Umstrittene Elektro-Roller

Trunkenheit, Drogen, Stolperfalle, Rollstuhl-Ersatz: Gerichtsurteile zu E-Scootern

Ulla Ellmer

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7.4.2023, 13:39 Uhr
E-Scooter: Die einen wollen nicht mehr auf die elektrischen Roller verzichten, bei anderen stoßen sie auf Missfallen.

© auto medien portal/Moovi E-Scooter: Die einen wollen nicht mehr auf die elektrischen Roller verzichten, bei anderen stoßen sie auf Missfallen.

Die Nachricht aus Paris hat Schlagzeilen gemacht: Ab September sollen E-Scooter aus der französischen Hauptstadt verbannt werden – zumindest jene „trottinettes“, die von Verleihfirmen zur Verfügung gestellt werden. Für diese Maßnahme hatte sich – bei geringer Wahlbeteiligung zwar, aber mit einer klaren Mehrheit von 90 Prozent – ein Bürgervotum ausgesprochen.

In Nürnberg ist ein Verbot wie in Paris zwar nicht in Sicht. Doch seit 2019 die Benutzung der Scooter im deutschen Straßenverkehr ermöglicht wurde, gibt es auch bei uns regelmäßig Kontroversen. Während die Fans der elektrischen „Tretroller“ das neue Verkehrsmittel als cool, praktisch und wichtigen Beitrag zur innerstädtischen Mobilitätswende empfinden, ärgert sich die Anti-Scooter-Fraktion über rücksichtslos rollernde Zeitgenossen und einen unkontrollierten Wildwuchs beim Abstellen. Die Stadt Nürnberg hat deshalb gemeinsam mit den Betreibern der Vermietsysteme eine Erklärung aufgesetzt, in der sich die Verleiher einer freiwilligen Selbstverpflichtung unterwerfen. Beispielsweise wird innerhalb des Altstadtrings die Zahl der E-Tretroller pro Anbieter auf 180 begrenzt, und Roller, die Geh- und Radwege sowie Zufahrten blockieren, müssen innerhalb von sechs Stunden nach Eingang einer entsprechenden Beschwerde entfernt werden.

Ein Gefahrenpotenzial ist tatsächlich nicht von der Hand zu weisen. Laut Statistischem Bundesamt ist im Jahr 2022 die Zahl der E-Scooter-Unfälle mit Personenschaden gegenüber dem Vorjahr um 49 Prozent gestiegen, bei den 8260 Unglücksfällen wurden 1090 Menschen schwer verletzt, zehn verloren ihr Leben.

Regeln fürs Rollern

Dabei unterliegt das Betreiben eines elektrischen Tretrollers klaren Regeln:

  • Das Mindestalter des Fahrers beziehungsweise der Fahrerin liegt bei 14 Jahren.
  • Die Fußgängerzone und der Gehweg sind tabu, stattdessen muss ein Radweg benutzt werden beziehungsweise (wenn es keinen gibt) die Fahrbahn.
  • Die Promillegrenzen sind dieselben wie beim Auto oder Motorrad. Ab 0,5 Promille drohen 500 Euro Bußgeld, zwei Flensburg-Punkte und ein einmonatiges Fahrverbot.
  • Bauartbedingt darf der E-Scooter maximal 20 km/h vorlegen.
  • Elektrische Tretroller benötigen sowohl eine Straßenzulassung/Betriebserlaubnis als auch ein Versicherungskennzeichen.
  • Eine Führerschein- oder Helmpflicht besteht nicht.

Nicht nur, weil die genannten Regeln verletzt werden, müssen sich auch immer wieder die Gerichte mit den Elektro-Rollern befassen. Wir haben ein paar solcher Fälle und die entsprechenden Urteile zusammengefasst:

Strenge Promillegrenze bestätigt

Das Bayerische Oberlandesgericht hat klargestellt, dass an den geltenden Alkoholgrenzen für E-Scooter-Nutzer nicht zu rütteln ist. Dem Einwand, wonach Roller- wie Fahrradfahren zu behandeln sei, eine absolute Fahruntüchtigkeit also erst ab 1,6 und nicht schon bei 1,1 Promille vorliege, folgten die Richter nicht. Dabei beriefen sie sich auf die Verordnung für Elektrokleinstfahrzeuge, die E-Scooter als Kraftfahrzeuge einstuft.

