Teilzeitstromer im Test

Fahrbericht: Opel Astra Plug-in-Hybrid

Ulla Ellmer

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3.9.2022, 15:59 Uhr
Fahrbericht: Opel Astra Plug-in-Hybrid

© Hersteller

Wie er aussieht: Anders als der schon vom seligen Astra-Vorfahr Kadett verfolgte Erzgegner VW Golf haben Opels Kompakte nie auf behutsame Designveränderungen gesetzt, wenn ein Modellwechsel anstand. Das ist auch beim sechsten Astra so gewesen. Im Vorgängervergleich hat er einen buchstäblich scharfen Schnitt vollzogen, jedwede Verspieltheit geht ihm ab, alles am Astra ist wohltuend sachlich, clean und deshalb überaus modern. Über den senfig leuchtenden Farbton „Kultgelb“, den unser Testwagen trug, mag man streiten, in Szene setzt er diesen Opel allemal, und es gibt ja genügend Alternativen.

Wie Peugeot 308 und DS4 nutzt der Astra die sogenannte EMP2-Plattform des Stellantis-Konzerns, man hat es also mit Brüdern zu tun. Die Produktion erfolgt am Opel-Stammsitz in Rüsselsheim. Alternativ zum Fünftürer steht der Kombi „Sports Tourer“ bereit.

Wie er eingerichtet ist: Fangen wir mit dem Digitalen an: Passend zum Exterieur ist auch die Einheit der beiden Bildschirme von technoider Klarheit, der Touchscreen neigt sich dabei leicht dem Fahrer beziehungsweise der Fahrerin zu. Eingedenk der Möglichkeiten, die beispielsweise der verschwisterte 308 bereitstellt, macht man sich erwartungsfroh an die Konfiguration des Instrumentendisplays, stellt aber bald fest, dass da nur ziemlich wenig zu variieren ist. Umso zufriedener stimmt das große Head-up-Display, das unter anderem Tempolimits kommuniziert, dies im Übrigen sehr verlässlich.

Fahrbericht: Opel Astra Plug-in-Hybrid

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Als zentrales Schaubild fungiert der berührungssensitive Hauptbildschirm. Mit Bedienbarkeit und Menüführung hatten wir nicht zu kämpfen, beides funktioniert unproblematisch und intuitiv. Schön: Nicht alles muss im digitalen Kosmos aufgespürt werden, es gibt noch ein paar Direkttaster, für Klimatisierung und Sitzheizung beispielsweise, und die Lautstärke lässt sich nach alter und bewährter Sitte über einen Drehknopf einstellen.

Apropos Lautstärke: Nach einem kurzen Zwischenstopp ist das Radio aus unerfindlichen Gründen in beharrliche Schweigsamkeit verfallen. Ähnlich erging es uns bereits im Peugeot 308 und im DS4, die das gleiche Infotainment nutzen. Und das TomTom-Navi verlor in den österreichischen Bergen komplett die Orientierung. Unterhalten und geführt hat uns dann das Smartphone, dessen Koppelung kabellos gelingt. Zur Ehrenrettung des Navis müssen wir sagen, dass es seinen Aussetzer zu einem späteren Zeitpunkt wiedergutgemacht hat: Als bei einer Autobahn-Vollsperrung die Kolonne der ausgeleiteten Fahrzeuge kollektiv nach links abbog, ermunterte der Astra uns, den rechten Weg zu nehmen und führte uns über leere Sträßchen schnell zur nächsten Auffahrt.

Die Sprachsteuerung ist mehrfach an der Adresseingabe gescheitert, wir haben das dann manuell erledigt.

Von herausragender Güte sind die (ausstattungsabhängig aufpreispflichtigen) ergonomischen und vielfach verstellbaren Aktiv-Sitze, die das Gütesiegel der Aktion Gesunder Rücken (AGR) völlig zu Recht tragen. Keine Klagen haben wir auch hinsichtlich Verarbeitungsqualität und Materialauswahl, nur die Plastikzierblende im Beifahrerbereich hätte es nicht gebraucht, erstens passte sie im Falle unseres Testwagens nicht zur Außenfarbe und zweitens wertet sie das Interieur unnötig ab.

