Wahlrecht: Dieser Nürnberger will Deutschland verklagen

9.12.2019, 05:37 Uhr
Sollten Jugendliche in Deutschland wahlberechtigt sein? Darüber tobt seit Jahren ein Streit.

© Peter Endig/dpa Sollten Jugendliche in Deutschland wahlberechtigt sein? Darüber tobt seit Jahren ein Streit.

"Das geht gar nicht", sagte sich Lukas Küffner  – da war er gerade 17 Jahre alt –, legte sich mit der Bundesrepublik Deutschland an und reichte Klage vor dem Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe ein. Inzwischen ist der Nürnberger Gymnasiast 18 geworden, dürfte also überall mitwählen. Doch die Klage erhält er aufrecht. Unterstützt wird er dabei von zwei Anwälten und dem Verein "Mehr Demokratie e. V.".

Lukas Küffner wird vom Verein "Mehr Demokratie e. V." unterstützt.

Lukas Küffner wird vom Verein "Mehr Demokratie e. V." unterstützt. © Foto: Eduard Weigert

"Schließlich verstößt eine derartige Ungleichbehandlung gegen europäische Grundsätze", ist er überzeugt und spielt damit auf Österreich und Malta an – zwei EU-Staaten, in denen 16-Jährige abstimmen dürfen, und zwar nicht nur auf kommunaler Ebene, sondern auch, wenn es darum geht, Abgeordnete für das Parlament in Straßburg zu wählen.

Strafmündig ja, wahlbefugt nein?

"Mit 16 ist man strafmündig, religionsmündig, zahlt eventuell sogar schon Steuern, wenn man eine Ausbildung hat und eigenes Geld verdient. Und darüber, wie Politiker diese Steuergelder ausgeben, darf man dann nicht mitbestimmen, weil man nicht völljährig ist? Das finde ich unfair", regt sich Küffner auf. Er ist politisch sehr engagiert, will bei der nächsten Kommunalwahl für die Piratenpartei in den Nürnberger Stadtrat einziehen. Doch damit habe sein Vorstoß nichts zu tun, sagt er.

 

Küffner kann nicht nachvollziehen, dass die etablierten Parteien sich stets lauthals beschweren, dass sich die Jugend nicht mehr für Politik interessiere, Heranwachsenden aber gleichzeitig der Gang an die Urnen verwehrt wird, allen voran von Vertretern der Unionsparteien und der FDP. Für den Gymnasiasten ist ganz klar, warum das so ist: "Die haben Angst, was da kommen könnte. Da braucht man sich bloß mal die Ergebnisse der Wahlen an unserer Schule ansehen. CSU oder FDP spielen da kaum eine Rolle, die Grünen sind dagegen am stärksten."


Kommentar: Mit dem Wahlrecht ab 18 Jahren "ist nichts verloren"


Konservative Parteien kämen bei jüngeren Menschen eben generell nicht so gut an, meint er. Das könne man auch bei über 18-Jährigen beobachten, führt Küffner weiter aus: "Bei der letzten Europawahl war die Zahl der CDU-Erstwähler so groß wie die der Satirepartei ,Die Partei‘", sagt er und lacht.

Und außerdem, von wegen passive Jugend: Die "Fridays for Future"- Bewegung habe das politische Interesse vieler Jugendlicher in seinem Umfeld nochmals beflügelt, hat Küffner beobachtet. Obendrein seien Schüler mit 16 oder 17, nicht zuletzt durch Sozialkunde- und Geschichtsunterricht, ohnehin in der Lage, sich ein Gesamtbild vom politischen Geschehen zu verschaffen und ihre Wahlentscheidung dementsprechend kompetent zu treffen, ist er überzeugt. "Der Stoff der neunten und zehnten Klasse war sehr fokussiert auf Europa", erinnert er sich.

Anfälliger für extreme Parteien?

Das häufig vorgebrachte Argument, dass viele Heranwachsende zu unreif zum Wählen sein, weil sie dazu neigten, anfälliger für extremistische Ansichten von links oder von rechts zu sein, lässt er nicht gelten. Erstens sei die Gesellschaft derzeit generell anfällig für extreme politische Ansichten, sagt er mit Blick auf die AfD. Zweitens könne man diese These wieder mit den Ergebnissen von Schülerwahlen widerlegen. An seiner Lehranstalt, dem Johannes-Scharrer-Gymnasium, kam die AfD unter Schülern noch nicht einmal auf zwei Prozent der Stimmen. Zum Vergleich: Bei den letzten Landtagswahlen in Sachsen und Brandenburg holte die Partei vom äußeren rechten Rand bei erwachsenen Wählern 27,5 bzw. 23,5 Prozent.

Ob diese Argumente die Richter in Karlsruhe beeindrucken werden, vermag Küffner nicht zu sagen. Die juristischen Mühlen mahlen langsam, das hat er bereits gelernt. Vor 2020 wird sich nichts mehr tun. Doch er bleibt optimistisch, sagt er – und konzentriert er sich erst mal aufs Abitur.

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