Pro und Contra

Streitfragen zur pflanzlichen Ernährung: Ist Fisch vegetarisch?

Alice Vicentini

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20.7.2022, 08:36 Uhr
Fisch ist eine wichtige Quelle für Omega-3-Fettsäuren.

© via www.imago-images.de Fisch ist eine wichtige Quelle für Omega-3-Fettsäuren.

Vegetarier, Veganer, Flexitarier, Pescetarier, Frutarier: Immer häufiger entscheiden sich Menschen, sich vorwiegend oder rein pflanzlich zu ernähren. Wo die Grenzen zwischen diesen Ernährungsstilen liegen, ist oft nicht so einfach zu erklären. Im Hintergrund stehen große Streitfragen. Dürfen Vegetarier Fisch oder Eier essen?

Was essen Vegetarier? Streitfragen um Eier und Milchprodukte

Grundsätzlich streichen Vegetarier Fleisch in all seinen Formen aus ihrer Ernährung - dadurch wollen sie ein Zeichen gegen das Tierleiden durch die Fleischindustrie setzen. Dazu gehört nicht nur die Schlachtung von Tieren zur Fleischverarbeitung, sondern auch zum Beispiel das sogenannte Kükenschreddern. Dabei werden männliche Küken getötet, deren Aufzucht sich wirtschaftlich nicht lohnt. Trotzdem essen viele Vegetarier weiterhin Speiseeier, obwohl deren Herstellung indirekt zu Tod und Leiden führt. Einige von ihnen begründen das jedoch damit, dass Eier in der Regel unbefruchtet sind und daher keine Lebewesen enthalten.

Auch bei Milch, Joghurt und Käse besteht unter Vegetariern kein allgemeiner Konsens. Auf der einen Seite werden für die Milchgewinnung keine Kühe getötet. Auf der anderen Seite müssen Kühe Kälber bekommen, um Milch produzieren zu können. Die Milch ist aber nicht zur Ernährung des Nachwuchses, sondern zum Verkauf gedacht. Während die männlichen Kälber zum Schlachter kommen, erwartet die meisten weiblichen Kälber das gleiche Leben wie ihre Mütter: Sie werden lebende Milchmaschinen.

Hinzu kommt, dass viele Käsesorten tierisches Lab enthalten. Lab ist ein Enzym, das bei der Herstellung von Käse verwendet wird. Um es zu gewinnen, wurden früher stets Schlachtabfälle von Kälbern genutzt. Mittlerweile gibt es auch Labenzyme aus Schimmelpilzen, das sogenannte mikrobielle Lab. Welche Art Lab zum Einsatz kommt, ist auf der Käseverpackung aber nicht immer ersichtlich.

Beim Vegetarismus unterscheidet man grundlegend zwischen drei Formen des Verzichts:
- Ovo-Vegetarier verzichten neben Fleisch auch auf Milchprodukte, Eier werden verzehrt.
- Lakto-Vegetarier verzichten auf Eier, nicht aber auf Milchprodukte.
- Ovo-Lakto-Vegetarier essen sowohl Milchprodukte als auch Eier.

Ist Fisch vegetarisch?

Pescetarier essen kein Fleisch, Fisch und Meeresfrüchte stehen dagegen aber schon auf dem Speiseplan. Sind sie damit noch Vegetarier oder nicht? Das hängt davon ab, wie man den Vegetarismus definiert. Weit verbreitet ist die Definition, dass Vegetarier keine Nahrungsmittel essen, die von getöteten Tieren stammen. Damit ist auch Fisch tabu. Auch wenn ein Lebensmittelhersteller ein Produkt mit der freiwilligen Kennzeichnung "vegetarisch" versieht, darf es laut Lebensmittelverband Deutschland keinen Fisch und keine Meeresfrüchte enthalten.

Es gibt aber auch Pescetarier, die ihren Ernährungsstil als Unterform des Vegetarismus ansehen. Gestützt wird das auf weiter gefasste Definitionen wie beispielsweise die im Duden. Dort steht, Vegetarismus sei eine "Lehre, die den Genuss ausschließlich oder überwiegend pflanzlicher Kost anstrebt." Demnach wäre Fisch nicht unbedingt verboten.

Pescetarier geben verschiedene Gründe an, warum sie kein Fleisch, aber trotzdem Fisch essen. Einige halten Fisch für eine wichtige Quelle für Omega-3-Fettsäuren. Andere glauben, dass Fische weniger schmerzempfindlich sind als warmblütige Tiere und daher weniger leidensfähig. Diese Ansicht ist jedoch umstritten. Eine Metastudie aus dem Jahr 2019 konnte zeigen, dass auch Fische Schmerzen empfinden – und zwar ganz ähnlich wie Säugetiere.

Vegetarismus ist gut für die Umwelt

Das Essen von Fleisch ist nicht nur im Hinblick auf das Tierwohl problematisch, sondern kann auch gesundheitliche Nachteile haben. Hinzu kommt, dass die Fleischindustrie erhebliche negative Auswirkungen auf Umwelt und Klima hat. Laut der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen ist die industrielle Tierhaltung für etwa 15 Prozent der von den Menschen verursachten Treibhausgasemissionen verantwortlich. Eine Ernährungsform ohne Fleisch ist also erstmal besser für die Umwelt als regelmäßiger Fleischverzehr.

Bei Fischfang und Fischzucht sieht es nicht weniger problematisch aus. Die Überfischung der Meere zerstört Ökosysteme und stellt deshalb eine große Bedrohung der marinen Tierwelt und der Gesundheit der Ozeane. Darüber hinaus leiden durch den Fischfang auch jene Meeresbewohner, die im Netz als Beifang landen - wie Wale, Delfine, Haie oder Schildkröten. Formen wie die Intensivhaltung von Aquakulturen versuchen eine kontrollierte Fischzucht aufzubauen, wodurch sich die überfischten Meere etwas erholen können. Doch auch diese Art der Fischzucht ist problematisch im Hinblick auf die nicht artgerechten Haltungsbedingungen und Krankheiten.

Wer jedoch weiterhin Fisch essen möchte, sollte auf das Bio-Siegel achten, das ökologische Aquakulturbetriebe kennzeichnet. Auch sehr bekannt ist das MSC-Siegel (Marine Stewardship Council). Dieses zertifiziert, dass Wildfische und Meeresfrüchte nachhaltig gefangen wurden.

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