Wie viel Platz er hat: Während Fahrer(in) und Beifahrer(in) kommod auf den erwähnt vorbildlichen Sitzen reisen, sehen sich die Hinterleute schon deutlich mehr in die Enge getrieben: Das Platzangebot im Fond zählt nicht zu den Stärken des Astra. Dass das Gepäckraumvolumen unter dem Platzbedarf der Batterie leidet, kennt man auch von anderen Plug-in-Hybriden, beim Astra PHEV schrumpft es von 422/1339 auf 352/1268 Liter. Weil es kein Unterflurfach gibt, ist auch das voluminöse Ladekabel ständig irgendwie im Weg. Hilft aber nichts, zu den einfachen Innerorts-Ladesäulen muss man es leider zumeist mitbringen.

Gut gelöst hat Opel die Aufgabe, den Astra umfangreich mit sinnvollen Ablagen auszustatten. In den Innenfächern der Türen haben wir erfolgreich eine große Wasserflasche versenkt.

Was ihn antreibt: Ein 1,6-l-Vierzylinder-Benziner mit 110 kW/150 PS übernimmt den Verbrennerpart, den elektrischen Teil des Antriebs erledigt ein E-Motor mit 81 kW/110 PS. Gemeinsam bringen es die Partner auf eine Systemleistung von 133 kW/180 PS. Eine Achtgangautomatik überträgt die Antriebskräfte an die Vorderräder. Noch im Laufe des Jahres will Opel eine zweite Plug-in-Variante mit 165 kW/225 PS nachschieben.

Wie er sich fährt: Sehr gut. Der PHEV-Astra kommt überaus flott vom Fleck, beschleunigt bereitwillig und ohne zu zaudern, man hat Freude an diesem Antrieb, zumal die Automatik treffsicher und prompt durch ihre acht Stufen schaltet. Ein Leistungsdefizit, das es erforderlich machen würde, auf den stärkeren Plug-in zu warten, konnten wir nicht feststellen.

Fahrbericht: Opel Astra Plug-in-Hybrid

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Auch mit der Fahrwerksabstimmung haben wir nicht gehadert, das bocklharte Gebaren, das wir bei ersten Ausfahrten mit Vorserienfahrzeugen noch bemängelt haben, hat der Astra abgelegt. Das straffe Feeling ist jetzt ein gesundes und steht dem Rüsselsheimer gut zu Gesicht. Auch der mit zwei E-Mountainbikes beladene Kupplungs-Fahrradträger änderte nichts an der problemlosen Beherrschbarkeit auch auf schlängeligen Bergsträßchen.

Gestört haben uns letztlich nur die etwas diffizil zu dosierenden Bremsen. Auch die vom adaptiven Abstandsautomaten ausgelöste Verzögerungswirkung irritiert: Der Astra folgt seinem Vordermann zunächst engagiert und geschwind, um dann plötzlich so heftig abzubremsen, dass sich die Miene des Hinterherfahrenden unübersehbar verfinstert. Effektiv erhellend wird hingegen das hervorragende Matrix-LED-Licht tätig.

Wie weit er elektrisch kommt: Laut Norm 59 bis 60 Kilometer. Bei Temperaturen von 20 bis 25 Grad haben wir regelmäßig 48 bis 50 Kilometer geschafft. Es gibt auch einen Rekuperationsmodus („B“), der allerdings eher mild ausfällt und insofern nur bedingt zur Reichweiten-Aufbesserung taugt.

Sofern die entsprechenden Pläne umgesetzt werden, müssen Plug-in-Hybride ab August 2023 eine elektrische WLTP-Reichweite von mindestens 80 Kilometern erzielen, um als privat genutzter Dienstwagen noch in den Genuss der vergünstigten 0,5-Prozent-Besteuerung zu gelangen. Dafür ist allerdings nicht der kombinierte, sondern der sogenannte EAER-City-Zyklus ausschlaggebend, der beim Astra 70 bis 74 Kilometer beträgt.

Was er verbraucht: Bei PHEVs ein nicht ganz unkompliziertes Thema. 1,1 l Sprit und 15,1 bis 14,2 kWh Strom pro 100 Kilometer, sagt die Norm. Beim rein elektrischen Fahren durch die Stadt haben wir im Schnitt 15,2 kWh Strom verbraucht. Im hybridischen Mixbetrieb notierten wir 3,1 kWh und 5,9 l Sprit. Und eine forcierte Autobahnfahrt ausschließlich mit Verbrenner kostete 7,3 l/100 km.

