Besuch bei Patienten

Gesundheitsminister am Uniklinikum Erlangen: "Solidarität mit Ukraine ist ungebrochen"

Redaktion Erlanger Nachrichten

28.11.2022, 18:00 Uhr
Dank an den stellvertretenden Ärztlichen Direktor des Uniklinikums Erlangen Prof. Dr. Michael Uder für die Versorgung von ukrainischen Kriegsopfern im Uniklinikum Erlangen vom Bayerischen Gesundheitsminister Klaus Holetschek und dem ukrainischen Konsul Oleksandr Prokopenko sowie an Marc Gistrichovsky und Dr. Albert Schiele für die Organisation der Transportlogistik über das Kleeblattsystem (v. l.). 

© Michael Rabenstein/Uniklinikum Erlangen, NN Dank an den stellvertretenden Ärztlichen Direktor des Uniklinikums Erlangen Prof. Dr. Michael Uder für die Versorgung von ukrainischen Kriegsopfern im Uniklinikum Erlangen vom Bayerischen Gesundheitsminister Klaus Holetschek und dem ukrainischen Konsul Oleksandr Prokopenko sowie an Marc Gistrichovsky und Dr. Albert Schiele für die Organisation der Transportlogistik über das Kleeblattsystem (v. l.). 

Bayerns Gesundheitsminister Klaus Holetschek hat am Donnerstagabend am Universitätsklinikum Erlangen zwei ukrainische Patienten aus dem Kriegsgebiet besucht und sich über deren Behandlung informiert.

Der Minister betonte aus diesem Anlass: „Unsere Solidarität mit der Ukraine nach dem Angriff Russlands ist ungebrochen. Deshalb ist es für uns in Bayern eine Selbstverständlichkeit, dass wir helfen - das gilt auch im Bereich der medizinischen und pflegerischen Versorgung.“

"Kleeblatt-System"

Verletzte sowie akut behandlungsbedürftige Patientinnen und Patienten, die unmittelbar aus dem ukrainischen Kriegsgebiet oder über andere Staaten gezielt zur Behandlung nach Deutschland kommen, werden über das sogenannte „Kleeblatt-System“ auf Kliniken in ganz Deutschland verteilt. Auf dieser Grundlage wurden im Universitätsklinikum Erlangen bislang insgesamt 13 ukrainische Patientinnen und Patienten behandelt.

Der Minister unterstrich: „Das Kleeblatt-System hat sich in der Corona-Pandemie bei der Verteilung schwerst erkrankter Covid-19-Patientinnen und -Patienten bewährt. Auf diese Expertise kann nun zurückgegriffen werden. Mein Dank gilt in diesem Zusammenhang auch den Klinikmitarbeiterinnen und -mitarbeitern für ihren überragenden Einsatz.“

Verteilung der ukrainischen Patientinnen und Patienten

Um die Verteilung der ukrainischen Patientinnen und Patienten über das deutschlandweite Kleeblatt-System zu ermöglichen, wurde als Ansprechpartner und zentrale Anlaufstelle für alle Anfragen bzw. Anforderungen nach Patientenübernahmen aus dem Ausland auf Bundesebene ein sechstes Kleeblatt unter Beteiligung des Bundesamtes für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) sowie des Gemeinsamen Melde- und Lagezentrums von Bund und Ländern (GMLZ) gebildet, das in Abstimmung mit den jeweiligen SPoC’s („Single Point of Contact“) der fünf Kleeblätter die Verteilung der Patienten auf die von den Ländern gebildeten fünf Kleeblätter (Bayern als eigenes Kleeblatt) innerhalb Deutschlands organisiert.

Für Bayern fungiert innerhalb des Kleeblatt-Systems die Integrierte Leitstelle Nürnberg als SPoC Süd. Über das Kleeblatt Süd wurden bisher insgesamt 96 Patientinnen und Patienten auf bayerische Krankenhäuser verteilt und dort behandelt.

"Eine Mammutaufgabe"

Der Minister betonte in einer Pressemitteilung: „Mein besonderer Dank gilt den Koordinatoren für das Kleeblatt Süd, Herrn Dr. Albert Schiele und Herrn Marc Gistrichovsky, für ihren unermüdlichen Einsatz. Sie finden unter Einbindung aller Akteure, insbesondere der Ärztlichen Bezirkskoordinatoren, immer die passende Behandlung am passenden Ort. Das ist medizinisch wie organisatorisch eine Mammutaufgabe!“

Von den Flughäfen in Nürnberg und Memmingen aus wurden sie in verschiedene Kliniken des Freistaats gebracht - 13 von ihnen ins Uniklinikum Erlangen. Hier wurden bislang elf ukrainische Soldaten und zwei Tumorpatienten behandelt, u. a. in der Unfallchirurgischen und Orthopädischen Klinik, der Hals-Nasen-Ohren-Klinik - Kopf- und Halschirurgie und der Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgischen Klinik. Zudem haben private Initiativen weitere Patientinnen und Patienten, darunter auch Kinder, ans Uniklinikum Erlangen vermittelt.

