Beruf

Urlaubsanspruch bei Kündigung: Berechnung, Ausnahmen und Auszahlung

Simone Madre

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26.7.2023, 08:33 Uhr
Der Urlaubsanspruch kann je nach Kündigungsart variieren. 

© Firdia Lisnawati/AP/dpa/Archivbild Der Urlaubsanspruch kann je nach Kündigungsart variieren. 

In diesem Artikel:

Ein Arbeitsverhältnis kann aus unterschiedlichen Gründen beendet werden. Die Kündigung kann sowohl seitens des Arbeitnehmers als auch des Arbeitgebers gewünscht sein. In jedem Fall sollten Arbeitnehmer ihren Anspruch auf Resturlaub geltend machen und diesen nicht verfallen lassen, da der Anspruch das Einkommen deutlich aufwerten kann. Zugleich steht einem Arbeitnehmer der Urlaub gesetzlich zu.

Nach einer Kündigung stellen sich viele Arbeitnehmer die Frage, wie viel Resturlaub ihnen noch zur Verfügung steht. Dies ist grundsätzlich abhängig vom Zeitpunkt, an dem das Arbeitsverhältnis endet. Viele Arbeitnehmer wissen nicht, dass sie bei einer Kündigung in der zweiten Jahreshälfte oft Anspruch auf den vollen Jahresurlaub haben. Der Urlaubsanspruch ist im Bundesurlaubsgesetz (BUrlG) geregelt. Daher erfolgt die Berechnung exakt nach den Vorgaben des Gesetzes beziehungsweise des individuellen Arbeitsvertrags. Mehr dazu lesen Sie unten.

In der deutschen Rechtspraxis und Berufswelt existieren unterschiedliche Arten der Kündigung. Grundsätzlich kann das Arbeitsverhältnis sowohl ordentlich als auch außerordentlich gekündigt werden. Doch gibt es dann Unterschiede beim Urlaubsanspruch?

Urlaubsanspruch bei ordentlicher Kündigung

Liegt eine ordentliche Kündigung vor, endet das Arbeitsverhältnis nach Ablauf der vertraglich geregelten Kündigungsfrist. Wenn der Arbeitgeber den zustehenden Urlaub verwehrt, handelt er rechtswidrig. Grundsätzlich gilt, dass der Resturlaub bei einer ordentlichen Kündigung gewährt werden muss.

Urlaubsanspruch bei außerordentlicher Kündigung

Im Falle einer außerordentlichen (fristlosen) Kündigung hat der Arbeitnehmer grundsätzlich ebenfalls Anspruch auf seinen Resturlaub. Da hier das Arbeitsverhältnis bereits beendet wurde, erfolgt meistens eine sogenannte Urlaubsabgeltung, sodass der Arbeitgeber die Urlaubstage ausgezahlt bekommt.

Der Anspruch auf Resturlaub fällt je nach Zeitpunkt der Kündigung im Laufe des Jahres unterschiedlich hoch aus.

Fall 1: Kündigung in der ersten Jahreshälfte

Kündigt ein Arbeitnehmer in der ersten Jahreshälfte, bis zum 30. Juni, richtet sich der Urlaubsanspruch anteilig nach der Dauer, in welcher der Mitarbeiter im Unternehmen angestellt war. Der Arbeitnehmer bekommt ein Zwölftel des Jahresurlaubs für jeden vollen Monat angerechnet. Wenn ein Mitarbeiter zum Beispiel zum 31. Mai kündigt, erhält er bei insgesamt 30 Urlaubstagen noch 12,5 Tage Resturlaub (30 Urlaubstage / 12 Monate x 5 Monate).

Wenn bereits Urlaubstage vom Unternehmen gewährt wurden, werden diese selbstverständlich abgezogen. Bei der Berechnung des verbleibenden Urlaubs werden Bruchteile ab einem halben Tag grundsätzlich aufgerundet. In dem vorliegenden Beispiel ergibt der Anspruch auf Resturlaub somit 13 Tage. Bei Bruchteilen, die unter einem halben Urlaubstag liegen, werden diese vom Arbeitgeber ausbezahlt. Vertragliche Regelungen können davon allerdings abweichen, da den Arbeitgebern und -nehmern Gestaltungsspielraum zusteht.

Fall 2: Kündigung in der zweiten Jahreshälfte

Beendet ein Arbeitnehmer innerhalb der zweiten Jahreshälfte seinen Arbeitsvertrag, steht ihm laut Bundesurlaubsgesetz der volle Jahresurlaub zu, vorausgesetzt das Arbeitsverhältnis besteht seit mindestens Anfang des Jahres. Die gesetzliche Regelung besagt, dass der volle Urlaubsanspruch nach sechsmonatigem Bestehen eines Arbeitsvertrages geltend gemacht werden kann.