Fahrbericht: Opel Astra Plug-in-Hybrid

© Hersteller

Wie er lädt: Serienmäßig mit 3,7, optional mit 7,4 kW. Ob sich der Aufpreis von 500 Euro lohnt, hängt davon ab, wo man lädt. Wird üblicherweise eine 11-kW-Wallbox angezapft, bringt der stärkere Onboardcharger nichts, denn der Astra versorgt sich eh nur über eine der drei angebotenen Phasen. Anders sieht es aus, wenn turnusgemäß eine der üblichen öffentlichen 22-kW-Ladestationen als Stromtanke dient. Hier liefert eine Phase 7,33 kW (22 geteilt durch 3), die Ladezeit verkürzt sich somit auf zwei Stunden.

Was er bietet: Das Basismodell heißt „Elegance“ und kommt unter anderem mit 17-Zoll-Leichtmetallrädern, AGR-Fahrersitz, Rückfahrkamera, Ambientelicht, Multimedia-Infotainment und Zweizonen-Klimaautomatik zum Kunden. Das meiste Geld kann man fürs Ultimate-Paket ausgeben, dem dann auch 360-Grad-Kamera, Intelli-Drive-Paket mit allen wichtigen Fahrassistenten, adaptive Matrix-LED-Scheinwerfer, das große Multimedia-System, Head-up-Display und Schiebedach nicht fehlen.

Was er kostet: Ab 39.100 Euro, als Topmodell Ultimate ab 44.330 Euro.

Zum Jahreswechsel dürfte die staatliche Subventionierung von Plug-in-Hybriden bekanntlich ein Ende finden. Daher stellt sich die Frage nach dem Auslieferungstermin des Astra PHEV. Angesichts der vielen Unwägbarkeiten, hat uns Opel gesagt, sei es nahezu unmöglich, hier eine verlässliche Aussage zu treffen. Zwar sei es nicht auszuschließen, dass ein jetzt bestellter Astra PHEV mit viel Glück noch im Dezember kommt, aber verlassen solle man sich darauf besser nicht. Die Entscheidung, ob Opel den Herstelleranteil am PHEV-Bonus (maximal 2250 Euro netto) in 2023 weiterhin zahlen wird, steht noch aus, nach unserem Gefühl sieht es aber ganz danach aus.

Was wir meinen: Als Plug-in-Hybrid macht der Opel Astra einen guten Job. Lohnen wird er sich für diejenigen, die im Alltag überwiegend Kurzstrecke fahren, bequem und am besten zuhause laden können und nur ausnahmsweise längere Distanzen unter die Räder nehmen. Neben der ab 2023 gestrichenen staatlichen PHEV-Förderung könnten auch die stark steigenden Strompreise die Kosten-Nutzen-Rechnung ungünstig beeinflussen. Letzteres würde dann aber auch die rein elektrische Astra-Variante betreffen, die 2023 kommt und dem nur teilzeitstromernden Bruder erheblich Konkurrenz machen dürfte.

Die Daten des Opel Astra Plug-in-Hybrid

Antrieb Plug-in-Hybrid, Frontantrieb, Achtstufenautomatik

VERBRENNUNGSMOTOR:

Hubraum 1598 ccm

Zylinder 4

Leistung 110 kW/150 PS bei 6000/min

max. Drehmoment 250 Nm bei 1750/min

ELEKTROMOTOR:

Leistung 81 kW/110 PS bei 2500/min

Max. Drehmoment 320 Nm bei 500 – 2500/min

HYBRIDANTRIEB

Systemleistung 133 kW/180 PS

Systemdrehmoment 360 Nm


Batterie Lithium-Ionen 12,4 kWh

Laden AC einphasig bis 3,7, optional bis 7,4 kW


Höchstgeschwindigkeit 225 km/h, elektrisch 135 km/h

Beschleunigung 0 auf 100 km/h 7,6 sec


Normverbrauch WLTP 1,1 – 1,4 l S/100 km und 15,1 – 14,2 kWh Strom/100 km

Testverbrauch Hybrid-Mix 5,9 l S/100 km und 3,1 kWh Strom/100 km

CO2-Emission 26 - 24 g/km

Schadstoffnorm Euro 6e

Energie-Effizienzklasse A+++


Länge 4,37 m

Breite 1,86 m ohne, 2,06 m mit Außenspiegeln

Höhe 1,44 m

Sitzplätze 5

Gepäckraum 352 bis 1268 l

Kraftstoff-Tank 42 l

Leergewicht 1678 kg

zulässiges Gesamtgewicht 2150 kg

Zuladung 472 kg

Anhängelast 1450 kg (gebremst), 750 kg (ungebremst)


Versicherungs-Typklassen 14 (KH), 22 (TK), 21 (VK)

Preis ab 39.100 Euro

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