Anspruchsvolle und komplexe Therapien

Weil Kriegsverletzungen oft multipel und die Therapien anspruchsvoll und komplex sind, bedarf es einer engen interdisziplinären Zusammenarbeit. So befindet sich aktuell ein ukrainischer Patient in der Erlanger MKG-Chirurgie, der durch Artilleriegranaten offene Schädel- und Gesichtsverletzungen erlitt und von einem Team um Klinikdirektor Prof. Kesting eine chirurgische Rekonstruktion des Gesichts und des Gaumens erhielt. Die Ärztinnen und Ärzte der Unfallchirurgie-Orthopädie des Uniklinikums Erlangen kümmern sich indessen u. a. um die Versorgung verstümmelter Gliedmaßen, um Gelenkersatz und Prothesen.

Vom Studenten zum Soldaten

Einer dieser unfallchirurgischen Patienten ist ein 24-jähriger ukrainischer Student, der zum Kriegsdienst verpflichtet wurde. Im August 2022 geriet er nahe Donezk unter Panzerbeschuss, während er mit anderen Soldaten zu Fuß unterwegs war und gerade versuchte, eine Deckung zu errichten. Ein Schrapnell verletzte seinen rechten Oberarm massiv, das Schulterblatt brach und er erlitt multiple offene Wunden, ebenso Verletzungen der linken Hand und Flanke sowie des linken Knies.

Der zertrümmerte Arm wurde in einer Klinik vor Ort mit einem Fixateur erstversorgt. Ende Oktober 2022 wurde der junge Mann schließlich nach Erlangen gebracht. „Die Frage, ob ich in diesen Krieg ziehen will, stellte sich mir nicht. Ich habe einfach die Aufforderung dazu bekommen und musste kämpfen“, berichtet der junge Ukrainer, dessen Eltern noch immer in ihrer Heimat leben.

Schuss- und Explosionsverletzungen

Prof. Dr. Hans-Georg Palm, leitender Oberarzt der Unfallchirurgie-Orthopädie, erklärt: „Bei Menschen aus Kriegsgebieten sind meist Schuss- und Explosionsverletzungen zu versorgen, die oft mit großen Defekten bzw. Verstümmelungen einhergehen. Wir sprechen von sogenannten penetrierenden Verletzungen, wenn zum Beispiel Metallsplitter in den Körper eindringen.“

Das Uniklinikum Erlangen ist als überregionales Traumazentrum auf die Maximalversorgung Schwerstverletzter spezialisiert. Je nach Ausmaß und Art der Verletzungen werden die Betroffenen im Rahmen des TraumaNetzwerks Mittelfranken (Sprecher: Prof. Dr. Mario Perl) den verschiedenen kooperierenden Kliniken zugewiesen.

Zusammenarbeit mit Mikrobiologie und Klinischer Pharmazie

„Oft gibt es viele Lokalisationen am ganzen Körper“, so Prof. Palm weiter, der früher selbst als Einsatzchirurg bei der Bundeswehr tätig war. „Zudem können Wundverunreinigungen und sich ausbreitende Keime ein großes Problem darstellen, das wir bei uns im Haus unter anderem dank der Zusammenarbeit mit Mikrobiologie und Klinischer Pharmazie in den Griff bekommen können.“

Bei dem 24-jährigen Studenten entnahm das Team der Erlanger Unfallchirurgie-Orthopädie zunächst Proben aus dem Arm, um sicherzustellen, dass sich dort aktuell keine Keime ausbreiten. Im nächsten Schritt erhält er nun ein künstliches Ellenbogengelenk - eine Spezialprothese, wie sie auch bei Tumorpatientinnen und -patienten verwendet wird. „Ich wünsche mir, dass ich meinen Arm bald wieder beugen kann, denn momentan geht das überhaupt nicht“, so der junge Mann.

Lenkung der Patientenströme

Prof. Dr. Mario Perl, Direktor der Unfallchirurgie-Orthopädie, unterstreicht, dass eine optimale Versorgung von Kriegsopfern in Erlangen nur interdisziplinär und im engen Austausch mit Oberarzt Dr. Albert Schiele von der Anästhesiologischen Klinik des Uniklinikums Erlangen möglich sei. Dr. Schiele ist Kleeblattkoordinator für Bayern - für das Kleeblatt Süd. Er lenkt seit 2020 im Freistaat nicht nur die Patientenströme im Zuge der Coronapandemie, sondern seit dem Frühjahr 2022 auch die ankommenden ukrainischen Kriegsverletzten.

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