Bulli mit Elektroantrieb

Der VW ID. Buzz Pro im Fahrbericht

2.6.2023, 15:19 Uhr
Mut zur Farbe: In Zweifarblackierung macht sich der ID. Buzz am besten. Allerdings kostet sie gut 2700 Euro extra.

© Hersteller Mut zur Farbe: In Zweifarblackierung macht sich der ID. Buzz am besten. Allerdings kostet sie gut 2700 Euro extra.

Wie er aussieht

Zugegeben – wir haben mit mehr Aufsehen gerechnet. Vielleicht liegt es daran, dass der ID. Buzz nun schon seit November ausgeliefert wird und der ganz große Neuheitswert bereits verflogen ist, vielleicht auch daran, dass sich nicht jeder leicht damit tut, unverhohlene Bewunderung fürs Auto des anderen zu zeigen. Eher riskiert man verstohlene Blicke, meist aber zucken die Mundwinkel verdächtig nach oben. „Ja schöööön“, ruft immerhin der Nachbar herüber, und als uns ein Fiat Tipo mit italienischem Kennzeichen auf der Brennerautobahn überholt, kriegt sich die fünfköpfige Vollbesetzung vor lauter Daumen-hoch-Begeisterung kaum mehr ein.

Auch wir hätten den Buzz glatt in die Arme genommen und ein bisschen geherzt – wär‘ er nur nicht so groß. Auf 4,71 Metern Länge, knapp zwei Metern Breite und einer parkhauskompatiblen Höhe von 1,95 Metern strahlt der elektrische Bulli so viel liebenswerten Charme aus, dass er unter den kühl-pragmatischen Geschwistern aus der Volkswagen-Familie fast ein bisschen wie ein genetischer Irrläufer wirkt. Man muss ihn einfach mögen, den Buzz, mit seiner fröhlichen Zweifarblackierung und dem Riesenrund des VW-Logos im Gesicht, das gleichsam zu lächeln scheint. Unverkennbar zitiert der Stromer seinen legendären Urgroßvater T1, die Technik aber – und damit wären wir wieder bei den Genen – teilt er sich mit den anderen Abkömmlingen des Modularen Elektro-Baukastens (MEB), bei VW heißen sie alle ID, vom ID.3 über den ID.5 bis hin zum künftigen ID.7.

Wie er eingerichtet ist

In einer Mischung aus hartplastikbestimmtem, pflegeleichtem Pragmatismus und lichter, heller Wohnlichkeit in schönem Bunt – wir steigen ein und fühlen uns wohl. Von Nostalgie keine Spur, von Leder auch nicht, stattdessen werden Recyclingmaterialien wie Seaqual verarbeitet, das aus Meeresplastik und wiederverwerteten PET-Flaschen besteht.

Cockpit: Viel Kunststoff, allerdings aus Rezyklaten und , passend zum Exterieur, wiederum mit viel Farbe.

Cockpit: Viel Kunststoff, allerdings aus Rezyklaten und , passend zum Exterieur, wiederum mit viel Farbe. © Hersteller

Der Passagierbereich atmet die vertrauenerweckende VW-Solidität, die bequemen Vordersitze lassen sich auf Wunsch belüften und mit einer Massagefunktion ausstatten, und das Cockpit wurde (nicht durchweg zum Wohle der Bedienbarkeit) gründlich durchdigitalisiert - mit kleinem, frei stehenden Infodisplay hinterm Lenkrad, einem bis zu zwölf großen Touchscreen, dem optionalen Head-up-Display und leider auch den vielfach bekrittelten unbeleuchteten Slidern für Lautstärke und Temperatur. Das Smartphone lädt induktiv in einem Schacht und nimmt kabellos Verbindung zum mitunter etwas trägen Infotainment auf, dessen Menüstruktur aber nicht überfordert und dessen Sprachassistentin (‚Hey, ID‘) ein recht helles Köpfchen ist. An allen vier Türen finden die Buzz-Insassen zudem USB-Anschlüsse vor.

Gegen Aufpreis lässt sich zwischen die Vordersitze eine verschieb- und herausnehmbare Box pflanzen, die ein 1,4-l-Klappfach, eine Fünfliter-Schublade und ein Ablagefach im oberen Bereich vorhält.

