird, weil sie nicht genau abschätzen können, was er dort vorhat. Manche vermuten, dass er sich im Fall einer Niederlage noch am Wahlabend von Armin Laschet endgültig absetzen will. Keine schöne Aussicht für die CDU und ihren Kandidaten.

Der Letzte, der in der Wahlnacht nach Berlin gereist war, war Edmund Stoiber vor knapp 20 Jahren. Doch da war Stoiber der Kanzlerkandidat der Union. Söder ist das nicht. Es grollt in ihm, seit sechs Monaten schon. Und wie das so ist, wenn der Berg grollt und die Erde bebt, dann steht der Vulkanausbruch kurz bevor.

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