Nach der Bundestagswahl

Was passiert, wenn keine Regierung zustande kommt?

27.9.2021, 15:32 Uhr
Solange es keine neue Regierung gibt, bleibt die vorherige geschäftsführend im Amt.

© INA FASSBENDER, AFP Solange es keine neue Regierung gibt, bleibt die vorherige geschäftsführend im Amt.

Nach der Bundestagswahl vor vier Jahren gab es monatelang Sondierungs- und Koalitionsgespräche - auch damals fragten sich die Bürgerinnen und Bürger was passiert, wenn keine Regierung gebildet werden kann, weil sich die Parteien nicht einigen wollen.

Aber: Es wird immer eine Regierung geben - selbst dann, wenn sich die Parteien nicht auf eine Koalition einigen können, die eine Mehrheit im Bundestag hat. Zwar läuft die Amtszeit von Kanzlerin und Regierung mit dem Zusammentritt des neuen Bundestags gemäß Grundgesetz aus. Doch sie bleiben geschäftsführend im Amt, bis der Bundestag einen neuen Kanzler wählt.

Der Handlungsspielraum einer geschäftsführenden Regierung ist eng, weil sie normalerweise im Bundestag keine Mehrheit mehr hat. Das Land würde deswegen aber nicht gleich ins Chaos stürzen: Schließlich behalten alle bisherigen Gesetze ihre Gültigkeit. Neue Gesetzesvorhaben lägen aber weitgehend auf Eis - was spätestens dann problematisch würde, wenn der Bundeshaushalt verabschiedet werden muss.

Das Grundgesetz schreibt nur vor, dass am 30. Tag nach der Wahl der neue Bundestag zusammenkommen muss. Allerdings sieht es keine Frist vor, bis wann eine Bundesregierung gebildet werden soll.

Nach der Wahl 2017 dauerte es zum Beispiel fast sechs Monate, bis die Große Koalition ihre Arbeit aufnehmen konnte, 2013 drei Monate. Bei früheren Wahlen vergingen laut der Deutschen Presseagentur vom Tag der Bundestagswahl bis zur Wahl einer neuen Regierung zwischen 24 Tagen (1969 und 1983) und 73 Tagen (1976). Die Parteien brauchten diese Zeit, um den Koalitionsvertrag auszuhandeln. Die Regierung kann jedoch auch später gebildet werden.

Keine Mehrheitsfindung? Folgende weitere Szenarien sind denkbar

Wenn keine Koalition zustande kommt, könnte es Neuwahlen geben: Der Politologe Stefan Marschall erklärte in einem Bericht des Nachrichtenmagazins derStandard.de: "Neuwahlen werden wie ein Damoklesschwert über den Verhandlungen hängen. Aber ein weiterer Wahlgang würde nicht bedeuten, dass danach klare Verhältnisse herrschen." Es würden vor allem die Parteien von den Wählern bestraft werden, die es nicht geschafft haben, eine Regierung zu bilden. Demnach würden diejenigen, die eine Alternative zur Regierung darstellen, belohnt werden.


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Für Neuwahlen müsste allerdings der Bundespräsident den Bundestag auflösen. Dies kann er tun, wenn die Wahl eines neuen Kanzlers drei Mal an mangelnden Mehrheiten scheitert oder wenn ein Kanzler im Bundestag die Vertrauensfrage stellt und dafür keine Mehrheit findet.

Die letzte Alternative ist eine Minderheitsregierung. Dieses Szenario gab es in Deutschland bereits, jedoch nur auf Bundesländerebene. Laut Marschall ist eine Minderheitsregierung kaum denkbar: "Das Grundgesetz mag keine Minderheitsregierungen, wir haben auch nicht die politische Kultur dafür." Sie würde zur Instabilität in der deutschen Politik führen.

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