Wie viel Platz er hat

Hier muss sich der ID. Buzz an seinem Cousin aus der Verbrennerwelt, dem VW T7 Multivan, messen lassen. Dessen Länge verfehlt der Elektro-Bulli zwar um knapp 20 Zentimeter, beim üppigen Radstand von fast drei Metern liegen beide aber gleichauf, und deshalb tun sich beim enormen Raumangebot keine Defizite auf. Auch bei der busmäßig erhabenen Sitzposition nicht, die aus hoher Warte einen fabelhaften Überblick über das verschafft, was sich weiter unten auf dem Asphalt tut. Nur wo der Wagen vorne aufhört, lässt sich bestenfalls erahnen, zudem baut sich vor der Windschutzscheibe eine kleine Hutze auf, das Teil wird aber gebraucht, denn es beherbergt die für diverse Assistenzsysteme erforderliche Frontkamera.

Im Rücken haben die beiden Vorderleute eine im Verhältnis 1/3 zu 2/3 geteilte und um 15 Zentimeter längs verschiebbare Rückbank, deren Lehnen sich sowohl in der Neigung verstellen als auch umklappen lassen. Soso, nur Platz für fünf Personen, sagt der befreundete T7-Fan, bevor er an dem Fondmöbel zu nesteln und dann zu nörgeln beginnt: Was denn mit Ausbau sei? Wir zucken bedauernd die Achseln. Geht nämlich nicht, ebensowenig wie das Drehen der Vordersitze.

Funktional: Die Rücksitze lassen sich längs verschieben, ihre Lehnen sind umklappbar. Ausbauen kann man das Fondmobiliar aber nicht.

Funktional: Die Rücksitze lassen sich längs verschieben, ihre Lehnen sind umklappbar. Ausbauen kann man das Fondmobiliar aber nicht. © ule

VW hat uns das damit erklärt, dass im Unterboden des Buzz bereits die Batterie sitzt. Setze man da noch ein aufwendiges Sitzkonstrukt drauf, würde der Bulli zu hoch, um noch in die gängigen Parkhäuser fahren zu können. Außerdem stehe die Sitzheizung einer Entnahme der Fond-Fauteuils im Wege. Allerdings kommt Anfang 2024 eine bis zu siebensitzige Langversion des Buzz auf den Markt, bei der sich die beiden (nicht beheizten) Sitze in Reihe drei dann doch entnehmen lassen.

Der Zustieg in die rückwärtigen Räumlichkeiten erfolgt beim Buzz über beidseitige Schiebetüren (deren Fenster sich leider nicht öffnen lassen), auf Wunsch öffnen und schließen die Portale elektrisch, gleiches gilt für die Heckklappe.

Mit seinem fürstlichen Laderaum (1121 bis 2205 Liter) gehört der Elektro-Bulli zu jenen Raum-Riesen, der Urlaubsfahrten mit gefühlt dem halben Hausstand erlaubt und manche Entscheidung erspart. Der Kaffeevollautomat für die Ferienwohnung oder doch lieber der Gartengrill? Egal – kommt beides mit! Clever aufgeteilt wird der Laderaum durch das optionale Multiflexboard (im Komfort-Paket ‚Plus‘, 1940 Euro), dabei handelt es sich um einen auf Stützen verschraubten Zwischenboden, unter dem zwei praktische Faltboxen Platz finden und auf dem es sich unter Zuhilfenahme einer Matratze auch mal nächtigen lässt.

Multiflexboard: Werden jetzt noch die Rücksitzlehnen flachgelegt, tut sich eine ebene Liege- oder Ladefläche auf.

Multiflexboard: Werden jetzt noch die Rücksitzlehnen flachgelegt, tut sich eine ebene Liege- oder Ladefläche auf. © Hersteller

Bedenken sollte man beim Beladen allerdings, dass der ID. Buzz schon leer 2471 Kilogramm wiegt und dass an Zuladung nicht mehr als 529 Kilogramm erlaubt sind. Immerhin darf der Retro-Stromer noch 1000 Kilogramm auf den Haken nehmen, vielen dürfte die klappbare Anhängevorrichtung (982 Euro) schon deshalb wichtig sein, weil sie das Aufsetzen eines Fahrradträgers gestattet.

Was ihn antreibt

Ein 150 kW/204 PS starker und in die Hinterachse integrierter Elektromotor, der ein Drehmoment von 310 Newtonmetern erbringt. Den benötigten Fahrstrom speichert eine Batterie mit 77 kWh Netto-Energiegehalt ab.

