"Nicht Herr der Lage": Fränkischer Bürgermeister kritisiert Corona-Politik

10.04.2021, 06:00 Uhr

© Foto: Bastian Lauer

Die Situation im Einzelhandel in der Innenstadt, aber auch die anderer Branchen kennt er gut, war er doch selbst Ladeninhaber und hat sich in verschiedenen Funktionen jahrzehntelang für den Einzelhandel engagiert, bei der Industrie- und Handelskammer Mittelfranken, als Orts- und Kreisvorsitzender des Einzelhandelsverbands, wie er betont.

Die Innenstadt werde nach Corona nicht mehr die gleiche sein, schon jetzt gebe es Geschäfte, die aufgegeben haben. Er kann sich gut vorstellen, dass es noch mehr werden.


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Der Handel in den Innenstädten hätte sich "schon seit vielen Jahren nicht mehr als sehr stark gezeigt", auch durch die Frequenzverlagerung aus der Altstadt in die Randbereiche. Das habe sich noch verschärft. Schon zuvor hatten Lebensmitteldiscounter auch Non-Food-Artikel – vom Gartengerät bis hin zu Möbeln – angeboten, doch das habe sich in Corona-Zeiten noch verstärkt.

Er hat die entsprechenden Seiten in den Prospekten gezählt. Ungerecht sei das und aus Perspektive des Gesundheitsschutzes unsinnig. Gerade die kleinen Händler in Kleinstädten zu schließen, die ohnehin keine große Frequenz in den Läden hätten, mache keinen Sinn, wenn sich dafür die "Menschen durch die Discounter schieben".

Er hätte sich "mehr Professionalität der verantwortlichen Politiker" gewünscht. Das Hin und Her kann er nicht nachvollziehen, die sich ständig ändernden Regeln. Wechselnde Vorschriften zum Maskentragen, die anfangs fehlenden Kapazitäten bei Schnelltests, wieder neue Vorgaben zu Inzidenzwerten, ständig verschobene Termin für mögliche Öffnungen, kurzfristige Veränderungen und dann wieder die Rücknahme der Maßnahmen, all das verunsichere die Menschen.

Kein Coronaleugner

Er sei kein Coronaleugner, betont Heckel. Hygieneregeln einzuhalten, zum Schutz der Mitarbeiter, sei ihm auch im Rathaus sehr wichtig. Doch die Arbeit der Regierung sieht er sehr kritisch. "Ich habe das Gefühl, die große Politik ist nicht Herr der Lage." Für ihn braucht es eine Perspektive für die Händler, auch für Gastronomie und die anderen betroffenen Branchen.


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Denn so könne man aktuell nicht wirklich etwas tun auf lokaler Ebene. 14.000 Euro hat der Stadtrat für Maßnahmen bereitgestellt. Was gut laufe, sei der Fünf-Euro-Taler als lokaler Kaufanreiz in der heimischen Gastronomie, schon rund 700 Stück seien als Gutscheine ausgegeben worden. Die Taler können dann wieder in Einzelhandel und bei Dienstleistern eingelöst werden. Etwa 3500 Euro habe man bisher so investiert.

Da aber die Unternehmen so unterschiedliche Bedingungen hätten – manche dürfen öffnen, andere nicht –, sei es schwierig, derzeit etwas auf die Beine zu stellen, das allen gleichermaßen nützt. Sobald es aber eine Öffnungsperspektive gibt, wolle er sich mit den Betroffenen – Handel, Gastronomie, Dienstleister – zusammensetzen und besprechen, was man gemeinsam tun kann, zum Beispiel gemeinsam Werbung machen.

"Ich will nichts überstülpen", sagt Jürgen Heckel. "Wir müssen überlegen, was ist das Beste für uns alle." Schon wie im vergangenen Jahr würde er auch wieder Erleichterungen schaffen wollen, wie beispielsweise bei der Außengastronomie. Aber noch fehle ihm die Perspektive. Den Verkauf im Internet sieht er für die Läden in der Kurstadt nur als Zubrot. "Wir brauchen wieder Frequenz in der Innenstadt."

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