Allgäu-OB verrät: Das könnte Center Parcs dem Seenland bringen

1.9.2020, 05:59 Uhr
Wie am Brombachsee geplant hat sich Center Parcs auch bei Leutkirch im Allgäu auf einem ehemaligen Muna-Gelände niedergelassen, das zuvor ausgiebig von Kampfmitteln und Schadstoffen gereinigt werden musste.  

© Center Parcs Wie am Brombachsee geplant hat sich Center Parcs auch bei Leutkirch im Allgäu auf einem ehemaligen Muna-Gelände niedergelassen, das zuvor ausgiebig von Kampfmitteln und Schadstoffen gereinigt werden musste.  

Herr Henle, ohne die Zeitung hätte es Center Parcs bei Ihnen im Allgäu letztlich wohl nie gegeben, oder?

Allgäu-OB verrät: Das könnte Center Parcs dem Seenland bringen

© Foto Faiß

Hans-Jörg Henle: Ja, das stimmt. Ende 2008 habe ich in der Zeitung von dem geplanten Projekt in Dennenlohe in Mittelfranken gelesen. Und natürlich auch von den Protesten dort. Da habe ich mir gedacht: Das wäre doch eine super Nutzung für unser ehemaliges Militärgelände. Dann habe ich mich an Center Parcs gewandt und die Verantwortlichen letztendlich so lange genervt, bis sie sich letztendlich das alte Muna-Gelände hier angesehen haben.

Bei einem Bürgerentscheid im Jahr 2009 sprachen sich mehr als 95 Prozent Ihrer Bürger für Center Parcs aus. Warum gab es bei Ihnen so viel weniger Proteste als in Franken?

Henle: Auf dem Gelände sollte vorher ein Großsägewerk entstehen. Da wären jeden Tag 600 oder 700 Lkw gefahren. Letztlich wurde wegen der Wirtschaftskrise aber nichts daraus. Im Vergleich zu dem Sägewerk war für die meisten Center Parcs eine sehr viel angenehmere und verträglichere Alternative. Außerdem brachte der Ferienpark viele Arbeitsplätze.


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Die Umweltschützer werden aber trotzdem protestiert haben.

Henle: Ja, wir haben aber extrem viele Info-Veranstaltungen abgehalten und dadurch die Proteste in Grenzen gehalten. Außerdem haben Gutachter von uns und Fachleute der Umweltverbände gleichzeitig das Gelände untersucht. Nachdem unsere Experten sogar mehr Arten gefunden hatten als Bund Naturschutz und NABU war den Umweltverbänden klar, dass hier niemand etwas unter den Teppich kehren wollte.

Kritiker befürchten, dass die Urlauber nur im Park bleiben und das Geld größtenteils ins Ausland abfließt. Was haben Sie unternommen, um dem vorzubeugen?

Henle: Wir haben einige Forderungen der Bevölkerung aufgenommen und zum Beispiel in die Verträge geschrieben, dass im Park regionale Produkte eingesetzt werden müssen. Außerdem haben wir zur Bedingung gemacht, dass wir im Park eine Tourist-Info installieren dürfen, in der wir für die Region werben. Der Park ist auch nicht abgeschlossen, das ist vertraglich mit Center Parcs vereinbart. Einheimische gehen dort spazieren. Das Frühstücksbuffet dort ist der Renner bei unseren Rentnern (lacht). Die große Indoor-Spielanlage nutzen Familien von hier total gerne, viele gehen auch ins Freizeitbad. Wir sind keine reiche Stadt. Wir selbst haben kein Hallenbad, nur ein kleines Lehrschwimmbecken.

"Mittags muss man in Leutkirch jetzt reservieren"

Der Park zieht also Einheimische an. Aber kommen die Feriengäste auch raus und geben Geld in der Region aus?

Henle: Unsere Beherbungsbetriebe kooperieren teilweise mit Center Parcs. Sie haben ja selbst keine Badelandschaft und keinen Wellness-Bereich. So können sie zum Beispiel ein Wochenende mit Badeeintritt bei Center Parcs anbieten. Die Gastronomie hat bei uns einen enormen Aufschwung erfahren. Das hat sogar einen kleinen negativen Effekt. Mittags muss man in Leutkirch jetzt reservieren. Sonst kriegt man keinen Platz, so voll ist das. Das war vorher nicht so. Ein Extrembeispiel ist eine Pizzeria mit Eisdiele. Die hat ein Umsatzplus von 70 Prozent. Wir haben aber auch noch drei inhabergeführte Spielwarengeschäfte. Die haben auch ein Plus von 15 bis 20 Prozent.

Und wie sehr leiden Sie unter dem zusätzlichen Verkehr?

Henle: Die Zufahrt ist bei uns zum Glück ohne Ortsdurchfahrt möglich. Und 1,2 Millionen Übernachtungen im Jahr bedeuten nicht, dass 1,2 Millionen Menschen da sind. Pro Tag sind es höchstens 4500 Menschen. Etwa 1500 davon verlassen den Park, macht 400 bis 500 Autos, es sind ja meist Familien. In Leutkirch landen dann 40 bis 50 Autos – und das auch nicht zwischen 7 und 8 Uhr morgens, wenn bei uns am meisten Verkehr ist. Die Verkehrszunahme spürt man also so gut wie gar nicht.


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Manche Kritiker fürchten auch Lärm, Party und Ballermann-Zustände. Welche Erfahrungen haben Sie da bisher in Leutkirch gemacht?

Henle: Wir hatten noch überhaupt keine Probleme in Richtung Ballermann. Es ist sehr ruhig dort abends, es gibt ja auch keine Disco oder so. Generell wird durch Center Parcs ein sehr angenehmes, naturverbundenes Publikum angezogen.

Neue Fachklasse für Tourismuskaufleute

Würden Sie selbst dort Urlaub machen?

Henle: Nein, auf keinen Fall. Das liegt aber nicht an Center Parcs, sondern daran, dass ich das ganze Jahr von so vielen Leuten umgeben bin und im Urlaub Einsamkeit und Ruhe suche.

Bei Center Parcs sind Hunderte von Arbeitsplätzen entstanden. Aber profitiert Ihre Region wirklich davon oder sind das vor allem gering bezahlte Stellen für Auswärtige?

Allgäu-OB verrät: Das könnte Center Parcs dem Seenland bringen

© Center Parcs

Henle: Natürlich gibt es da sehr viele Stellen im Reinigungs- und Gastro-Bereich. Die werden zwar alle nach Tarif bezahlt und von örtlichen Firmen bestückt. Die Arbeitskräfte kommen aber natürlich oft von anderswo. Es gibt aber auch viele qualifizierte Arbeitsplätze für Menschen aus der Region, zum Beispiel im Management, im Park- oder Badebetrieb oder bei der Rezeption. In der Berufsschule Ravensburg wurde jetzt neu eine Fachklasse für Tourismuskaufleute eingeführt, weil der Bedarf durch Center Parcs so groß ist.

Kann Leutkirch selbst auch finanziell von Center Parcs profitieren oder fließt alles ins Ausland ab?

Henle: Gewerbesteuer kann man sicher nicht viel erwarten, da bringt jeder gut gehende Industriebetrieb mehr. Aber für die Gastronomie, die Beherbergungsbetriebe, den Einzelhandel und auch für die Landwirtschaft bringt der Ferienpark sehr viel.

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