Wie er sich fährt

Zunächst einmal erstaunlich wendig für einen so großen Wagen. Beim Rangieren und in der Stadt beweist der ID. Buzz eine bemerkenswert einfache Manövrierbarkeit, sein Wendekreis beschränkt sich auf 11,1 Meter, das sind beinahe VW-Polo-Verhältnisse. Vor allem aber ist die Fahrt mit dem Elektro-Bulli ein Anti-Stress-Programm; sicher, leise, zudem entspannt und wunderbar komfortabel, die Federung absorbiert kurze wie lange Unebenheiten ebenso sanft wie sauber.

Der elektrische ID. Buzz hat Heckantrieb und leistet 150 kW/204 PS.

Der elektrische ID. Buzz hat Heckantrieb und leistet 150 kW/204 PS. © Hersteller

Das unmittelbar anliegende Drehmoment sorgt dafür, dass es ansatzlos flott vorangeht, die aufgebotenen 204 PS haben uns völlig ausgereicht, ebenso wie die 145 km/h an Höchstgeschwindigkeit – die Maßstäbe verschieben sich in der neuen Welt der Elektromobilität eh, schnelles Reisetempo lässt bekanntlich flugs die Reichweite schwinden. Wichtiger als Highspeed ist daher die Fahrstufe „B“ mit verstärkter Rekuperationsleistung, die vor allem im Stadtverkehr mit seinen häufigen Verzögerungsphasen und auf längeren Bergabstrecken das Kilometer-Konto immer wieder auffüllt.

Wie die übrigen Mitglieder der ID-Familie bemerkt auch der Buzz, wenn der Fahrersitz belegt ist und versetzt sich dann automatisch in Fahrbereitschaft, der Druck auf den Startknopf wird somit obsolet. Und bei entsprechender Investitionsbereitschaft unterstützt ein umfangreiches Aufgebot an Fahrassistenten, vom Travel Assist mit Schwarmdatennutzung, assistiertem Spurwechsel, Abstandstempomat und vorausschauender Geschwindigkeitsregelung bis hin zum Park Assist Plus mit Memory-Funktion fürs automatische Einparken – einmal abgespeichert, lassen sich bestimmte Ein- und Ausparkvorgänge immer wieder abrufen.

Wie weit er kommt

Die Normreichweite von bis zu 425 Kilometern ist eine optimistische Perspektive. 350 bis 370 Kilometer sind aber realistisch, wenn man dem Buzz nicht allzu forsch die Sporen gibt. Die genannten Distanzen klingen zwar nicht nach viel, relativieren sich aber – dazu später mehr – durch die rasche Ladegeschwindigkeit.

Was er verbraucht

Auch das hängt davon ab, wie heftig man auf das drückt, was früher Gaspedal hieß. In der Stadt sind Werte um die 20 kWh/100 km möglich, treibt man den Buzz aber mit Richtgeschwindigkeit 130 über die Autobahn, ist mit einem Strombedarf um die 28 kWh/100 km zu rechnen. Im Schnitt sind wir auf 23,7 kWh gekommen, der neue Bulli ist halt doch ein großer und schwerer Wagen.

Gleichstrom aus der Schnellladestation zapft der Batterie-Bulli mit bis zu 170 kW.

Gleichstrom aus der Schnellladestation zapft der Batterie-Bulli mit bis zu 170 kW. © ule

Wie er lädt

An der Wallbox und an einer sonstigen Wechselstrom-Ladestation mit 11 kW, wer an der Gleichstrom-Schnellladestation andockt, befüllt den Akku mit bis zu 170 kW. Im Idealfall geht es dann binnen einer halben Stunde von fünf auf 80 Prozent Ladestand. Wie bei allen E-Autos wird es danach zäh mit dem Ladetempo, auf der Langstrecke empfiehlt es sich daher, einen Stopp mehr einzulegen und nur aufs genannte Level nachzuladen, das aber umso schneller.

