Boom und Unzucht: 150 Jahre Bahn in Treuchtlingen

27.8.2019, 18:09 Uhr
Boom und Unzucht: 150 Jahre Bahn in Treuchtlingen

© Repro: TK-Archiv

Bahnfahren ist im Zuge des Klimawandels aktuell wie nie. Dabei ist das Verkehrsmittel bald 200 Jahre alt. Ins Altmühltal kam die Bahn 1869: Am 2. Oktober wurde die Strecke Treuchtlingen-Weißenburg-Pleinfeld eröffnet – insbesondere für das bis dato unbedeutende Treuchtlingen ein Meilenstein, der die nächsten 100 Jahre Stadtgeschichte prägen sollte. Den Jahrestag feiert die einstige "Eisenbahnerstadt" am Sonntag, 29. September, mit einem Jubiläumsfest.

Rund 1800 Einwohner hatte der Marktflecken Treuchtlingen im Jahr 1866. Das geht aus dem Heimatbuch des Heimat- und Bädervereins hervor. Drei Jahre zuvor hatte Bayerns Regierung unter König Maximilian II. den Bau der Bahnstrecke München-Ingolstadt-Pleinfeld beschlossen. Dass sie durch Treuchtlingen und Weißenburg führen sollte, setzten der Treuchtlinger Posamenten-Fabrikant Jacob Aurnhammer und sein Weißenburger Mitstreiter Wilhelm Tröltsch von der gleichnamigen Gold- und Silbermanufaktur beim Handelsministerium durch. Am 28. Dezember 1866 bewilligte der neue König Ludwig II. die Trasse.

Bis Sommer 1867 kaufte die "Section Treuchtlingen" unter der Leitung des Ingenieurs Volkert 40 Tagwerk (gut 136.000 Quadratmeter) Grund und mietete eine große Zahl an Pferden, Wagen und Tagelöhnern an. Teils "liefen den Bauern die Knechte davon", heißt es im Heimatbuch. Auswärtige Arbeiter mussten ermahnt werden, ihre Kinder zur Schule und nicht auf die Baustelle zu schicken.

Schon im Vorjahr ließ die Gemeinde unter dem Eindruck des Bahnanschlusses "für die Sicherheit des Marktes" die erste Straßenbeleuchtung planen. Ein halbes Jahr später beschlossen die Bürger, dass "der obere Stock des Armenhauses für kranke und verunglückte Eisenbahnarbeiter als Spital eingerichtet werden soll" – mit anfangs sechs Betten Treuchtlingens erstes Krankenhaus. Probleme gab es mit den schweren Fuhrwerken, die die Straßen ruinierten. Und auch die Moral litt offenbar: Wenn sich "das Zusammenleben der Eisenbahnarbeiter beiderlei Geschlechts" schon nicht verhindern lasse, so dürfe doch "ein zur Schau getragenes Concubinat nicht geduldet werden", hieß es 1867 im Bezirksblatt.

Das Stadtbild veränderte sich radikal

Zwei Jahre dauerte der Bau, der Treuchtlingen radikal veränderte. So wurde aus dem Feldweg nördlich des Armenhauses die breite Bahnhofstraße, westlich der Gleise entstand das Betriebswerk, und der Bahndamm zerschnitt den Ort in zwei Hälften, die nur durch drei beschrankte Übergänge verbunden waren. Sogar das Bier war betroffen, musste der Brauereibesitzer Sixtus Kolb doch seine hölzerne Wasserleitung verlegen, die von der Patrichquelle zum heutigen Areal der Firma Altmühltaler führte.

Am 2. Oktober 1869 war es dann so weit: Der erste Zug rollte von Treuchtlingen über den ebenfalls neuen Bahnhof in Weißenburg nach Pleinfeld. Zwei Tage später wurde auch die Strecke Treuchtlingen-Gunzenhausen (und weiter nach Ansbach) fertiggestellt, im April 1870 folgte der Anschluss nach Ingolstadt. Schon die ersten Züge verkehrten offenbar planmäßig, im Winter brauchte es allerdings Tagelöhner für den Räumdienst, weil "die Schneemassen bei dem Durchschnitt am Perlachberg in viel größerer Quantität liegenbleiben als in der ebenen Sandgegend von Graben und Pleinfeld".

Die Eisenbahn brachte insbesondere dem Knotenpunkt Treuchtlingen wirtschaftlichen Aufschwung und überregionale Bedeutung. Zeitweise war sie mit über 1000 Mitarbeitern der größte Arbeitgeber der Region. Allein für das Jahr 1874 sind mehr als 100 Neubürger verbrieft, darunter 23 Lokführer, 22 Heizer, 15 Weichenwärter sowie 20 Maschinenschlosser und -putzer. 1898 verlieh Prinzregent Luitpold Treuchtlingen das Stadtrecht. Die Einwohnerzahl hatte sich bis dahin fast verdoppelt.

Auf Zeitreise in Dampfzug, Museum und auf Gleis 1

Das Jubiläum „150 Jahre Eisenbahn in Treuchtlingen“ feiert die Stadt am Sonntag, 29. September. Los geht es um 11 Uhr mit einer Zugtaufe samt Reden an Gleis 1 des Bahnhofs. Um 12 Uhr startet dort dann das Fest mit Musik, Aufführungen und Kinderprogramm.

Während des gesamten Nachmittags gibt es Fahrten mit dem „Dorfexpress“ zum Eisenbahn-Miniaturland und zum Volkskundemuseum, wo die Sonderausstellung „Geschichten aus der Dampflokzeit“ geöffnet hat. Im Halbstundentakt starten außerdem Führungen durchs Stellwerk, und auch der „Parkexpress“ dreht gegenüber der Denkmalslok seine Runden.

Drei „Nostalgiefahrten“ bietet die Bahn um 12, 14 und 16 Uhr an: Mit der historischen Dampflok 01 180 des Nördlinger Eisenbahnmuseums geht es durchs malerische Altmühltal nach Eichstätt und zurück. Karten dafür gibt es im Vorverkauf für 15 bis 25 Euro bei den örtlichen Touristinformationen, in den Geschäftsstellen von Treuchtlinger Kurier, Weißenburger Tagblatt und Altmühl-Bote sowie unter www.reservix.de.

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