Zu verhandeln hatten die Richter den Fall eines Oktoberfest-Besuchers, der mit einem E-Scooter auf dem Weg in sein Hotel und dabei in eine Polizeikontrolle geraten war. Die Beamten stellten eine Blutalkoholkonzentration von 1,35 Promille fest. Vom zuständigen Amtsgericht wurde der Mann wegen fahrlässiger Trunkenheit im Straßenverkehr zu einer Geldstrafe von 2200 Euro verurteilt. Außerdem verhängten die Richter ein dreimonatiges Fahrverbot für Kraftfahrzeuge aller Art und ordneten den Entzug der Fahrerlaubnis für sieben Monate an. Daraufhin ging der Angeklagte in Revision, scheiterte jedoch vor dem Oberlandesgericht. (Az.: 205 StRR 216/20).

Aktualität hat das Thema zuletzt Ende Januar 2023 auf dem Verkehrsgerichtstag in Goslar gewonnen. Auch hier sprachen sich die Fachleute gegen eine Anhebung der Promillegrenzen für E-Scooter-Fahrer aus.

Lieber lenken lassen? Auch das schützt nicht vor Strafe

Einen nüchternen Freund an die Lenkstange zu lassen und sich, quasi als Sozius, dahinter zu positionieren – auch das bewahrt nicht vor Trunkenheitssanktionen. Zumindest dann nicht, wenn man sich dabei selbst an der Lenkstange festhält. Das musste ein Mann erfahren, der – angetrunken – in exakt einer solchen Situation von der Polizei erwischt worden war.

Das vom Beschuldigten vorgebrachte Argument, er habe ja nur die Hände am Lenker gehabt, dabei aber nicht gelenkt, zog bei den Richtern nicht. Unabhängig von aktiven Lenkbewegungen komme allein das Festhalten des Lenkers dem Führen eines Fahrzeugs gleich. Ohne Belang sei es in diesem Zusammenhang, dass ausschließlich der vordere Fahrer Einfluss auf die Geschwindigkeit gehabt habe. Das Landgericht Oldenburg bestätigte somit die vorinstanzliche Entscheidung des Amtsgerichts, das dem Scooter-Sozius wegen absoluter Fahruntüchtigkeit mit 1,2 Promille die Fahrerlaubnis entzogen hatte. (Az.: 4 QS 368/22)

Keine Toleranz bei Drogenfahrt

Auch das Pfälzische Oberlandesgericht Zweibrücken musste sich mit der Frage auseinandersetzen, ob die Trunkenheitsfahrt mit einem E-Scooter ein befristetes Fahrverbot rechtfertigt. Konkret ging es im vorliegenden Fall allerdings nicht um Alkohol, sondern um ein anderes Rauschmittel, nämlich Drogen.

Der Fall: Ein E-Scooter-Fahrer war unter Kokain-Einfluss im Stadtgebiet Kaiserslautern unterwegs gewesen. Das Amtsgericht sprach daraufhin eine Geldbuße in Höhe von 500 Euro und ein einmonatiges Fahrverbot aus. Der Beklagte legte Rechtsbeschwerde ein, die aber vom Oberlandesgericht verworfen wurde. Den Einwand des Roller-Piloten, er sei doch nur mit einem bestenfalls 20 km/h schnellen Fahrzeug unterwegs gewesen, fanden die Richter nicht stichhaltig. Zudem argumentierten sie, dass Tretroller-Fahren ohnedies schon ein Gefährdungs- und Verletzungspotenzial für andere Verkehrsteilnehmer berge, was sich durch Alkohol oder Drogen aber noch verstärke. (Az. 1 Owi 2 SsBs 40/21).