An dieser Stelle sei auch auf die Laderoutenplanung des Navis hinzuweisen, das bei Fahrten, die mit gegebenem Akkufüllstand nicht zu schaffen sind, Ladestopps vorschlägt und dabei auch gleich Angaben zur voraussichtlichen Ladedauer und dem sinnvollerweise zu erreichenden Batterieladestand macht. Das System denkt während der Fahrt mit und aktualisiert seine Empfehlungen, beispielsweise, wenn der Verbrauch höher oder niedriger als erwartet liegt. Außerdem gibt es verschiedene Filter, mit deren Hilfe man sich etwa nur Schnelllader oder einen bestimmten Anbieter (Ionity) anzeigen lassen kann.

Dank der Software 3.2 ist der ID. Buzz für die Ladefunktion „Plug & Charge“ gerüstet, über die sich das Fahrzeug an der Ladestation automatisch, also ohne RFID-Karte oder App, authentifiziert. Auch auf bidirektionales Laden, zur Abgabe von Strom mithin, wurde der E-Bulli vorbereitet.

Was er bietet

Serienmäßig unter anderem Schiebetüren beidseitig, Leichtmetallräder, Ambientebeleuchtung, Zweizonen-Klimaautomatik, elektrisch einstell-, anklapp- und beheizbare Außenspiegel, Spurhalteassistent, Tempomat, Verkehrszeichenerkennung sowie Multimediasystem mit Zehn-Zoll-Touchscreen.

Der ID. Buzz ist beidseitig mit Schiebetüren ausgestattetet, gegen Aufpreis öffnen und schließen sie elektrisch.

Der ID. Buzz ist beidseitig mit Schiebetüren ausgestattetet, gegen Aufpreis öffnen und schließen sie elektrisch. © Hersteller

Dabei wird es kaum ein Kunde belassen. Die schicke Zweifarblackierung kostet gut 2700 Euro extra, das Assistenzpaket „Plus“ mit Umgebungsansicht, Rückfahrkamera, Travel Assist sowie Parkassistent mit Memory-Funktion kommt auf 2445 Euro, für das Infotainment-Paket „Plus“ mit Navi, 12-Zoll-Infotainment und Sprachbedienung werden 1564 Euro fällig, für das Komfortpaket „Plus (entnehmbare Mittelkonsole, Multiflexboard, Sitzheizung) 1940 Euro.

Was er kostet

Wer sich in den ID. Buzz verguckt hat, muss jetzt tapfer sein. Mindestens 64.581 Euro will VW für ihn haben, unser umfangreich ausgestatteter Testwagen kostete rund 84.500 Euro. Oh weh.

Was wir meinen

Der VW ID. Buzz ist ein ungemein sympathischer, elektrischer Großraumtransporteur mit feinen Fahrleistungen und schnellem Ladetempo. Bei aller Funktionalität geht ihm allerdings die Variabilität eines Multivans ab. Und preislich stellt der Bulli mit Batterie eine echte Herausforderung dar.

Datenblatt VW ID. Buzz Pro

Antrieb: Permanenterregneter Synchron-Elektromotor an der Hinter- achse. Einganggetriebe.

Leistung: 150 kW/204 PS

Max. Drehmoment: 310 Nm

Batterietyp: Lithium-Ionen

Energiegehalt: 82 kWh brutto, 77 kWh netto

Ladeleistung: AC 3-phasig bis 11 kW, DC bis 170 kW

Ladezeit (Herstellerangabe): AC mit 11 kW 7:30 h (0 bis 100 Prozent SoC), DC mit 170 kW 00:30 h (5 bis 80 Prozent SoC)

Reichweite (WLTP): 402 bis 423 km

Energieverbrauch WLTP: 21,7 bis 20,5 kWh/100 km

Energieverbrauch Test: 23,7 kWh/100 km

CO2-Emission: 0 g/km

Energie-Effizienzklasse: A+++

Höchstgeschwindigkeit: 145 km/h (abgeregelt)

Beschleunigung 0 auf 100 km/h: 10,2 sec

Länge: 4,71 m

Breite: 1,99 m ohne, 2,21 m mit Außenspiegeln

Höhe: 1,93 bis 1,95 m (ausstattungsabhängig)

Gepäckraum: 1121 – 2205 l

Leergewicht: 2471 kg

Zulässiges Gesamtgewicht: 3000 kg

Zuladung: 529 kg

Anhängelast: 1000 kg (gebremst, bei 12 % Steigung)

Versicherungs-Typklassen: 17 (HP), 24 (TK), 20 (VK)

Preis: Ab 64.581 Euro

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