Wer 30 Urlaubstage hat und nach mindestens sechsmonatiger Beschäftigung zum 1. Juli aus dem Unternehmen ausscheidet, dem stehen also die vollen 30 Urlaubstage zu. Es gibt allerdings auch eine Klausel im Arbeitsvertrag, die das verhindern kann. Mehr hierzu lesen Sie im nächsten Absatz.

Zudem bedeutet diese Regel nicht, dass man dann doppelt Urlaub bekommt. Man kann nicht den vollen Jahresurlaub beim ersten Arbeitgeber nehmen und beim zweiten Arbeitgeber dann nochmals einen Teil davon. Stattdessen steht einem bei der neuen Stelle kein Urlaubstag mehr zur Verfügung, den man schon beim alten Chef genommen hatte. Im ungünstigsten Fall bedeutet das also: kein Urlaub bis zum Jahresende. Hat man hingegen nur 75 Prozent des Jahresanspruchs im alten Job genommen, bleibt ein Viertel für den neuen Job übrig. Werden dort 30 Urlaubstage pro Jahr geboten, hat man also noch 7,5 zur freien Verfügung.

Deshalb holt der neue Arbeitgeber oft eine Urlaubsbescheinigung ein. Damit ermittelt er dann, wie viel Urlaub schon abgegolten ist und wie viel Ihnen noch zusteht.

Eine sogenannte "pro rata temporis"-Klausel im Arbeitsvertrag beschränkt den vollen Urlaubsanspruch. Wenn der Arbeitsvertrag eine solche Klausel enthält, ist der Arbeitgeber berechtigt, dem Arbeitnehmer den Urlaub anteilig zu beschränken, wenn das Arbeitsverhältnis in einem laufenden Jahr beginnt oder endet.

Diese Regelung betrifft nur Urlaubstage, die über den gesetzlichen Mindesturlaub (20 Tage bei einer 5-Tages-Woche) hinausgehen. Findet diese Klausel im Arbeitsvertrag keine Berücksichtigung, steht dem Arbeitnehmer in der zweiten Jahreshälfte der volle Jahresurlaub zu. Zugleich muss im Einzelfall geprüft werden, ob die "pro rata temporis"-Klausel den gesetzlichen Anforderungen genügt.

Seit 2018 verliert ein Arbeitnehmer seine Ansprüche auf bezahlten Jahresurlaub nicht automatisch, nur weil er keinen Urlaub in Anspruch genommen hat. Der Europäische Gerichtshof hat diesbezüglich klargestellt, dass es in der Verantwortung des Arbeitgebers liegt, den jeweiligen Urlaub seinen Mitarbeitern zu gewähren und diesen andernfalls darauf hinzuweisen.

Der Jahresurlaub darf nur dann verfallen, wenn der Arbeitgeber nachweist, dass er seinen Mitarbeiter in angemessener Form über den Verfall aufgeklärt hat und dieser die Möglichkeit hatte, seine Urlaubstage zu nehmen. Dies bedeutet, dass der Arbeitgeber dazu verpflichtet ist, den betroffenen Arbeitnehmer förmlich aufzufordern, seinen Urlaub zu nehmen. Erst dann erlischt der Urlaubsanspruch, wenn dieser nicht zuvor vom Arbeitnehmer geltend gemacht wurde.

Ein Arbeitnehmer muss seinen Urlaub – wenn möglich – nehmen, solange das Arbeitsverhältnis besteht. Falls der Urlaub nicht mehr genommen werden kann, da das Arbeitsverhältnis nun nicht mehr besteht, kann der Arbeitnehmer die Tage ausbezahlt bekommen. Der Arbeitnehmer bekommt also Geld für die verbliebenen Urlaubstage. Dies wird als sogenannte "Urlaubsabgeltung" bezeichnet.

Die Abgeltung und der genaue Geldwert bemessen sich am durchschnittlichen Brutto-Einkommen der vergangenen 13 Wochen. Dies ist gesetzlich in §11 des Bundesurlaubsgesetzes (BUrIG) geregelt.

Viele Arbeitnehmer stellen sich nach Beendigung eines Arbeitsvertrags die Frage, ob ihr Resturlaub genehmigt wird oder ob ihr Arbeitgeber den Urlaub einfach ausbezahlen kann. Grundsätzlich gilt folgende Regelung, die für eine ordentliche Kündigung relevant ist, bei welcher der Arbeitnehmer noch für eine bestimmte Zeit im Unternehmen verbleibt: Arbeitgeber und Arbeitnehmer dürfen grundsätzlich nicht frei zwischen Urlaub und der Auszahlung wählen. "Geld gegen Erholung" widerspricht dem Grundgedanken des Bundesurlaubsgesetzes. Daher ist es grundsätzlich nicht möglich, sich auf Eigenwunsch den Urlaub auszahlen zu lassen. Wenn der Arbeitsvertrag aufgrund einer Kündigung vorzeitig beendet wird, sind jedoch ausnahmsweise Urlaubstage mit Geld abzugelten.