Bildung für Bedürftige

Nach Corona-Pause: Straßenkreuzer-Uni startet ins neue Semester

1.9.2021, 14:30 Uhr
Auch einen Besuch im Nürnberger Max-Morlock-Stadion sieht die Veranstaltungsreihe der Straßenkreuzer-Uni im September 2021 vor. 

© Roland Fengler, NNZ Auch einen Besuch im Nürnberger Max-Morlock-Stadion sieht die Veranstaltungsreihe der Straßenkreuzer-Uni im September 2021 vor. 

Frau Weiß, im September 2021 startet die Straßenkreuzer-Uni nach fast einjähriger Corona-Pause ins neue Semester. Wie sicher ist es, dass es losgeht?

Ich denke, das ist sehr sicher. Wir haben zum Start unter dem Titel "Draußen tut gut" wirklich Wert auf Außentermine gelegt und uns sehr gut überlegt, was wir wagen können. Ich glaube, es ist ein schönes Programm geworden. Was wir vor allem merken: Es waren alle sofort bereit, mitzumachen. Das war gar keine Frage. Ich denke, es ist eine Sehnsucht da, dass wieder etwas in Gang kommen kann unter sicheren Bedingungen. Und das schaffen wir.

Wie groß ist das Interesse unter den Hörerinnen und Hörern?

Wir hatten ja jetzt Zwangspause, wir hoffen sehr, dass die Leute wieder kommen. Wir haben aber erste, sehr optimistische Rückmeldungen und auch schon etliche Anmeldungen. Insofern glauben wir, dass die Uni weiterhin gebraucht, ersehnt und gewollt wird und dass sich alle, die kommen, freuen, dass wir wieder unterwegs sein können. Aber wir machen ja Teilnehmerbegrenzungen, das ist trotz aller Freude, trotz alles Draußenseins wichtig.

Manche Bildungseinrichtungen haben die Corona-Zeit mit digitalen Veranstaltungen überbrückt. Das ist bei der Straßenkreuzer-Uni ja nicht oder nur schwer möglich, oder?

Ja, unsere Uni ist zwar offen für jeden, aber wir meinen natürlich in erster Linie Menschen, die sonst schwer Zugang haben oder sich auch nicht angesprochen fühlen. Aber auch in anderen Bildungsstätten, wie etwa der Volkshochschule, waren zum Teil digitale Vorlesungen für Dozenten schwierig. Manches wirkt auch lebensfremd, man kann nicht alles einfach digital umsetzen. Wir sind soziale Wesen, deshalb ist es gut, dass wir wieder echt agieren können. Ich hoffe, dass es gut läuft. Denn ganz klar: Für unsere Leute, die Verkäuferinnen und Verkäufer, ist der digitale Zugang besonders schwierig.

Weil es an Wlan, Ausrüstung und PCs fehlt?

Genau, es gibt oft keine tauglichen Geräte, keine ordentlichen Verträge, mit denen man guten Zugang hat und die Geräte sind natürlich das größte Problem. Zum Teil ist es auch das Wissen, wie man mit Videokonferenzen umgeht. Aber ich habe es auch oft bei sehr bürgerlichen Menschen erlebt, dass sie Anlaufschwierigkeiten bei Zoom-Veranstaltungen hatten.

Wie wichtig ist die Straßenkreuzer-Uni? Manche sagen ja, es reiche, wenn Bedürftige genug zu essen haben. Welche Rolle spielt da Bildung?

Für Straßenkreuzer-Chefredakteurin und Uni-Initiatorin Ilse Weiß ist es sehr wichtig, dass auch Bedürftige besseren und leichteren Zugang zu Bildung haben. 

Für Straßenkreuzer-Chefredakteurin und Uni-Initiatorin Ilse Weiß ist es sehr wichtig, dass auch Bedürftige besseren und leichteren Zugang zu Bildung haben.  © Archivfoto: Horst Linke

Meine Motivation, vor rund zehn Jahren mit der Uni zu starten, war ja: In Deutschland muss niemand auf der Straße verhungern, aber im Kopf verhungern wir alle sehr schnell, wenn wir nicht mehr gemein sind und irgendwann herausfallen aus dem normalen Bildungssystem. Lebenslanges Lernen ist wunderbar, wir finden auch, das sollte jeder machen können. Aber bei vielen Angeboten fühlt sich nicht jeder angesprochen. Und das ist ja unser Ansatz. Deshalb ist die Uni wichtig, und die Kontinuität und der Erfolg zeigen ja auch, dass es ein Angebot ist, das genossen wird. Wir haben selbst viel Freude daran, jeder kann etwas lernen. Deshalb kann ich nur alle einladen, mitzumachen und zu sagen: Da komm ich mal und gehe mit zum Club oder mit Nürnbergs Oberbürgermeister Marcus König in den Tiergärtnertorgraben oder mit BN-Chef und CSU-Stadtrat Otto Heimbucher in den Heilkräutergarten am Hallertor.

Auch von der Erlanger Uni haben ja schon viele Professorinnen und Professoren mitgemacht.

Ja, und die allermeisten freuen sich und sind neugierig, wer kommt. Wir wissen das ja selbst oft nicht so genau. Was uns sehr wichtig ist, gerade wenn jemand von der Uni kommt, ist: dass die Sprache bei Vorträgen verständlich ist, aber auch da machen wir allerbeste Erfahrungen. Auch für die Dozenten ist das spannend: Sie kommen an Orte wie die Wärmestube oder eine Notschlafstelle. Das bereichert auch sie. Ich finde es prima, wenn Menschen sich öffnen für andere Lebensbereiche. Und niemand muss sich schämen. Ich glaube, die Uni führt durch die Bildungshintertür Menschen zusammen.

Eine Anmeldung ist möglich unter uni@strassenkreuzer.info bzw. telefonisch unter 0911 217593-0. Mehr Informationen zum Projekt gibt es hier.

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