Im Dezember fällt "beim Greiner" in Erlangen der letzte Vorhang

3.9.2020, 06:00 Uhr
Im Dezember fällt

© Harald Sippel

Mit dem Räumungsverkauf, der am Dienstag offiziell angelaufen ist, wird momentan das letzte Kapitel der Unternehmensgeschichte geschrieben. "Am 31.12. ist Schluss", sagt Greiner.

Es war ein Paukenschlag als Geschäftsführer Kurt Greiner Ende Mai bekannt gab, dass er das Geschäft schließen wird. "Ich habe nicht mehr die nötige Energie, um das Unternehmen in dieser anspruchsvollen Zeit an die vielen wichtigen Veränderungen anzupassen", schrieb er damals in einer Pressemitteilung.

Damit schließt nach der Metzgerei Vierzigmann, dem Wäschegeschäft Büchner und Leder Pfeiffer, um einige zu nennen, eines der letzten Traditionsgeschäfte in der Hauptstraße.

Gegründet wurde das Unternehmen vermutlich 1794. "Ganz genau weiß man das nicht", sagt Kurt Greiner und zieht eine Urkunde aus dem Jahr 1793 aus den grob sortierten Unterlagen. Eine Schmiede bildete die Keimzelle des Haushaltswarengeschäfts, das die Familie Greiner 1909 übernahm. Auf einem alten Foto, das noch vor dem Ersten Weltkrieg aufgenommen wurde und das Kurt Greiner aus seiner "Schatzkiste" zieht, posiert sein Urgroßvater stolz vor dem Geschäftseingang. 

Den Stolz der Familie dokumentieren auch drei Siegelringe, die Kurt Greiner aus einer Schublade seines Schreibtisches hervorholt. Alle sind aus massivem Gold und tragen das Familienwappen der Familie Greiner. "Eigentlich müssten es vier sein", sagt er. Der vierte Ring sei aber verschollen.

Die unzähligen Fotos, die Greiner aus dem Pappkarton fischt, zeigen, dass der Stolz auf das Erreichte nicht unberechtigt oder überheblich ist. Aus bescheidenen Anfängen entwickelte sich ein Einzelhandelsbetrieb, der heute auf rund 2000 Quadratmetern rund 40 000 Artikel aus den Bereichen Haushaltswaren sowie Heim- und Handwerkerbedarf feil bietet. Noch, denn wie gesagt am Ende des Jahres schließen die Pforten des Traditionsgeschäfts. Rund 50 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter verlieren damit ihren Arbeitsplatz. "In den besten Zeiten", erinnert sich Greiner, "beschäftigten wir bis zu 80 Mitarbeiter."

Der gesellschaftliche Wandel weg vom Einzelhandel hin zur digitalen virtuellen Welt, bereitet Kurt Greiner Sorgen. Zwar hat das Unternehmen auf den sich wandelnden Einzelhandel reagiert und zum Beispiel 2007 einen Online-Shop mit eigenem Versandlager gegründet. Den Rückgang der Kundschaft, die noch persönlich das Geschäft in der Hauptstraße besucht, um sich beraten zu lassen und dann auch dort kauft, konnten die Online-Aktivitäten aber nicht ausgleichen.

Gleichzeitig beobachtet Kurt Greiner einen fehlenden Sinn für Nachhaltigkeit. Diese Ex-und-hopp-Mentalität führe dazu, dass es sich manchmal einfach nicht mehr lohne, ein defektes Gerät reparieren zu lassen, weil ein neues um ein vielfaches billiger ist. Bei manchen Haushaltsgeräten, berichtet er weiter, erhalte der Kunde mittlerweile auch keinen Kostenvoranschlag mehr, sondern müsse einen vom Hersteller vorgegebenen Reparaturpreis akzeptieren oder eben nicht. Kundenfreundlichkeit sieht anders aus. "Heute spricht alles über Nachhaltigkeit, dabei hatten wir das eigentlich schon mal", sagt Kurt Greiner. 

Hinzu kommt, dass aus der einstigen 1a-Lage Hauptstraße im Laufe der Jahre eine Randlage für den inhabergeführten Einzelhandel geworden ist. "Die Kunden wenden sich von der nördlichen Innenstadt ab und orientieren sich stärker in Richtung Erlanger Süden." Außerdem leiden die Geschäftsleute und damit auch die Firma Kurt Greiner GmbH unter der Verkehrssituation. Greiner nannte in seiner Pressemitteilung in diesem Zusammenhang unter anderen die Bahn-Bauarbeiten, die sich jahrelang hinzogen oder die Teilsperrung der Neuen Straße, "mit der man zurechtkommen musste und muss". 

"Es ist halt so, dass eine nicht mindere Zahl unserer Kunden – allen voran auch unsere Großhandelskunden – mit dem Auto und nicht mit dem ÖPNV kommen. Der Kunde aber fährt nachvollziehbarerweise dorthin, wo er sein Ziel möglichst schnell und bequem erreichen kann und das war/ist einfach nicht mehr zu uns." Die coronabedingten Einschränkungen seien "einfach nur noch das Tüpfelchen auf dem I" gewesen, die zu dem Entschluss brachten, das Geschäft ganz zu schließen.

Mit dem Ende der Kurt Greiner GmbH, müssen sich auch viele Handwerker neu orientieren, die bislang vor allem in den Morgenstunden in der Westlichen Stadtmauerstraße für reges Treiben sorgten. "Wenn wir verschwinden", sagt Kurt Greiner, "ist der Eisen-Seefried der letzte Eisenwarenhändler in Erlangen."

Ob in die Gebäude, die Greiner verkaufen wird, wieder ein Geschäft einzieht, scheint eher unwahrscheinlich. Sein Wunsch, dass da "irgendwas mit Kunst" stattfindet, wird wohl auch nicht in Erfüllung gehen. Fest steht nur eins: "Mit uns verschwindet ein Teil Erlanger Kulturgeschichte."

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