Rettet eine Entwicklung aus Erlangen das Weltklima?

22.10.2020, 12:00 Uhr
Rettet eine Entwicklung aus Erlangen das Weltklima?

© Debo/Evonik

Der Name des Projekts geht dabei auf Georg Joachim Rheticus zurück, einen Schüler von Kopernikus, nachdem wiederum eine der größten Forschungsinitiativen zur Energiewende benannt ist. In nur drei Jahren entstand dabei eine Versuchsanlage, die mittels der Kopplung von Elektrolyse- und Fermentationstechnologie Spezialchemikalien erzeugen kann – aus Kohlendioxid (CO2) und Wasser sowie Strom aus erneuerbaren Quellen und Bakterien. Mit dem künstlichen Photosyntheseprozess wird in einem ersten Schritt Kohlendioxid und Wasser mit Strom in Kohlenmonoxid (CO) und in Wasserstoff (H2) umgewandelt.

Etwas Sinnvolles

Anschließend wandeln spezielle Mikroorganismen die CO-haltigen Gase zu Chemikalien wie Butanol und Hexanol um, die unter anderem der Nahrungsmittel- und Chemieindustrie als Ausgangsstoffe dienen. Kurz, so Ralf Krause, der vor sieben Jahren das Projekt bei Siemens in Erlangen mit ersten Laborversuchen anstieß: "Aus CO2 machen wir etwas Sinnvolles. Dabei setzen wir auf ein komplett neues, innovatives Verfahren."

Pflanzen machen es bei der natürlichen Photosynthese ganz ähnlich: Sie nutzen Chlorophyll, Enzyme und Sonnenlicht, um damit Glucose herzustellen. "Den Stein der Weisen, hat die Natur längst entwickelt", sagte Krause. Allerdings ist die künstliche Photosynthese um den Faktor Zehn effizienter ist als die natürliche Photosynthese, ergänzt der Leiter der Power2X-Forschung bei Siemens Energy, Karl-Josef Kuhn. Ein weiterer Vorteil von Rheticus: Die Technologie trägt dazu bei, die Kohlendioxidbelastung der Atmosphäre zu reduzieren, da CO2 als Rohstoff verwendet wird.

"Ich bin über die Auszeichnung nicht nur sehr glücklich, sondern auch auf alle am Projekt beteiligten Kolleginnen und Kollegen von Siemens Energy und Evonik ausgesprochen stolz. Das gesamte Team leistet seit 2017 zukunftsweisende Pionierarbeit, auf der Grundlage eines augenscheinlich einfachen Ansatzes: nämlich einen der maßgeblichen Treiber der Erderwärmung – das Kohlendioxid – zum Rohstoff und Katalysator der Energiewende zu machen", so Karl-Josef Kuhn weiter.

Die Auszeichnung, sagt Ralf Krause, ist "eine tolle Anerkennung für das gesamte Team, das eine riesen Leistung" erbracht hat. Das Projekt und, dass es einem nicht bang sein müsse, um den Forschungsstandort Erlangen. Dazu passe auch, ergänzt Karl-Josef Kuhn, das neue Forschungsgebäude auf dem Erlanger Siemens-Campus an der Günther-Scharowsky-Straße, das 2022 fertiggestellt sein soll und für das jüngst in kleinem Kreis der Grundstein gelegt wurde. "Hier entsteht ein zukunftsfähiger Forschungsstandort", meinte OB Florian Janik zu dem Projekt, in dessen Rahmen etwa die Zukunft von Wasserstoff-Elektrolyse und Nano-Technologie untersucht werden soll, wie Annemarie Große Frie, Forschungschefin "Energy and Electronics" bei Siemens ergänzte.

Begeistert zeigte sich Bundesforschungsministerin Anja Karliczek (CDU) jüngst bei einem Besuch in Marl, wo die Pilotanlage steht: "Das Projekt Rheticus ist ein Paradebeispiel dafür, wie Klimaschutz und wirtschaftliche Chancen Hand in Hand gehen können: Innovatives Denken, Mut und Forschergeist sind hierbei der Schlüssel."

"Äußerst zuversichtlich"

"Die wirklich vertrauensvolle und immer konstruktive Zusammenarbeit in unserem gemeinsamen Forschungsprojekt hat diesen Erfolg möglich gemacht", ist Thomas Haas überzeugt, der bei Evonik für Rheticus verantwortlich ist. Und weiter: "Die innovative Technologie hat das Potenzial, zum Gelingen der Energiewende beizutragen. Wir nutzen das CO2 als Rohstoff, um über künstliche Photosynthese wertvolle Chemikalien zu erzeugen und zugleich den Kohlenstoffkreislauf zu schließen." 

Der nächste Schritt ist jetzt die industrielle Umsetzung des Projekts Rheticus. Zuvor muss die Pilotanlage allerdings noch einen erfolgreichen und vor allem störungsfreien Dauerbetrieb hinlegen. Ralf Krause ist allerdings "äußerst zuversichtlich", dass das gelingt. In vier bis fünf Jahren, ist Karl-Josef Kuhn überzeugt, könnte das Verfahren im industriellen Maßstab betrieben werden.

Das vom Bundesforschungsministerium mit rund 6,3 Millionen Euro geförderte Projekt läuft noch bis zum Jahr 2021.

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