KOMMENTAR: Hätten Sie Ihren Nachbarn geholfen?

27.2.2021, 18:30 Uhr
Sechs Monate nach dem Brand in Moria kommen zwei Familien nach Erlangen, um vor Ort Schutz und Zuflucht zu erhalten.

© Panagiotis Balaskas, dpa Sechs Monate nach dem Brand in Moria kommen zwei Familien nach Erlangen, um vor Ort Schutz und Zuflucht zu erhalten.

Stellen wir uns einmal vor, das Haus Ihres Nachbarn brennt. Es ist nun unbewohnbar, die Familie hat alles verloren. Was tun Sie, wenn die Feuerwehr abrückt und die Nachbarn in Decken gehüllt vor den rauchenden Trümmern stehen? Bauen Sie ein Zelt auf die schlammige Wiese im Garten? Bieten Sie an, die fünfköpfige Familie vorübergehend in ihrem Haus schlafen zu lassen? Oder aber soll der Nachbar schauen wo er bleibt – es ist ja schließlich nicht Ihr Haus, das abgebrannt ist. Außerdem ist ja noch nicht einmal geklärt, ob der Nachbar es vielleicht selbst angezündet hat?

Horst Seehofer hat im übertragenen Sinne den Nachbarn angeboten, maximal eines ihrer Kinder aufzunehmen. Sonst, so seine Logik, könnte seine Fürsorge ja an die übrigen Nachbarn das Signal aussenden, sie müssten nur ihr Haus anzünden, dann kämen sie günstig bei den Seehofers unter.

Respektlos

Perplex vor soviel Respektlosigkeit boten zahlreiche Länder und Bürgermeister im September 2020 an, nicht Seehofers 150, sondern tausende Geflüchtete aufzunehmen. So auch in Erlangen, nachdem der verheerende Brand im Flüchtlingslager Moria uns vor Augen führte, dass man seine Probleme nicht löst, indem man die Augen und Ohren davor verschließt. "Schnell, unbürokratisch und human" wollten wir alle helfen. Das war vor sechs Monaten und einem Winter. Hätten Sie Ihre Nachbarn sechs Monate warten lassen?

Anfang März werden zwei (!) Familien aus Moria zu unseren Nachbarn werden. Es bleibt inständig zu hoffen, dass das nur die ersten von vielen weiteren sein werden. Behandeln wir sie wenigstens jetzt so, wie man seine Nachbarn behandelt, deren Haus abgebrannt ist: fürsorglich, liebevoll, verständnisvoll und hilfsbereit. Und für alles Andere sollten wir uns in Grund und Boden schämen!

 

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