Motor defekt: Straffrei trotz Drogen

Glück im Unglück hatte ein Scooter-Fahrer, der vor dem Landgericht Hildesheim gelandet war. Seine Rollertour hatte der Beklagte zwar unter dem Einfluss mehrerer Joints Marihuana absolviert, zudem wies der Scooter keinen Versicherungsschutz auf. Doch gleichzeitig funktionierte der Motor nicht. Deshalb wurde der Roller von seinem Fahrer ausschließlich durch Abstoßen mit dem Bein in Bewegung versetzt. Und das führte wiederum dazu, dass die Drogenfahrt straffrei blieb. Denn: Ein unmotorisierter Scooter braucht keine Versicherung, und auch ganz generell gilt für ihn die Elektrokleinstfahrzeuge-Verordnung nicht. Die Vorschriften für das Fahren unter Drogeneinfluss, so die Richter, seien daher im vorliegenden Fall nicht anzuwenden. (Az.: 13 Ns 40 Js 25077/21).

Scooter als Stolperfalle: Damit ist zu rechnen

Auf Gehwegen müssen Fußgänger damit rechnen, dass sie auf abgestellte Gegenstände treffen. Das gilt auch für blinde Menschen und dann, wenn es sich bei dem Hindernis um einen E-Scooter handelt.

So geht es aus einem Urteil des Landgerichts Bremen hervor. Zu verhandeln hatte es die Klage eines seit Geburt blinden Mannes, der sich mit einem Blindenstock orientiert und dennoch über zwei quer zur Hauswand abgestellte E-Roller gestürzt war. Dabei hatte er sich einen Oberschenkelhalsbruch zugezogen. Vom Verleihunternehmen der Scooter verlangte der Geschädigte nun 20.000 Euro Schmerzensgeld.

Die Richter aber erkannten keine Verletzung der Verkehrssicherungspflichten und wiesen die Klage ab. Zwar müssten die Interessen von Menschen mit Behinderung berücksichtigt werden. Andererseits sei die Aufstellung der E-Scooter in diesem Fall zulässig gewesen. Vor Hauswänden sei im Übrigen auch mit anderen vergleichbaren Hindernissen zu rechnen – Fahrrädern etwa, Baugerüsten, aber auch Werbetafeln von Geschäften und Restaurants. (Az. 6 O 697/21).

Kein Roller von der Krankenkasse

Die Krankenkasse muss nicht für einen Elektroroller bezahlen. So hat es das Landessozialgericht Bremen entschieden. Es war mit der Klage eines 80-jährigen gehbehinderten Mannes konfrontiert, der bei der Anschaffung eines E-Rollers mit Sattel unterstützt werden wollte. Das lehnte die Kasse aber ab. Stattdessen bot sie einen Elektrorollstuhl an. Den wies der Senior jedoch zurück – das verhältnismäßig große und schwere Hilfsmittel passe nicht in sein Auto und auch nicht in den Carport.

Die Richter gaben der Krankenkasse recht und führten dabei zwei Gründe an. Erstens sei ein E-Roller ein Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens und ein Freizeitgerät, nicht aber ein Produkt, das speziell für die Bedürfnisse von Kranken und Menschen mit Behinderung konzipiert sei. Und zweitens sei der vorgeschriebene Beschaffungsweg nicht eingehalten worden: Der ältere Herr hatte den Roller zuerst gekauft und dann erst den Antrag bei der Krankenversicherung eingereicht. (Az.: L 16 KR 151/20).

Der Halter haftet nicht

Bei Pkws gilt die sogenannte Halterhaftung. Das bedeutet, dass der Fahrzeughalter für Schäden aufkommen muss, die durch sein Gefährt entstanden sind - auch wenn er gar nicht selbst gefahren ist.

Für E-Scooter gilt diese „verschuldensunabhängige Halterhaftung“ nicht. So hat es das Amtsgericht Frankfurt am Main bestätigt. Geklagt hatte ein Autobesitzer, dessen am Straßenrand geparktes Fahrzeug von einem umgefallenen E-Scooter beschädigt worden war. Der Verantwortliche selbst konnte indes nicht ermittelt werden. Deshalb wollte der Autobesitzer die Haftpflichtversicherung des E-Scooters in Anspruch nehmen. Das Amtsgericht wies dies mit der Begründung zurück, dass die Halterhaftung nicht bei Fahrzeugen greift, die höchstens 20 km/h schnell fahren. Genau das treffe aber auf die als Elektrokleinstfahrzeuge eingestuften E-Scooter zu. (Az.: 29 C 2811/20 (44))

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